31 von 40 Abgeordneten sind sich einig
Derartige Alleingänge schaden der Stadt Innsbruck

Klare Mehrheit gegen die Politik des Bürgermeisters: Fraktionen FPÖ, Für Innsbruck, ÖVP & TSB, SPÖ, Lebenswertes Innsbruck, Gerechtes Innsbruck und Liste Fritz (NEOS waren entschuldigt) | Foto: Pock
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  • Klare Mehrheit gegen die Politik des Bürgermeisters: Fraktionen FPÖ, Für Innsbruck, ÖVP & TSB, SPÖ, Lebenswertes Innsbruck, Gerechtes Innsbruck und Liste Fritz (NEOS waren entschuldigt)
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31 von 40 Abgeordneten des Innsbrucker Gemeinderates zeigen sich mit dem Verhalten von Bgm. Georg Willi unzufrieden. "Willis Alleingänge schaden der Stadt." Drei Sachverhaltsdarstellungen zum Thema Sonderverträge wurde inzwischen eingereicht.

INNSBRUCK. Eigentlich hätte am 6.5.2018 eine neue politische Zeitrechnung beginnen sollen. In der Stichwahl um das Bürgermeisteramt hat sich Georg Willi mit 52,9 % gegen die bisher amtierende Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer bei einer Wahlbeteiligung von 43,74 % durchgesetzt. Nach jahrzehntelangen bürgerlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ist erstmals ein "Grüner" Stadtoberhaupt von Innsbruck. „1989 saß ich zum ersten Mal hier und ich hätte mir damals nicht gedacht, dass ich einmal als Bürgermeister hier stehen werde“, sagte Willi bei der ersten Gemeinderatssitzung und meinte: "Wir alle sind Stadt." Durchaus holprig verlief die erste Sitzung unter der Amtsführung von Willi auch in Sachen Stadtrecht. Fünf Jahre später, gibt es immer noch Probleme bei den Sitzungen mit dem Stadtrecht. GR Lucas Krackl, LA GR Christoph Appler oder GR Benjamin Plach springen immer wieder in die Bresche, um Anträge gesetzeskonform über die Bühne zu bringen. Einig sind sich über dreiviertel der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte bei Thema Bürgermeister und der intensiv diskutierten Frage der Sonderverträge.


„Wir stehen trotz aller politischen Unterschiede in Verantwortung für unsere schöne Landeshauptstadt Innsbruck gemeinsam hier. Wir sind es gewöhnt, in Sachfragen positiv zusammenzuarbeiten, wie auch die konstruktive Arbeit in den Ausschüssen sehr oft beweist. Es eint uns besonders die gemeinsame Erwartungshaltung, wonach sich ein Bürgermeister an die Gesetze und stadtrechtlichen Beschlüsse bzw. Bestimmungen zu halten hat. Georg Willi hat das schon mehrfach nicht getan. Wenn wir auch die notwendigen Konsequenzen unterschiedlich bewerten, so stimmen wir doch überein, dass derartige Alleingänge der Stadt Innsbruck schaden und es diese Vorgänge künftig nicht mehr geben darf.“

Die Fraktionen FPÖ, Für Innsbruck, ÖVP & TSB, SPÖ, Lebenswertes Innsbruck, NEOS, Gerechtes Innsbruck und Liste Fritz.

GR Marcela Duftner–Lebenswertes Innsbruck,  Vizebürgermeister Markus Lassenberger–FPÖ -Rudi Federspiel, Tom Mayer–Liste Fritz, Klubobmann Christoph Appler–ÖVP & TSB, GR Benjamin Plach–SPÖ Innsbruck, GR Gerald Depaoli–Gerechtes Innsbruck und Klubobmann-Stv. GR Markus Stoll–Für Innsbruck, GR Julia Seidl_NEOS war entschuldigt. | Foto: Pock
  • GR Marcela Duftner–Lebenswertes Innsbruck, Vizebürgermeister Markus Lassenberger–FPÖ -Rudi Federspiel, Tom Mayer–Liste Fritz, Klubobmann Christoph Appler–ÖVP & TSB, GR Benjamin Plach–SPÖ Innsbruck, GR Gerald Depaoli–Gerechtes Innsbruck und Klubobmann-Stv. GR Markus Stoll–Für Innsbruck, GR Julia Seidl_NEOS war entschuldigt.
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Die Regentschaft

Die Regentschaft von Bgm. Willi ist von vielen Besonderheiten gekennzeichnet. 2019 wurde Christine Opiitz-Plörer als Bürgeremeisterstellvertreterin abberufen. Bgm. Willi meine damals in seinen Wortmeldungen:

"Jeder von uns wird zu Beginn seiner Tätigkeit angelobt und verpflichtet, die Gesetze zu befolgen, das Wohl der Stadt Innsbruck zu fördern und unparteiisch und uneigennützig seines Amtes zu walten. Dabei gelten die wichtigen Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit."

sowie: "Ich möchte es einmal umdrehen: Was würden sich die BürgerInnen denken, wenn das, was passiert ist, ohne Konsequenzen bliebe? Ihr Vorwurf wäre berechtigt, dass PolitikerInnen tun und lassen können was sie wollen, denn am Ende zahlen es die BürgerInnen!" Abschließend hielt Willi in der GR-Diskussion zur Abwahl von Oppitz-Plörer fest: "Ich hoffe, dass mit dieser Entscheidung heute klar wird, welche Vorstellungen ich von politischer Verantwortung habe. Ich weiß, Ihr alle werdet mich an dieser Kultur messen und wenn ich sie nicht erfülle, werdet Ihr mich beim nächsten Mal abwählen. Das weiß ich! (Beifall)" Es folgte außerdem die Abwahl von Uschi Schwarzl als Bürgermeisterstellvertreterin. Mehrfach hat sich die Gemeindeaufsicht des Landes mit Entscheidungen des Gemeinderates und des Bürgermeisters beschäftigt. Es gab Gutachten und Streitigkeiten zum Thema Begegnungszone, es folgte der Bruch der Koalition aus Grüne, Für Innsbruck, ÖVP und SPÖ und ein Spiel der "freien Kräfte". Mit dem Austritt von drei grünen Gemeinderätinnen und -räten hat sich die Zahl an Fraktionen im 40-köpfigen Gemeinderat auf zwölf erhöht.

So sieht der Gemeinderat aktuell aus | Foto: Stadt Innsbruck
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Der Sondervertrag

Nach zweimaliger Befassung durch den Kontrollausschuss der Landeshauptstadt Innsbruck und über 10 Stunden intensivster Befragungen befasste sich der Gemeinderat vom 23. Februar 2023 mit den schwerwiegenden Ergebnissen der Beratungen.

Ein von Bürgermeister Willi im Alleingang abgeschlossener Sondervertrag zugunsten der früheren Personalleiterin in Millionenhöhe sollte wohl nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Erst mit Bekanntwerden des Ausmaßes dieses Vertrages kam Bewegung in diese unappetitliche Causa. Mit Ausnahme der Grünen übten alle Parteien im Innsbrucker Gemeinderat heftige und schwere Kritik an den Alleingängen des Bürgermeisters.

Neun Fraktionen - FPÖ, Für Innsbruck, ÖVP & TSB, SPÖ, Lebenswertes Innsbruck, NEOS, Gerechtes Innsbruck und Liste Fritz - repräsentieren im Innsbrucker Gemeinderat 31 von 40 Abgeordneten. Gemeinsam halten sie fest, dass Georg Willi als Bürgermeister versagt hat.

Mehr Nachrichten aus der Stadtpolitik im Polit-Ticker der BezirksBlätter Innsbruck

Statements der Fraktionen

Die Innsbrucker Bevölkerung hat genug!
Vizebürgermeister Markus Lassenberger – Rudi Federspiel FPÖ

„Die vergangenen Wochen machten viele von uns fassungslos, und wenn man meinte, es könnte nicht noch schlimmer werden, fand Willi einen Weg, es noch schlimmer zu machen. Ich gehe davon aus, dass die Gemeindeaufsicht im Land Tirol nicht mehr viel länger zuschauen wird können, sondern einschreiten wird müssen. Die Innsbrucker Bevölkerung hat genug – Georg Willi, es ist vorbei! Mit einem Rücktritt kann dieses Schauspiel sofort beendet werden“, so Vizebürgermeister Markus Lassenberger.

Verbindliche Leitplanken für Bürgermeister
Klubobmann-Stv. GR Markus Stoll – Für Innsbruck

„Mit dem jüngsten Beschluss im Gemeinderat wurden erste verbindliche Leitplanken für den Handlungsspielraum des Bürgermeisters gesetzt. Wir brauchen sicherlich auch einen verbindlichen Ehren- und Verhaltenskodex für den Bürgermeister. Zuvor ist jedoch noch die Causa rund um die Sonderverträge für die frühere Personalleiterin lückenlos aufzuklären. Bisher sind nämlich nur die Inhalte eies der drei geschlossenen Sonderverträge bekannt. Eine abschließende rechtliche Bewertung, sowohl zivilrechtlich hinsichtlich Sittenwidrigkeit als auch strafrechtlich hinsichtlich Untreue, ist daher noch ausständig“, so der Vorsitzende des Finanzausschusses, Markus Stoll.

Brauchen transparentes Vorgehen bei Gehältern
Klubobmann Christoph Appler – ÖVP & TSB

„Den Schaden für die Stadt hat Willi angerichtet, der Gemeinderat konnte nur wieder rettend und im Nachhinein eingreifen. Gerade bei Gehältern braucht es ein transparentes und gerechtes Vorgehen, hier hat Willi der Stadt massiven Schaden zugefügt. Der Bürgermeister hat 2019 selbst den Maßstab angelegt, der für einen Bürgermeister zu gelten hat, und ist kläglich gescheitert. Er muss jetzt wenigstens den Anstand haben, die Scherben aufzuräumen und alle Sonderverträge in seinem Umfeld offenlegen“, so LA GR Christoph Appler.

Klare Worte bei der Pressekonferenz | Foto: Linde
  • Klare Worte bei der Pressekonferenz
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Stresstest für Stadtrecht beenden. Zurück zur Sachpolitik!
GR Benjamin Plach – SPÖ Innsbruck

„In seiner bisherigen Amtszeit lotete Georg Willi zunehmend die Grenzen des Stadtrechts aus und übertrat diese auch mehrmals. Die Spielregeln innerhalb unserer Stadt müssen respektiert werden, dies gilt auch für einen direkt gewählten Bürgermeister. Sowohl im Stadtrecht als auch in anderen Rechtsmaterien gilt es nachzuschärfen, um missbräuchliche Verwendungen in Zukunft von vornherein zu verhindern. Hierzu muss zukünftig neben der Möglichkeit, die Ämterstruktur im Rathaus umzubauen, auch die Kompetenz, Sonderverträge abzuschließen, vom Bürgermeister auf die Kollegialorgane der Stadt übergehen. Dafür werden wir uns mit einer breiten Mehrheit im Gemeinderat einsetzen“, so der Vorsitzende des Rechtsausschusses, GR Benjamin Plach.

Grüne Politik sollte saubere Politik sein
Klubobfrau GR Marcela Duftner – Lebenswertes Innsbruck

„Sonderverträge mit Verschwiegenheitsklauseln und durch Steuergeld finanzierte Günstlingswirtschaft, wie sie Bgm. Willi betreibt, schaffen Ungerechtigkeiten und sind das Gegenteil von einer sauberen und transparenten politischen Arbeitsweise, für die wir Grüne immer gestanden sind. Wir wollen diese Krise nützen, um die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich derartige Skandale in Innsbruck nicht wiederholen können. In weiterer Folge werden wir uns auch über weitere Instrumente unterhalten müssen, mit denen wir den Beschäftigten – vor allem in der Bezahlung – faire Behandlung garantieren können“, so die GR Marcela Duftner.

Prüfrechte der Kontrollabteilung stärken
GR Julia Seidl – Neos

„Unfähigkeit, Unwissen und Selbstüberschätzung kann man nicht mit strengerem Regelwerk begegnen. Man kann aber durch klare Strukturen, allen voran durch Transparenz, Fehlerquellen reduzieren. Wir würden daher mehr Transparenz in der Stadt begrüßen. Zudem fordern wir eine personelle und rechtliche Stärkung des Stadtrechnungshofes, damit dieser seiner Arbeit auch in Zukunft so umfassend nachgehen kann. Denn eine Ergänzung sei erlaubt. Erst durch die Kontrollabteilung wurden diese „geheimen“ Verträge überhaupt einsehbar und Schlimmeres konnte verhindert werden. Die Arbeit des Kontrollamtes muss man also durchaus hier hervorheben“, so Seidl von den Neos.

Schaden von Stadt abwenden
GR Gerald Depaoli – Gerechtes Innsbruck

„Der in dieser Art noch nie dagewesene Zusammenhalt fast aller Fraktionen hat ein wichtiges Ziel, nämlich weiteren Schaden von der Stadt Innsbruck abzuwenden. Ich persönlich vermute, dass der Bürgermeister nicht mehr amtsfähig ist. Das Gerechte Innsbruck wird daher alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um auch den Landeshauptmann davon zu überzeugen, dass jeder weitere Tag mit Georg Willi als Stadtoberhaupt als ‚Gefahr in Verzug‘ zu bezeichnen wäre“, so der Vorsitzende des Innsbrucker Kontrollausschusses, GR Depaoli.

Willis Wille kostet Steuerzahler viel Geld
GR Tom Mayer – Liste Fritz

„Ich verstehe nicht, warum Bgm. Willi allen eindringlichen Warnungen zum Trotz der betroffenen Mitarbeiterin im Alleingang in seinem Hinterzimmer einen Vertrag anbietet, der jeglichen guten Sitten widerspricht. Alles vorbei an der Öffentlichkeit, dem Gemeinderat und dem Stadtsenat. Einfach weil Willi das laut eigenen Aussagen ‚so wollte‘. Damit hat er der Stadt Innsbruck und den Steuerzahlern potenziell geschadet. Es braucht jetzt volle Aufklärung, weshalb wir eine Sachverhaltsdarstellung bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien gegen Willi eingebracht haben“, so Mayer.

LH Günther Platter nahm die Angelobung des neuen Bürgermeisters Georg Willi und dessen Stellvertreter, Christine Oppitz-Plörer und Franz Gruber am 25.5.2018 vor. | Foto: BezirksBlätter Innsbruck
  • LH Günther Platter nahm die Angelobung des neuen Bürgermeisters Georg Willi und dessen Stellvertreter, Christine Oppitz-Plörer und Franz Gruber am 25.5.2018 vor.
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Sachverhaltsdarstellungen

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die Staatsanwaltschaft Innsbruck und die Gemeindeaufsicht haben Sachverhaltsdarstellungen zu den Vorfällen rund um die Sondervertragsregelungen erhalten. Die Liste Fritz sieht in ihrer Darstellung an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft rechtliche fragwürdige bzw. unrechtmäßige Handlungen des Bürgermeisters und ersucht um strafrechtliche Beurteilung, insbesondere in Richtung Untreue gemäß § 153 StGB bzw. Missbrauch der Amtsgewalt gemäß § 302 StGB. Die Sachverhaltsdarstellung der FPÖ an die Staatsanwaltschaft Innsbruck beschäftigt sich ebenfalls mit dem Verdacht des Verstoßes gegen § 153 und § 302 StGB. Das Gerechte Innsbruck fordert von der Gemeindeaufsicht die Prüfung, aufgrund welcher Rechtsgrundlage welches Organ im Magistrat Sonderverträge unterzeichnen und abschließen kann.

Showpressekonferenz

Die Alternative Liste (ALi) hat die Einladung zur Pressekonferenz abgelehnt. "Wenn die beiden ÖVP-Regierungsparteien jetzt Oppositionspressekonferenzen geben, dann ist das ein Fehlen von Verantwortungsbewusstsein. Für gemeinsame, konkrete inhaltliche Arbeit waren und sind wir immer zu haben, aber an Showpressekonferenzen nehmen wir nicht teil," so GR Mesut Onay (ALi). Die jetzt handelnden Akteurinnen und Akteure verstecken sich hinter der "Bürgermeisterkritik". Dabei haben sie die politische Sackgasse selbst mitzuverantworten. Nicht nur das Diskussionsniveau im Gemeinderat, sondern auch die Lebendigkeit in der Stadt sind in den letzten Jahren durch politisches Versagen verloren gegangen. Abbau der Stadtteildemokratie, astronomische Mietpreise, Wohnungsnot und Leerstand, mangelnde Ideen zu Teuerung und Inflation, fehlende Veranstaltungsräumlichkeiten und vieles mehr haben ÖVP und FI selbst mitzuverantworten. Die Jugend wurde in der Coronapandemie im Stich gelassen, weil die Stadtführung während der ganzen Zeit mit ihren regierungsinternen Konflikten und Revanchismen beschäftigt war. "Anstatt politische Nebelgranaten zu werfen, sind vor allem die Fraktionen, die Amtsführungen haben, herzlich eingeladen mit guten Initiativen auf sich aufmerksam zu machen," so Onay.

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