Neue wissenschaftliche Publikation
Die Landesbibliothek in der NS-Zeit
Das größte Wissensarchiv des Landes hat sich um die Aufarbeitung und geschichtlichen Einordnung bemüht: Seit 19. April liegt nun eine umfassende wissenschaftliche Betrachtung der Geschichte der Steiermärkischen Landesbibliothek in der Zeit des Nationalsozialismus vor.
STEIERMARK. Erst vor Kurzem präsentierte die Universität Graz mit "UniGraz_1585-tomorrow" (siehe: "Universität arbeitet ihre Geschichte digital auf") ein Projekt, mit dem sie ihre eigene Geschichte digital und für jedermann zugänglich öffentlich macht. Einen Schwerpunkt dabei nimmt der Bruch während des Nationalsozialismus ein.
An und für die Steiermärkische Landesbibliothek wurde diese geschichtliche Zeitzäsur, die ebenso die Wissenschaften betraf, mit dem Band 46 der Reihe "Veröffentlichungen der Steiermärkischen Landesbibliothek" aufgearbeitet.
Aufarbeitung abgeschlossen
Verboten, beschlagnahmt oder verbrannt: Unzählige Werke aus der Wissenschaft haben das Regime des Nationalsozialismus nicht überstanden. "Undeutsches" Schriftgut oder Schriftgut von – nach Definition der Nürnberger Rassengesetze – Nichtarierinnen beziehungsweise -arier sollten, so das Gedankengut, ebenso verschwinden wie deren Autorinnen und Autoren. Denn: Wissen ist Macht. Derartige Werke wurden nicht nur aus Buchhandlungen, sondern auch aus Bibliotheken und Archiven entfernt.
Wie wird und wurde an diesen Orten damit umgegangen, wie wird mit dieser Zeitspanne umgegangen? Es ist ernüchternd, aber über die älteste und größte österreichische Landesbibliothek lagen bisher nur wenige ausführliche wissenschaftliche Publikationen vor.
"Die Zeit des nationalsozialistischen Unrechtsregimes war bislang völlig unzureichend beleuchtet. Umso wichtiger war es uns, in den letzten eineinhalb Jahren die Forschungslücke des Zeitraumes von 1933 bis 1950 äußerst professionell und detailliert zu schließen. Mit diesem Werk wird somit eine Fehlstelle in der Auseinandersetzung und Aufarbeitung des NS-Unrechtsregimes geschlossen und die mahnende Erinnerung an die Verbrechen aufrecht erhalten."
Landeshauptmann Christopher Drexler
Alltag an den Bibliotheken
Anhand bislang nicht herangezogener Quellen und teilweise unbekannten Archivmaterials zeichnet die Autorin Katharina Bergmann-Pfleger in ihrer Studie ein detailliertes Bild der Geschehnisse in und rund um die Steiermärkische Landesbibliothek im Betrachtungszeitraum 1933 bis 1950 nach. Dabei fördert die Spurensuche mehr Kontinuitäten denn Brüche zutage: Sich schnell und widerspruchslos an die neue Herrschaftsform anpassend, verhielt sich die steirische Institution bis zum Zusammenbruch des Dritten Reichs durchwegs vorschriftsgemäß und regimekonform, während es das handelnde Personal geschickt vermochte – etwa durch persönliche Verbindungen – zu maßgeblichen politischen Verantwortlichen des Gaus Steiermark Vorteile für die Bibliothek zu erwirken.
Es gelang unter anderem, den Bestand mittels sogenannter Raubbüchern aus stiftischem Besitz fast zu verdoppeln, im Falle der Handschriften fast zu verachtfachen. Beleuchtet wird nicht nur das Alltagsgeschehen an der Bibliothek und die Personalpolitik, sondern auch die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges sowie Bergungs- und Luftschutzmaßnahmen und die Aufrechterhaltung des Betriebs durch die Bibliothekarinnen und Bibliothekare.
Größte Landesbibliothek
"Ziel der Studie war es, eine umfassende wissenschaftliche Betrachtung der Steiermärkischen Landesbibliothek für die Jahre 1938 bis 1945 vorzulegen, gleichzeitig versteht sie sich als Beitrag zur Erforschung der Geschichte österreichischer (wissenschaftlicher) Bibliotheken während der NS-Zeit sowie zur Erinnerung an das nationalsozialistische Unrecht", sagt Bergmann-Pfleger, die ihr Magister- und Doktoratsstudium der Deutschen Philologie sowie der Medienkunde an den Universitäten Graz und Wien absolvierte.
Gut zwei Jahre wurde am Projekt gearbeitet, knapp 13.000 digitalisierte Seiten wurden aus etlichen Quellen durchforstet. "Wir sind stolz, nun für die größte Landesbibliothek Österreichs eine umfassende und detaillierte Geschichte des Hauses in der NS-Zeit vorlegen zu können", so Direktorin Katharina Kocher-Lichem.
- Die Publikation ist in der Steiermärkischen Landesbibliothek und im gut sortierten Buchhandel erhältlich. Sie wurde in Kooperation mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung, der Universität Graz, Institut für Geschichte, und der Historischen Landeskommission für Steiermark durchgeführt.
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