Gesundheitssystem
Gehen dem Mürztal die Mediziner aus?

- Der Neuberger Allgemeinmediziner Herbert Becvar macht sich Luft.
- Foto: Thenhalter
- hochgeladen von Bernhard Hofbauer
Zahlreiche Hausärzte im Bezirk stehen vor der Pensionierung, Nachbesetzungen gibt es kaum. Auch bei Fachärzten zeichnet sich ein etwaiger Mangel ab.
"Wo geht unser Bezirk mit der ärztlichen Betreuung hin?", fragt sich der Neuberger Arzt für Allgemeinmedizin Herbert Becvar. Anlass für seine Sorge ist die Erfahrung, die er unlängst in der Asyl-Betreuungseinrichtung Steinhaus am Semmering gemacht hat.
Schwangere Asylwerberinnen allein gelassen
Fand sich außer ihm kein Arzt für die ärztliche Betreuung der rund 250 Asylsuchenden, so gestaltete sich nun auch die Suche nach einem Facharzt zu einem großen Problem. "Am Semmering befinden sich acht schwangere Frauen und es war nicht möglich im gesamten Bezirk Bruck-Mürzzuschlag einen Facharzt zu finden, der diese behandelt", erzählt Becvar. "Die Frauen stehen teilweise kurz vor der Entbindung und müssen aus Gründen, die mir nicht klar sind, quer durch Österreich transferiert werden, um ärztlichen Beistand zu erhalten", so der Allgemeinmediziner weiter.
Die Umstände haben Becvar schließlich dazu veranlasst die Ärztekammer einzuschalten und alle Hebel in Bewegung zu setzen, "aber irgendwie dreht sich das im Kreis", erzählt der Neuberger Arzt. "Ärzte mit Kassenververtrag können keine Menschen abweisen, aber vergeben dann Termine in vier Monaten, wenn alles schon vorbei ist. Diese falsche Kollegialität geht mir am Zeiger", so Becvar, der schließlich einen Kollegen in Leoben gefunden hat, der immerhin zwei der schwangeren Frauen in seine Obhut genommen hat.

- Im ganzen Bezirk Bruck-Mürzzuschlag fand sich keine einzige Frauenärztin für die Betreuung der Asylwerberinnen.
- Foto: Shutterstock/fizkes
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Grundsätzliches Problem im Mürztal
Für Becvar sind diese Fälle allerdings nur ein Symptom für ein grundsätzlicheres Problem. "Wir haben null Nachfrage bei unseren ausgeschriebenen Stellen. Zahlreiche Ärzte, mir eingeschlossen, befinden sich im pensionsfähigen Alter. In einem ersten Schritt betrifft dies die Hausärzte, in einem zweiten dann die Fachärzte. Das ist ein großes Schicksal", macht sich Becvar Sorgen um die künftige Gesundheitsversorgung im Mürztal.
"Die Betreuung der Asylsuchenden ist sowieso ein Wahnsinn, aber das betrifft auch die Einheimischen. Unlängst hat mir eine schwangere Frau erzählt, dass sie nur noch in Graz einen Termin erhalten hat", so der Neuberger. "Im Gesundheitsplan ist eine weitere Reduktion vorgesehen. Die Gesundheitsversorgung wird schlechter und von der Politik sehe ich gar nichts", macht sich Becvar Luft.
Mangelnder Idealismus bei jungen Ärzten
"Derzeit funktioniert das System noch, weil wir noch funktionieren", brachte es vor kurzem auch Bezirksärztevertreter Günther Hirschberger aus St. Barbara auf den Punkt. Auch er meint, dass uns dieses Thema noch große Sorgen bereiten wird, ist ein großer Teil der Ärzteschaft im Mürztal schließlich bereits über 65 Jahre alt.
Herbert Becvar ortet bei der jungen Kollegenschaft auch einen mangelnden Idealismus. "Meine Generation hatte diesen. Wir haben etwas aufgebaut, aber nicht nachhaltig, wie sich zeigt. Mir kommt vor, heute wollen viele Ärzte Montag bis Donnerstag auf der Klinik arbeiten und nebenbei eine Wahlarztpraxis betreiben. Das ist eine schräge Entwicklung", so Becvar, dem es wichtig ist dieses Problem aufzuzeigen und an den Ethos der Kollegenschaft zu appellieren.
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