Pandemie, Protokolle, Personalmangel
Überforderung an steirischen Schulen

Die Pandemiejahre hinterlassen Spuren in den Schulen: Viele klagen über Überlastung und fordern mehr Unterstützung. | Foto: PRCreativeTeam/Fotolia
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  • Die Pandemiejahre hinterlassen Spuren in den Schulen: Viele klagen über Überlastung und fordern mehr Unterstützung.
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Mehr als zwei Jahre Pandemie machen sich bemerkbar: Viele Lehrkräfte und Schulleitende sind am Limit ihrer Kräfte angelangt. Personalmangel und bürokratische Hürden verschärfen die Situation zusätzlich, heißt es seitens vieler steirischer Schulen. 

STEIERMARK. Pandemiebekämpfung, Personalmangel und Qualitätsmanagement: Drei Begriffe, die man nicht unmittelbar mit einem Schulbetrieb verbindet. Die Realität sehe aber derzeit genauso aus, schildert der Vorsitzende des Dienststellenausschusses im Pflichtschulbereich und Personalvertreter der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter:innen im Bezirk Voitsberg, Lukas Zagler, gegenüber MeinBezirk.at (mehr dazu liest du hier) und übt scharfe Kritik gegenüber dem Schulsystem:

"Unser Schulsystem, so wie es sich derzeit präsentiert, funktioniert nicht mehr. Die Vielfalt an Aufgaben für Schulleiter:innen und Lehrpersonen sprengen die Grenzen des Machbaren."
Lukas Zagler, Personalvertreter FSG 

Überlastung als "Alltag"

Nach zwei Jahren Pandemie seien viele Lehrerinnen und Lehrer am Limit - coronabedingter Personalausfall gepaart mit einer Pensionierungswelle trage noch einmal mehr zu einer Verschärfung der Situation bei, heißt es auch seitens Direktionen und Lehrkörperschaften aus anderen Regionen.  

"Die Personalsituation in den Schulen ist äußerst angespannt. Es vergeht keine Woche ohne Krankenstände im Kollegium. Meist handelt es sich um Corona oder andere Infekte."
Barbara Kurz, Schulleiterin Volksschule Wartberg im Mürztal

Man müsse Lehrende zu Überstunden "verdonnern" und das Personal kompensieren, das ausfällt. Das bestätigt auch ein Grazer AHS-Lehrer, der anonym bleiben möchte: "Oft, und seit Covid natürlich noch öfter, fallen Kolleg:innen aus, und so muss die Arbeit auf die restlichen Schultern verteilt werden. Überlastung ist eher Alltag als Ausnahme. Würde in der Wirtschaft jedem Manager, der seine Ressourcen so knapp plant, in den Hintern getreten werden? Wahrscheinlich", so seine kritischen Worte zur derzeitigen Situation in den Schulen. Viele hätten die Freude am Unterrichten verloren – besonders junge, engagierte Lehrerinnen und Lehrer seien überlastet. 

Coronatestungen als Hürde

Viel Zeit nehmen auch die Corona-Präventionsmaßnahmen in Anspruch - und das zulasten der Schülerinnen und Schüler, betont Barbara Kurz: "Die Testungen, mindestens dreimal wöchentlich, nehmen sehr viel Zeit in Anspruch, die uns wertvolle Unterrichtszeit rauben." Diese Kritik teilt die Schulleiterin der HLW Krieglach: 

"Die Pandemiebekämpfung war und ist natürlich sehr viel Mehraufwand, vor allem als noch PCR- und Antigentestungen gleichzeitig durchgeführt wurden. Da blieb nicht viel übrig von der Unterrichtsstunde. Und gerade in den letzten Wochen mit den vielen Krankenständen, Supplierungen und ständigen Stundenplanänderungen mussten alle täglich mehrmals achten, ob nicht sie die nächsten sind, welche eine Klasse mit Testung betrifft."
Irene Maier, Schulleiterin HLW Krieglach

Es hätte Zeiten gegeben, in denen neben einem Drittel des Lehrpersonals auch Teile des Verwaltungspersonals gefehlt haben, schildert Maier, die eine weitere Verschärfung der Situation aufgrund der bevorstehenden Pensionierungswelle fürchtet. 

Die größte zeitliche Herausforderung stelle nach wie vor das Testen und der damit verbundene bürokratische Aufwand dar. | Foto: HERBERT NEUBAUER
  • Die größte zeitliche Herausforderung stelle nach wie vor das Testen und der damit verbundene bürokratische Aufwand dar.
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Qualitätsmanagement als weiterer Zündstoff

Ein weiterer Punkt, der in einer ohnehin herausfordernden Situation in vielen Schulen für Zündstoff sorgt, ist das neue Qualitätsmanagementsystem für Schulen, das seit dem Schuljahr 2021/22 bundesweit in allen Schularten umgesetzt wurde. Dadurch müsse man sich "in einer Flut von Verordnungen und Erlässen zurechtfinden", so Maier. Das System sei zur falschen Zeit gekommen, meint auch der Grazer AHS-Lehrer: "Das hätte man vorerst auf Eis legen können. Viele Lehrkräfte waren/sind während der Pandemie ohnehin am bzw. über dem Limit."

"Diese Aufgabe, die entweder die Schulleitung oder eine beauftragte Lehrperson übernimmt ist wegen der Flut an Protokollen, Fragebögen und Auswertungen umfangreich und zeitintensiv. Das wäre eine Aufgabe für externe Personen", kritisiert auch Personalvertreter  Lukas Zagler.

"Nicht dringend notwendige Dinge verschieben"

Durch das Testen habe man aber erreicht, die Schulen weitgehend offen zu halten - auch wenn es nicht immer ortsgebundenen Unterricht gab. Auch die Fehlzeiten der Schülerinnen und Schüler durch Distance-Learning bringe zusätzliche bürokratische Hürden: "Das verlangt natürlich schon eine gewisse Administration und damit verbunden natürlich eine gewisse Mehrarbeit. Und somit haben sie natürlich alle Hände voll zu tun gehabt - und haben es noch immer", bestätigt die Landesobfrau des Lehrerbundes der Steirischen Volkspartei, Agnes Totter, die Direktorin an der Mittelschule St. Stefan ist. 

Viel Durchhaltevermögen ist derzeit gleichermaßen von Schüler:innen und Lehrer:innen gefragt. Denn nach zwei pandemiegebäutelten Jahren gibt es viel Aufholbedarf. | Foto: Kelly Sikkema/Unsplash
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Ihrer Meinung nach sei es wichtig, "dass man in dieser Phase sagt, nicht dringend notwendige Dinge müssen wir verschieben". Qualitätsmanagement sei grundsätzlich sehr wichtig "nur, ich glaube, dass das in dieser Phase nicht passt – weil man viele andere Dinge zu tun hat. Und, ich glaube, in erster Linie muss man gut auf die Kinder schauen, und das tun die Pädagog:innen." Totter ist als Nationalratsabgeordnete auch im regen Austausch mit Bildungsminister Martin Polaschek. Dieser hätte den Ernst der Situation erkannt und reagiert, so Totter.

Unmut über "Zuckerl" für Direktoren

Jetzt sollen Direktorinnen und Direktoren aller Schulformen als "Belohnung" für ihren Arbeitseinsatz in den zwei Pandemiejahren einen Bonus von 500 Euro bekommen (MeinBezirk.at berichtete). Kritik äußerte am Donnerstag die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter:innen in einem offen Brief an Bildungsminister Polaschek:

"Es sind die Lehrerinnen und Lehrer, Herr Minister Polaschek, die Tag für Tag an der vordersten Front stehen und die Schülerinnen und Schüler durch diese schwierige Zeit führen. Vergessen Sie bei Ihrer Corona-Prämie nicht auf die Lehrerinnen und Lehrer, denn ohne sie würde unser Schulsystem nicht funktionieren."
Florian Gollowitsch und Michael Konrad, FSG-Personalvertretung Steiermark

Dass alle an einem Strang ziehen, sei das, was das System ausmache, bekräftigt Maier: "Das Schulsystem funktioniert deshalb noch, weil wir alle – Lehrkräfte, Verwaltungspersonal, Direktor:innen –  es am Leben halten und mit Ideen, Kreativität und Improvisation füllen. Und wir ein unglaubliches Durchhaltevermögen zeigen."

Mehr zum Thema:

"Das Schulsystem funktioniert nicht mehr"


Einen möglichen Ausweg aus dem "Bürokratiedschungel" stellt die sogenannte administrative Assistenz dar. Das Arbeitsmarktprojekt zielt darauf ab, Langzeitarbeitslosen eine Beschäftigung zu geben und gleichzeitig Schulen in Bezug auf administrative Tätigkeiten zu entlasten. Hier erfährst du Näheres:

Gemeinden und Lehrerbund pochen auf Verlängerung


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