Leserbrief: Behübschungsmaßnahmen in der Familienpolitik

Seit 13 Jahren wurde in Österreich keine Wertanpassung der Kinderbeihilfe mehr vorgenommen. Wenn wir sehen, wie andere Interessensvertretungen jährlich um Lohnerhöhungen feilschen und wie LöwInnen kämpfen, weil sie auf die ihnen ehemals zugestanden Privilegien auch in Krisenzeiten nicht verzichten wollen, liegt nahe, dass Eltern wohl keine Lobby haben.

Mit der Schaffung eines Familienministeriums bemüht sich die österreichische Regierung, Akzente zu setzen. Bisher ist nur von Behübschungsmaßnahmen die Rede.

Familien- und Frauenpolitik werden in Österreich traditioneller Weise eng beieinander gedacht und geplant, mitunter sogar verwechselt: Die viel zitierte und beinahe schon institutionalisierte gläserne Decke, erbarmungslose Bremse für die Karrieren jener, die sich aus ihren Familienverstrickungen nicht erretten können, bleibt bestehen und scheint zusehens undurchlässiger zu werden. Wissenschaftliche Arbeiten ranken sich um sie und ihre Opfer. Obwohl unsere Mädchen schulisch immer besser abschneiden, bleiben sie doch diejenigen, die die Kinder bekommen. Die Wurzel jeder Familie also.

Ohne Frauen keine Familie. Dennoch suchen wir vergeblich nach Zeichen der Valorisierung von frauenspezifischen Leistungen in den letzten Jahrzehnten. Weder an den Börsen noch in der Rüstungsindustrie oder in Film und Fernsehen haben Frauen es geschafft, sich zumindest einen maßgeblichen Teil der gut bezahlten Jobs zu sichern. Wahrscheinlich, weil sie Familienmenschen sind - genetisch bedingt. Sie können nicht anders, weil wir es ihnen tatsächlich nicht zutrauen oder die strukturellen Bedingungen für sie leider ungünstig sind.

Da wir aber nicht von Haus aus frauenfeindlich sind und uns besonders Familien am Herzen liegen, Umfragen zur Emotionalität in Partnerschaften boomen, Beziehungen zu leben und zu diskutieren, schick ist und Kinder das Statussymbol unserer Zeit schlechthin sind, kommt uns eine kinderfreundliche Familienförderung viel sympathischer vor als eine feministisch-emanzipatorische. Frauen haben ihren Platz, keine Frage! In unseren Familien.

Dafür mag der Staat auch Geld in die Hand nehmen, denn bisher hat er an schlecht kommunizierten und daher nur leidlich angenommenen Familienleistungen eigentlich ganz gut verdient. Geradezu möchte man sagen: Der Staat prosperiert auf Kosten der Familien.

Nicht geleistete Familien- und Frauenförderung erspart Unsummen. Versorge- und Pflegedienstleistungen bleiben weiterhin vornehmlich Privatsache oder im verdeckten Arbeitsmarkt verborgen. Die (Dienst-)Leistungen der Frauen für ihre Familien und ihre Verlässlichkeit sorgen dafür, dass das gesellschaftliche System rennt, dass sinnvoll bleibt, was an Infrastruktur vorhanden ist, von der Kinderärztin zu Logopädin, von der In-vitro-Fertilisation bis zum Wellness-Kinder-Hotel. Wertschöpfung geschieht im österreichischen Staat zu einem wesentlichen Teil dort, wo wir Kinder planen, gebären und in die Gesellschaft integrieren.

Sobald ein Kind geboren ist, muss jemand in Karenz gehen, denn Kinderbetreuungsplätze sind rar und ihr Bedarf muss nachgewiesen werden. Es gibt durchaus nicht nur biologische Gründe dafür, warum die Familienpolitik der vergangenen Jahre lieber über den Papamonat als über flächendeckende Kinderbetreuungsmöglichkeiten nachgedacht hat. Unser Familienbild müsste nämlich - das bemerkt auch die Politik - einem starken Wandel unterworfen sein, da es die traditionelle Großfamilie schon seit den 60ern des vergangen Jahrhunderts in Österreich kaum mehr gibt und nur die wenigsten von uns Mehrkindfamilien persönlich kennen und regelmäßigen Umgang mit ihnen pflegen.
Dennoch ist unser Verständnis von Familienförderung in den letzten 13 Jahren nicht wesentlich differenzierter geworden und hat sich bestenfalls um das Wort „Patchwork“ erweitert. Wir erkennen dass immer weniger junge Menschen sich mehrere Kinder wünschen, aber immer mehr Einzelkinder mehr als vier Großelternpaare haben.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen, die wir seit langem verfolgen, sollten wir langsam Familienförderungsmaßnahmen entwickeln, die sowohl Frauen als auch Jugendliche empowern, denn Frauen und nicht oder falsch geförderte Jugendliche sind die VerliererInnen unseres zaghaften Systems. Sie sind jene, die an der gläseren Decke kleben, von Behübschungsmaßnahmen nicht profitieren und politikverdrossen die eigene Machtlosigkeit akzeptieren.

Förderungen, die mehr als einen Wohlfühleffekt für die Gesamtbevölkerung im Auge haben, müssen sich an den neuralgischen Punkten orientieren, wo Probleme kumulieren. Hinschauen, wo´s wirklich weh tut:
Kinder beginnen wirklich teuer zu werden, wenn sie berufsbildende oder höhere Schulen besuchen, wenn sie reisen, Schi fahren, in die Disco gehen wollen. Dann sind sie keine entzückenden Babys mehr. Dann finden sie keinen Job.
Oder:
Wenn junge Frauen sich entscheiden, ein Kind zu bekommen, denken sie nicht daran, dass sie keine jungen, frisch ausgebildeten Frauen mehr sein werden, wenn sie Jahre später zurück in den Arbeitsmarkt wollen, am besten auch noch Teilzeit, damit der schulische Erfolg des Nachwuchses sichergestellt ist. Dann werden sie mit jedem Jahr weniger gebraucht. Teure, unattraktive Arbeitskräfte, die nicht in der Lage waren, ihre Pensionen zu sichern.

Arbeitslose Jugendliche und in Altersarmut versinkende Frauen sind ein Resultat unseres bisherigen Familienverständnisses, so viel Realismus ist zumutbar.

Nicht umsonst sind es kinderlose Paare, die sich Fernreisen und andere Luxusgüter leisten können. Im hochpreisigen Segment geht der Trend - neben allerhand anderem Schnickschnack - zum Einzelkind, zum Helikopterelterntum, zum Sprachaufenthalt des Youngsters in den Staaten oder in Australien, als Statussymbol.
Da können viele in unserer Gesellschaft nicht mithalten. Die Waltons haben ausgedient. Es wird Zeit über Familien neu und ministerienübergreifend nachzudenken, damit sich bald etwas zum Guten ändern kann. Wir müssen über die Familienmodelle diskutieren, in denen wir tagtäglich leben, anstatt von heißen Eislutschern zu träumen.

Von Eva Surma,
Verein Freiraum

Mehr Informationen zum Verein finden Sie hier Verein Freiraum

Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Die Gemeinde St. Andrä-Höch.  | Foto: Gemeinde
7

Ortsreportage
St. Andrä-Höch stellt die Weichen für die Zukunft

Die Gemeinde St. Andrä-Höch blickt in die Zukunft und gibt der Tradition dabei viel Raum, wenn es um Infrastruktur, Veranstaltungen und Visionen geht.  An kommunalen Einrichtungen der Freiwilligen Feuerwehr und der Volksschule St. Andrä-Höch wurde eine neue Photovoltaikanlage angebracht, um die Institutionen mit nachhaltigem Strom zu versorgen und um für den Ernstfall vorzuplanen. Die Leistung der beiden Anlagen betragen zusammen 23 KWp. Die Gemeinde sieht die Errichtung der Photovoltaikanlage...

  • Stmk
  • Leibnitz
  • Kerstin Reinprecht
Anzeige

Baureportage E.N.G.E.L. in Arnfels
Elektro Lang setzt Meilenstein auf dem Weg in die Energieautarkie

Nach knapp einem Jahr Bauzeit eröffnet Elektro Lang am 27. April den neuen Firmenstandort in Arnfels. Das Energiegebäude Lang - kurz E.N.G.E.L. - setzt einen neuen  Weg in die Energieautarkie. ARNFELS. Erst knapp vor einem Jahr erfolgte inmitten einer Gemeinschaft engagierter Gäste und Pioniere aus der Green-Tech-Branche in Arnfels die feierliche Grundsteinlegung für das neue Energiegebäude von Elektro Lang. Dieser Tag markierte nicht nur einen weiteren historischen Meilenstein in der bewegten...

  • Stmk
  • Leibnitz
  • Patricia Reiterer
Anzeige
Die Wallfahrtskirche in St. Veit am Vogau ist ein Wahrzeichen des Ortes und wird gerade saniert.  | Foto: Gemeinde
7

Orsreportage
Wachstum und Begegnung in St. Veit in der Südsteiermark

Die Marktgemeinde St. Veit in der Südsteiermark wächst und damit geht viel Potential für die Bevölkerung einher. ST. VEIT IN DER SÜDSTEIERMARK. Ein großes Bauprojekt ist die Erweiterung des Bauhofes in St. Veit und der zweiten Kinderkrippengruppe, die im Herbst eröffnet wird. "Es ist wichtig, ressourcenschonend zu arbeiten und achten darauf, dass keine zusätzliche Fläche verbaut wird. Für den Bau der Kinderkrippengruppe nutzen wir dafür die Synergien, um keine weiteren Flächen zu versiegeln",...

  • Stmk
  • Leibnitz
  • Kerstin Reinprecht

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.