Caritas-Direktor Franz Küberl im vorweihnachtlichen Interview mit der WOCHE

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Knapp vor Weihnachten bleiben auch für den steirischen Caritas-Direktor Franz Küberl einmal ein paar Minuten zum Durchschnaufen, ein paar Minuten, um ein ereignisreiches Jahr Revue passieren zu lassen. Ein Jahr, das mit Terroranschlägen, der Amokfahrt in Graz und der aktuellen Flüchtlingskrise auch für Küberl und seine Mitarbeiter grenzwertig war. "Manchmal könnte man schon das Gefühl haben, dass der liebe Gott weit weg ist." Und ja, die "Grundstimmung ist zur Zeit ein bisserl mieselsüchtig", merkt er an.

"Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif"

Davon – und dass ist eine weihnachtliche Kernbotschaft des Caritas-Chefs – dürfe man sich nicht unterkriegen lassen: "Das Gute, das uns hält und stützt, findet sich oft im Verborgenen, es gibt so vieles, das Freude macht: Freunde, Hobbys, ein nettes Telefonat. Wir dürfen uns den Blick auf die kleinen Schönheiten nicht durch die Großwetterlage verdunkeln lassen." Man müsse das "Kleingedruckte des Lebens" wieder lesen lernen. Deshalb sei ihm vor der Zukunft auch nicht bang, auch wenn es die nicht zum Nulltarif gäbe: "Zukunft heißt Arbeit, Anstrengung und Strapazen. Wir sind hier nicht im Paradies, wo uns alles in den Schoß fällt. Mehrwert entsteht nur durch Arbeit", mahnt Küberl ein. Denn Sätze wie "lass dein Geld für dich arbeiten" hätten sich in der Wirtschaftskrise ad absurdum geführt.

"Den Neid abschaffen ..."

Mit der selben Konsequenz packt Küberl auch das Thema Armut an: "Ja, es gibt Probleme, es gibt soziale Schwierigkeiten, ich will das nicht kleinreden. Aber es gibt auch die Kapazität, zur Bewältigung dieser Probleme, zur Bekämpfung der Armut." Küberl illustriert das am Beispiel Graz: Über Jahrhunderte waren in dieser Stadt 90 Prozent der Menschen arm, nur 10 Prozent ist es gut gegangen – heute ist das umgekehrt. Natürlich sind wir noch lange nicht fertig, aber das ist eine ungeheure Leistung, auf die die Grazer stolz sein können. Diesen Weg gilt es, weiterzugehen." Und es sei wichtig, dem anderen auch etwas zu gönnen. Ein leises Seufzen: "Wenn ich etwas abschaffen könnte, dann wäre das der Neid. Jeder muss sein Auslangen finden, das muss das Ziel sein.

"Teilen lernen"

Was können dann Schritte in die richtige Richtung sein? "Wir sollten wieder teilen lernen – Materielles wie Immaterielles. Es geht nicht immer nur um Besitztümer. Wir können auch Wissen, Erfahrung oder Zuneigung teilen. Oder Zeit. Einen lange aufgeschobenen Besuch endlich zu machen, bei einem kranken Menschen im Spital vorbeischauen. Zeit teilen kann ganz leise anfangen ..."
Und man darf nicht aufhören, sich selbst zu hinterfragen: "Mache ich das Richtige, setze ich meine Kompetenzen, meine Talente ausreichend ein? Diese Fragen stelle ich mir, die sollte sich jeder stellen." Und dazu brauche es das Wechselspiel mit anderen Menschen. "Es gibt niemanden, der nicht eines anderen bedurft hätte, der seine Talente und Fähigkeiten gefördert hat. Genau diese Chance sollte auch ich den anderen geben."

"Ich hab das Recht, mich zu mögen"

Und damit wären wir beim Leitbild der Caritas gelandet – der Nächstenliebe. "Dazu muss ich mich zuerst aber auch einmal selber mögen. Nur wer das kann, kann auch andere mögen." Es sei nicht notwendig, andere mehr zu mögen als sich selbst – "das wär ja schon fast scheinheilig". Aber halt auch nicht weniger.
Und damit schließt sich auch der Kreis des Gesprächs, hin zur Botschaft von Franz Küberl: Die kleinen und schönen Dinge des Lebens wieder sehen – oder wie er es selbst so treffend formuliert: "Allerseelen und Allerheiligen gehören zwar zum Leben dazu – aber Weihnachten ist das wichtigere Fest."

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