"Heißläuferin" Erdatmosphäre
Erwärmung erfolgte zuletzt viermal so stark
Ein internationales Forscherteam rund um den Grazer Klimaforscher Gottfried Kirchengast hat herausgefunden, dass sich die Erdatmosphäre in den vergangenen 20 Jahren viermal so stark erwärmt hat, als noch in den Jahrzehnten davor. Nur eine Emissionsreduktion auf null könne den Prozess stoppen.
GRAZ/STEIERMARK. Dass sich die Erdatmosphäre in den vergangenen Jahrzehnten erwärmt hat, dürfte so weit bekannt sein. Ein Forscherteam der Universität Graz hat nun im Rahmen einer internationalen Studie belegt, wie rasch dieser Prozess vonstatten geht. Das Ergebnis: Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat die die weltweite Menge an Wärmeenergie in der Atmosphäre etwa viermal so stark zugenommen hat wie zwischen 1960 und 2000; in der Nordhemisphäre, außerhalb der Tropen, sogar rund sechsmal so stark.
Grund für die starke Erwärmung der Atmosphäre sind die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen. "Eine derart starke Wärmezunahme in so kurzer Zeit ist rein durch natürliche Schwankungen nicht erklärbar“, sagt Gottfried Kirchengast, einer der Hauptautorinnen und -autoren der Arbeit und Forscher des Wegener Centers und des Instituts für Physik der Uni Graz.
"Wenn der Wärmeanteil der Lufthülle im Vergleich zu Meer und Land so unverhältnismäßig wächst, treibt das Wetter- und Klimaextreme noch stärker an".
Gottfried Kirchengast, Forscher
Energieüberschuss treibt Erwärmung an
Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre nimmt durch die fortdauernden fossilen Emissionen stetig zu. Dies wiederum verursache ein Energie-Ungleichgewicht zwischen der auf unserem Planeten eintreffenden Sonnenstrahlung und der Rückstrahlung der Erde. "Dadurch verbleibt Jahr für Jahr ein riesiger Energieüberschuss von rund 13 Billionen Gigajoule im Erdsystem, mehr als das Zwanzigfache des Weltenergieverbrauchs. Das treibt die globale Erwärmung unausweichlich voran. Nur eine Emissionsreduktion auf null kann diesen Prozess stoppen", führt Kirchengast aus.
Die groß angelegte internationale Studie, die im Rahmen des "Global Climate Observing System"-Programms der Vereinten Nationen durchgeführt wurde, liefert eine aktuelle Bestandsaufnahme des Wärmehaushalts der Erde. Sie zeigt, wie stark sich die überschüssigen Energiemengen seit den 1960er-Jahren in unseren Meeren, den Landmassen und der Lufthülle ansammeln beziehungsweise zum Abschmelzen der Polkappen und Gletscher führen. Während die Weltmeere mit rund 89 Prozent den Großteil der Energie speichern, gehen nur rund zwei Prozent in die Atmosphäre.
"Zeiger des Klimawandels"
Dazu Gottfried Kirchengast: "Zwar nimmt die Atmosphäre – vor allem dank der Pufferspeicherung der Meere – nur die kleinste absolute Wärmemenge auf, relativ betrachtet sind ihre Veränderungen aber am stärksten und am unmittelbarsten für uns spürbar, etwa durch stärkere Wetter- und Klimaextreme." Die Wärmezunahme in der Lufthülle des Planeten sei ein "fundamentaler Zeiger des Klimawandels", betont der Forscher.
Die Autorinnen und Autoren der Studie empfehlen, die "Wärme-Inventur" der Erde regelmäßig weiterzuführen und in die globale Bestandsaufnahme des Pariser Klimaabkommens aufzunehmen. Diese wird heuer erstmals durchgeführt, um den Fortschritt bei der Verwirklichung der vereinbarten Ziele zu bewerten.
Zum Forscherteam:
- Dem Studienteam gehörten neben Gottfried Kirchengast auch Maximilian Gorfer und Andrea Steiner von der Universität Graz sowie Michael Mayer und Leopold Haimberger von der Universität Wien an. Kirchengasts Forschungsgruppe zählt zu den international führenden auf dem Gebiet der Klimabeobachtung in der Atmosphäre und der Analyse des Klimawandels. Sie arbeitet in interdisziplinären Kooperationen auch zu Klimaschutzlösungen .
- Die Forschung ist in den Profilbereich Climate Change Graz eingebettet und wird insbesondere durch Projekte der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, des Wissenschaftsfonds FWF und der Europäischen Meteorologie-Satellitenorganisation EUMETSAT unterstützt.
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