EU-Wahl: Die steirischen Spitzenkandidaten im Interview
"Kollektiv von 512 Millionen Menschen schafft mehr als nationale Alleingänge"

SPÖ-Spitzenkandidatin für die EU-Wahl: Bettina Vollath | Foto: Sebastian Philipp
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Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament hat die WOCHE die steirischen Spitzenkandidaten aller Parteien zum Interview gebeten und jeweils mit denselben Fragen konfrontiert. SPÖ-Kandidatin Bettina Vollath erinnert sich sehr persönlich an das Beitrittsjahr 1995 und appelliert daran, zur Wahl zu gehen, um das Vereinte Europa zu bewahren.

Warum kandidieren Sie? 
Bettina Vollath: Weil ich mir Sorgen darüber mache, dass der EU mittlerweile so viele Menschen skeptisch gegenüberstehen oder sie sogar ablehnen. Denn die Europäische Union ist ein historisches Friedensprojekt, das bereits seit über 70 Jahren den Frieden unter den Mitgliedsstaaten sichert und das auch weiter tun wird. Und sie bietet uns mit der richtigen Politik die Möglichkeiten, die globalen Herausforderungen vor denen wir stehen, als Kollektiv von 512 Millionen Menschen weit besser zu bewältigen, als es nationale Alleingänge können. Um das tatsächlich zu erreichen, ist es höchste Zeit für einen Richtungswechsel in Brüssel. Seit 30 Jahren haben wir im Europäischen Parlament eine konservativ-neoliberale Mehrheit. Ich will, dass in Brüssel endlich wieder Politik für die Bedürfnisse der Menschen gemacht wird, statt für die Profitinteressen einiger weniger Menschen.

Wo und wie wird die EU in der Steiermark spürbar?
Bettina Vollath: In sehr vielen Bereichen. Von 1995 bis 2014 hat die Steiermark rund 1,5 Milliarden Euro nach Brüssel bezahlt, im selben Zeitraum sind aber mit 2,8 Milliarden Euro fast doppelt so viele Gelder aus dem EU Budget an Förderungen in die Steiermark geflossen. Speziell in den Bereichen der Regionalentwicklung, sowie Forschung & Entwicklung hat die Steiermark große Vorteile. Die Steiermark ist mittlerweile Forschungseuropameister. Unsere steirischen Hochschulen konnten durch die EU und den Erasmus-Gedanken ihre Position als internationale Universitätsstandorte stärken. Darum wäre es nicht gerade das Klügste, was wir tun könnten, aus der Europäischen Union auszutreten oder die EU zu zerstören.

Was ist Ihre persönliche Verbindung zum Jahr 1995?
Bettina Vollath:
In diesem Jahr wurde der jüngste meiner drei Söhne geboren und ich erinnere mich noch intensiv an das Glücksgefühl, dass ich empfand, als Österreich zur EU beitrat. Endlich waren wir Teil der europäischen Familie und damit dieses großen Friedensprojektes. Wunderbar, seine Kinder in Frieden aufwachsen sehen zu dürfen.

Worin unterscheidet sich das EU-Wahlprogramm der SPÖ zu jenem anderer Parteien?
Bettina Vollath:
Wir haben von Beginn an klar gemacht, dass wir die EU als Institution wollen, aber dass sie sich ändern muss – sie muss demokratischer werden. Und dass wir einen Richtungswechsel in der EU-Politik wollen: Unser Wahlprogramm hat als zentrale Forderung, dass die Bedürfnisse der Europäerinnen und Europäer endlich wieder wichtiger sein müssen als die Profitinteressen einiger weniger Menschen. Und es geht darum, den Stillstand bei den wichtigsten Fragen unserer Zeit zu beenden: Wir brauchen alle Kraft im Kampf gegen die Klimakrise und müssen schnell und entschlossen handeln, um endlich die Energiewende zu schaffen. Der Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien ist die Grundvoraussetzung dafür, dass auch künftige Generationen einen lebenswerten Planeten vorfinden. Durch das Abstimmverhalten der ÖVP und der FPÖ, aber auch der Liberalen ist in diesem Bereich bisher viel zu wenig passiert. Und wir müssen endlich für Steuergerechtigkeit in Europa sorgen und die großen, multinationalen Konzerne in die Pflicht nehmen, damit sie ihren gerechten Beitrag leisten. Hier werden der Allgemeinheit Jahr für Jahr 1000 Milliarden Euro vorenthalten durch Steuerflucht und dieses Geld fehlt in den öffentlichen Haushalten. Das ist zutiefst ungerecht und muss endlich beendet werden!

Warum ist es nicht egal, ob man am 26. Mai zur Wahl geht oder nicht?
Bettina Vollath:
Weil es darum geht, in welche Richtung sich Europa in Zukunft entwickeln wird. Es war noch selten so gänzlich verschieden, wie sich die einzelnen Parteien die Weiterentwicklung Europas vorstellen: Wenn die rechte Allianz rund um Salvini, Le Pen, Vilimsky und Co bei dieser Wahl gewinnt, dann wird es das vereinte Europa, wie wir es kennen, wohl bald nicht mehr geben. Nationalismus zersetzt das Fundament jeder solidarischen Gemeinschaft. Und so kann es passieren, dass viel von dem, was wir alle für selbstverständlich halten - die Wahrung der Menschenrechte, Demokratie, Freiheit, die Gleichstellung von Männern und Frauen - wieder in Gefahr ist. Auf der anderen Seite verstehe ich es zutiefst, dass so viele Menschen unzufrieden sind mit der Europäischen Union, und deswegen darf es auch nicht so weiter gehen wie bisher: Nach 30 Jahren der konservativ-neoliberalen Mehrheit im Europäischen Parlament ist es Zeit für eine Wachablöse durch eine starke Sozialdemokratie! Genau deswegen ist es wichtig, wählen zu gehen, um seinen Teil zu diesem Richtungswechsel beizutragen. Denn nach der Wahl ist es bekanntlich zu spät.

Welche Auswirkungen erwarten Sie sich nach der Ibiza-Affäre auf den Ausgang der EU-Wahlen?
Bettina Vollath: Das am Samstag ans Tageslicht getretene hat wohl alle Menschen mit Ehre und Anstand zutiefst getroffen. Völlig ungeachtet der Ideologie eines Politikers muss man seitens der Bevölkerung einfach das Vertrauen haben können, dass er bei jedem, was er tut und was er plant, ausschließlich das Interesse der Bevölkerung verfolgt. Genau dieses Vertrauen von vielen Menschen ist seitens zweier wichtigster Vertreter der FPÖ missbraucht worden. Die Auswirkungen dieses Vertrauensmissbrauches auf den Ausgang der EU-Wahlen bleiben abzuwarten - meine größte Befürchtung ist es, dass sich das Vorgefallene insgesamt negativ auf die Wahlbeteiligung auswirkt. Hier kann ich nur darum bitten, trotz allen Entsetzens dennoch weiter die Zukunft Europas und damit auch die persönliche Zukunft in diesem Europa im Auge zu behalten und eine klare Wahlentscheidung zu treffen, welche Weiterentwicklung man sich im Sinne der Menschen für Europa und damit für Österreich und die Steiermark wünscht. Wir stehen für Frieden, Zusammenhalt, Steuergerechtigkeit und eine rasche zukunftsweisende Energiewende zum Erhalt unseres Planeten und haben damit ein gutes Angebot an die Wählerinnen und Wähler.

Hier gehts zu den Interviews mit Simone Schmiedtbauer (ÖVP), Georg Mayer (FPÖ), Werner Kogler (Grüne) und Stefan Windberger (Neos).

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