WOCHE-Serie: Wahre Werte, Teil 2 - Gerechtigkeit

Stephan Moebius ist Soziologieprofessor an der Grazer Karl-Franzens-Uni. Er begleitet die WOCHE-Serie "Wahre Werte" wissenschaftlich. Anbei seine Erklärungen zu Teil 2 der Serie, der Gerechtigkeit.

Gerechtigkeit:

Wir verstehen unter Gerechtigkeit oftmals Prinzipien einer ausgleichenden Ordnung. Wir verbinden damit einen bestimmten Wert des idealen sozialen Zusammenlebens sowie auch in vielen Religionen mit Gerechtigkeitsprinzipien das Zusammenleben geregelt wurde. Das heißt, Gerechtigkeit ist ein Orientierungswert, wir richten nach Gerechtigkeitsprinzipien unser soziales und politisches Handeln aus. Ausgleichende Gerechtigkeit kann man zum Beispiel alltäglich im Umgang mit Kindern sehen, wo sehr darauf geachtet wird, dass niemand mehr oder weniger bekommt als der andere und alles fair zugeht.
Es können viele Arten von Gerechtigkeitswerten unterschieden werden: sei es gleicher Zugang zu Gesundheitswesen oder Bildung, also Chancengleichheit, oder gleiche Verteilung von Gütern und Interessen oder, dass jeder die gleichen Grundrechte hat, die ihm nicht weggenommen werden können. Wir haben also zum Beispiel kulturelle, wirtschaftliche oder rechtliche Gerechtigkeitswerte.
Welche Ausgestaltung, emotionale Aufladung und welchen Stellenwert der Wert der Gerechtigkeit in einer Gesellschaft hat, ist das Ergebnis sozialer Kämpfe, kulturell geteilter Überzeugungen und vergangener Erfahrungen. Manche kämpfen für Chancengerechtigkeit, manche für Leistungsgerechtigkeit, wiederum andere für die Gerechtigkeit vor dem Gesetz oder andere für eine gerechte Entlohnung ihrer Arbeit, für Anerkennungsgerechtigkeit: Das meint die Vorstellung, dass Berufe, die für die Gesellschaft von tragender Bedeutung sind, wie Pflege- oder Betreuungsberufe, entsprechend ihrer hohen Bedeutung für die Gesellschaft angemessen gerecht bezahlt und dadurch in ihrer Bedeutung anerkannt werden.
Dabei können auch unsere persönlichen Gerechtigkeitswerte, also unser Gerechtigkeitsempfinden, von den Institutionen des Rechts abweichen, etwa wenn wir ein Rechtsurteil nicht als gerecht empfinden. Das bedeutet: Recht und Gerechtigkeit müssen demnach nicht in eins fallen, so kann ja das Recht auch in unserem Sinne ungerecht sein, etwa in Ländern, wo es gesetzlich keinen Minderheitenschutz gibt.

Mehr zur WOCHE-Serie Wahre Werte:
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