Erkenntnis aus der Jugendbeteiligung: "Kinder planen sparsamer"

Daniela Köck und Ursula Lackner mit Rück- und Ausblick: In den letzten beiden Jahren waren steiermarkweit 5.000 Jugendliche bei "Mitmischen vor Ort" involviert. Nun geht das Projekt in die Verlängerung. | Foto: Konstantinov
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  • Daniela Köck und Ursula Lackner mit Rück- und Ausblick: In den letzten beiden Jahren waren steiermarkweit 5.000 Jugendliche bei "Mitmischen vor Ort" involviert. Nun geht das Projekt in die Verlängerung.
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Wie ist es überhaupt zur Idee gekommen?
Ursula Lackner:
"Das große Vorbild ist "Mitmischen im Landhaus", das als Konzept überzeugend war, damit Schulklassen Politik und Entscheidungsfindungen authentisch begreifen. Ich habe das als Abgeordnete mitbekommen. Die Schulklassen haben die Büros gesehen und so den politischen Alltag hautnah erlebt. Und interessant waren auch die Abschlussrunden, wenn sich die Vertreter aller Fraktionen den Fragen der Jugendlichen stellen konnten. 
Diese Erfahrungen habe ich in meine Tätigkeit als Landesrätin mitgenommen und somit habe ich die Überleitung geschafft, auch den Gemeinden dieses wirklich gut entwickelte Konzept anzubieten. Die Gemeinden können sich über Inhalte und Orte des Zusammenkommens Gedanken zu machen. Die Idee ist bei den Gemeinden auch wirklich auf offene Ohren gestoßen. Das war die Geburtsstunde von "Mitmischen vor Ort" – mit der Expertise der Fachstelle beteiligung.st.

Was müssen die Gemeinden tun?
U.L.: Die Gemeinden haben mit diesem Projekt eine niederschwellige Möglichkeit, Geld abzuholen. Wenn die Gemeinde ein Projekt im Rahmen von 7.000 Euro plant, kann sich die Gemeinde 3.500 von uns holen – für Beratung und Unterstützung bei der Entwicklung – die andere Hälfte bringt sie selbst auf. Das ist ein sehr unkomplizierter Weg, den Gemeinden zu helfen.

Welches der Projekte aus den letzten beiden Jahren waren besonders erfolgreich?
Daniela Köck:
Die Kinderbeteiligungsformate werden sehr gut angenommen, d.h. da werden die Kinder und Jugendlichen animiert, in ihrer Gemeinde mitzubestimmen. Die Kinder werden auch von der Gemeinde gefragt, wie sie Telefonzellen oder Bibliotheken gestalten würden, das heißt, sie sind auch beratendes Gremium und bringen ihre eigenen Ideen ein.
In St. Barbara im Mürztal beispielsweise wird Beteiligung auch längerfristig gelebt. Da haben sich die Jugendlichen für ein Glyphosphatverbot eingesetzt. Da hat man das Gefühl, das greift jetzt. Da sind wir in der politischen Landschaft angekommen.

Warum ist das Projekt verlängert worden?
U.L.:
Es ist so ein wichtiger Beitrag dagegen, was wir als Orientierungslosigkeit benennen können. Kinder bekommen von zuhause nicht immer die Strukturen und Kompetenzen mit und auch die Gemeinden sind nicht immer so kompetent im Umgang mit den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen.
Viele gesellschaftspolitische Fragestellungen, Stichwort Radikalisierung oder Extremismus, lassen sich in dem Bereich, der nach der Familie kommt, den Kommunen, am besten angehen und lösen. Da sind solche niederschwelligen Maßnahmen das absolut Richtige und Wichtige. Jugendliche entwickeln so eine Sensibilität für die Dimension von Entscheidungen. 

Ist das Thema Migration bei "Mitmischen vor Ort" besonders berücksichtigt?
D.K.: Bei uns ist natürlich jedes Kind willkommen, wir versuchen, inklusive zu denken. In einer Gemeinde sind alle, die hier wohnen, eingeladen, mitzumachen. Wir schauen aber sicher nicht auf irgendeine Quote. Es geht bei Entscheidungen immer um das Wohl der ganzen Gemeinde. Natürlich sind auch Eltern und Schulen für uns wichtig. Je offener Eltern und Schulen agieren, umso besser kann man die Kinder und Jugendlichen motivieren.

21 steirische Gemeinden waren seit 2015 "an Bord". Gibt es geografische Unterschiede?
D.K.: Wir wenden uns an alle, von Bad Aussee bis nach Bad Radkersburg. Allerdings fahren wir bis dato leider nicht so oft ins Ennstal.
U.L.: Jede Region tickt irgendwie anders. Was augenscheinlich ist, dass sich auch die Ideen je nach Region unterscheiden. Ein guter Jugendausschuss ist Gold wert und natürlich hängt es auch immer von den handelnden Personen und dem Gemeinderat ab.

Warum ist es so wichtig, dass Kinder und Jugendliche mitentscheiden?
U.L.:
Wir haben vor Kurzem in St. Barbara auch einen Spielplatz eröffnet, wo der Bürgermeister die Ideen der Kinder miteinbezogen hat. Wo alle Kinder hingestürmt sind, war der Hügel ... der in Wirklichkeit null Euro kostet. Der Hügel, der macht was. Die Kleinen haben den sofort in Beschlag genommen und genau diesen Hügel gäbe es vielleicht nicht, wenn die Kinder nicht mitgeplant hätten. Das ist auch die große Erkenntnis der beteiligten Gemeinden: Das Allermeiste, was die Kinder und Jugendlichen sich wünschen, kostet so viel weniger, als was den Erwachsenen einfallen würde. Und: Es ist nachhaltiger, denn die Jugendlichen schauen darauf und zerstören "ihr Werk" nicht.
D.K.: Jeder Mensch kann doch nur bestrebt sein, mündig zu bleiben und das Gefühl zu haben, 'ich war bei dieser Entscheidung dabei'. da kann man bei Kindern und Jugendlichen einen Schlüssel zur Politikverdrossenheit zu schaffen.

Wie stehen Sie zur geforderten Einführung des Unterrichtsfachs "Politische Bildung"?
U.L.:
Ich bin unbedingt dafür. Natürlich ist das eine Bundesentscheidung, aber wir haben uns politisch immer dafür ausgesprochen. Das Fach als Querschnittsmaterie ist das Mindeste, was man machen kann.

Mitmischen vor Ort:
Damit haben Gemeinden die Möglichkeit, Kinder und Jugendliche politisch zu sensibilisieren. Die Kosten teilen sich Land und Kommunen je zur Hälfte. 

Daniela Köck und Ursula Lackner mit Rück- und Ausblick: In den letzten beiden Jahren waren steiermarkweit 5.000 Jugendliche bei "Mitmischen vor Ort" involviert. Nun geht das Projekt in die Verlängerung. | Foto: Konstantinov
Rezept gegen Politikverdrossenheit: Daniela Köck (l.) und Landesrätin Ursula Lackner erläutern das Konzept von "Mitmischen vor Ort". | Foto: Konstantinov
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