Stadtverkehr
Wird der 30er der neue 50er?

Tempo 30 ist in Innsbruck wieder einmal politisches Thema. | Foto: BB IBK
  • Tempo 30 ist in Innsbruck wieder einmal politisches Thema.
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INNSBRUCK. Tempo 30 bewegt die Gemüter und das seit Jahren. Aktuell sind im Gemeinderat wieder Anträge auf Einführung einer weitreichenden Einführung von Tempo 30 eingebracht worden. Vor allem die Verkehrssicherheit spricht für die Geschwindigkeitsreduktion.

Erste Tempo-30-Zone

"Es ist vollbracht" titelten die Innsbrucker Stadtnachrichten im Jahr 1989. Am 20. September wurden an der Zufahrtsstraße zur Lohbachsieldung die "Tempo-30-Zone"-Schilder angebracht. Der damalige Verkehrsstadtrat Harald Hummel übernahme mit Baudirektor Otto Müller und Straßen- und Verkehrsamt Vorstand Martin Jäger die symbolische Montage. Es folgten noch im Jahr 1989 die Zonen am Mentlberg und Klosteranger. In einem Vergleich der Landeshauptstädte stelle Greenpeace 2017 fest: "Innsbruck liegt mit einer Punktzahl von 5,0 Punkten auf dem dritten Platz in der Kategorie „Fußgängerfreundlichkeit“. Verbesserungsbedarf gibt es bei der Größe der Fußgängerzonen. Auch eine Ausweitung der Tempo-30-Zonen und eine Verbesserung der Fußgängersicherheit wäre erstrebenswert." Im Mobilitätscheck 2020 der Stadt Innsbruck, durchgeführt vom Land Tirol und Energie Tirol, wird die "Ausweitung von Tempobeschränkungen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und Reduktion von Lärm- und Schafstoffemissionen (Tempo 30)" als Potential bezeichnet. 

Verkehrssicherheit

Empirische Studien zeigen, dass Tempo 30 in der Stadt die Zahl der Verkehrsunfälle und der verletzten Personen um 20 bis 30 Prozent senken kann. Es passieren weniger Unfälle und bei Zusammenstößen, die nicht vermieden werden, haben Gehende und Radfahrende bei Tempo 30 deutlich größere Überlebenschancen. Eine Verlangsamung des Verkehrs kommt besonders Kindern und älteren Menschen zugute. Tempo 30 bietet eine deutlich höhere Verkehrssicherheit als etwa Tempo 50. Verzögerte Wahrnehmungsleistungen und Reaktionen sowie Fehlverhalten haben bei Tempo 30 wesentlich leichtere Folgen. Auch der Anhalteweg (das ist der Reaktionsweg plus Bremsweg) beträgt bei Tempo 30 rund zwölf Meter, ein Auto, das 50 Kilometer pro Stunde fährt hat nach zwölf Meter noch die volle Geschwindigkeit und steht erst nach 26 Metern. Wird ein Fußgänger mit 50 Kilometer pro Stunde angefahren, liegt die Wahrscheinlichkeit tödlich oder schwer verletzt zu werden bei 80 Prozent, bei einer Aufprallgeschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde sinkt dieses Risiko auf 40 Prozent.

Umweltverbund

"Je mehr Straßen mit einem Tempolimit von 30 km/h versehen sind, desto attraktiver werden im Vergleich das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel. Es kann also davon ausgegangen werden, dass Tempo 30 den Umweltverbund grundsätzlich stärkt, da die Nutzung des eigenen Pkw mit einer geringeren Zeitersparnis verbunden ist. Allerdings dürfen Busse und Straßenbahnen auf straßenbündigem Bahnkörper dann auch nur mit Tempo 30 unterwegs sein. Dies erhöht die Fahrzeit und macht den straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr unattraktiver", erklärt der ADAC in seiner Tempo-30-Broschüre. In Sachen Lärmreduktion und Luftschadstoffbelastung gibt es zahlreiche vollkommen unterschiedliche Bewertungen und Testergebnisse.

Für und Wider

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit hat 2019 mit dem Vorschlag von Tempo 30 in allen Städten, ausgenommen Durchzugsstraßen, für Schlagzeilen gesorgt. Die damalige Klubobfrau der Innsbrucker Grünen, Renate Krammer-Stark, zeigte sich als überzeugte Befürworterin der Verkehrsberuhigung. "Wir brauchen in den Städten lediglich auf ein paar wenigen Öffi-Routen Tempo 50, damit die Öffis auf den großen Durchzugsstraßen zügig vorankommen. Aber überall sonst muss die Sicherheit der langsamen und vergleichsweise schwachen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer Vorrang haben." Weiters stand damals in der Aussendung: "Die Grüne Klubobfrau hofft, dass die bereits im Herbst angekündigte Initiative #sicher30, die jetzt im Frühjahr von Mobilitätsstadträtin Uschi Schwarzl vorgestellt wird, auf die Zustimmung weiter Teile des Innsbrucker Gemeinderats stößt: Mehr als ein Dutzend besonders gefährliche Straßenzüge werden herausgearbeitet und als neue 30er-Zonen vorgeschlagen werden, nachdem der Vorschlag des Kuratoriums für Verkehrssicherheit im Innsbrucker Stadtsenat zuletzt mit einer Mehrheit aus ÖVP, FPÖ und Für Innsbruck niedergestimmt wurde.​" Die Innsbrucker ÖVP hielt im September 2019 dazu fest: "Die Grüne Verkehrsstadträtin Uschi Schwarzl ist beim Versuch flächendeckendes Tempo 30 in Innsbruck durch die Hintertüre einzuführen spektakulär gescheitert! Von 10 Anträgen, die Schwarzl im Verkehrsausschuss einbrachte, wurden 9 von der Mehrheit abgeschmettert." ÖVP-Verkehrssprecherin und Ausschussvorsitzende GR Mariella Lutz stellte damals fest: "Was wir aber sicher nicht wollen ist, dass aus den zahllosen Tempo30-Anträgen eine quasi flächendeckende Tempo-30-Zone in Innsbruck entsteht. Wir bleiben dabei: Mit der Volkspartei wird es sicher kein flächendeckendes 30 in der Landeshauptstadt geben, auch nicht durch die Hintertüre. 

SP-Antrag

Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, besonders von Kindern, älteren und in ihrer Mobilität beeinträchtigten Menschen, stellte der SPÖ-Gemeinderatsklub in der letzten Gemeinderatssitzung einen Antrag zur flächendeckenden Tempo-30 Beschränkung im Stadtgebiet Innsbruck. Für SPÖ-Klubobmann Helmut Buchacher hat ein fast flächendeckender Dreißiger ausschließlich Vorteile: „Mit dieser Regelung kann die Sicherheit für Autofahrerinnen und -faher, Radfahrerinnen und Radfahrer und Fußgängerinnen und -gänger erhöht werden.“ Ausgenommen von dieser Beschränkung sollen Bundes- und Landesstraßen sowie von der Gemeinde definierte Durchzugsstraßen werden. Durch diese geforderte Maßnahme sollen auch die Lärm- und Abgaswerte reduziert werden und eine Verkehrsberuhigung eintreten. Auch verringern sich die Kosten für die Beschilderungen und Markierungen spezieller 30er-Zonen. „Ähnliche Projekte sind in vielen anderen Tiroler Gemeinden mittlerweile eine Selbstverständlichkeit“, fügt Buchacher hinzu. „Aber, wenn die Stadt Innsbruck hier schon nicht Vorreiter sein konnte, sollten wir uns angesichts der Verkehrs- und Umweltsituation endlich zu einer mutigen Entscheidung durchringen, statt ständig mühsam über die Einführung von einzelnen Tempo-30 Zonen zu debattieren.“

Grün-Antrag

Ebenfalls haben die Innsbrucker Grünen einen entsprechenden Antrag eingebracht. StR USchi Schwarzl hat u.a. formuliert: "Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck bekennt sich im Sinne der Erhöhung der Verkehrssicherheit und zur Fernhaltung von Belästigungen, insbesondere durch Lärm zur Reduktion des Geschwindigkeitsregimes auf dem Gemeindestraßennetz der Landeshauptstadt Innsbruck auf 30 kmh. Im Sinne dieses Bekenntnisses beauftragt der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck die zuständigen Ämter, unter Beiziehung externer Gutachter:innen sowie unter Einbindung von IVB und Behörden die notwendigen vorbereitenden Prüfungen und Erhebungen durchzuführen, mit den Zwischenergebnissen den Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität zu befassen und das Gesamtergebnis dem Gemeinderat vorzulegen." 

Diskussion

Die Diskussion über die eingebrachten Anträge folgt im Gemeinderat am 24. März. Bis dahin wird das emotional besetzte Thema bei den Gemeinderatslisten für Diskussionen sorgen. Im April 2021 waren bei einer nicht repräsentativen Umfrage der BezirksBlätter Innsbruck, 78,09 % gegen die Einführung von Tempo-30-Zonen in Innsbruck. 

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