Branche in der Krise
Bauwirtschaft steuert auf massive Talfahrt zu

V.l.: Vinzenz Harrer (ÖGK), Johann Reisenhofer (Bauhilfsgewerbe), Josef Gasser (Bau), Anton Berger (Installateure), Hermann Talowski (Spartenobmann Gewerbe und Handwerk), Manuela Kuterer (Elektrotechniker), Martin Schaller (Spartenobmann Bank und Versicherung), Andreas Höller (Hafner, Platten- und Fliesenleger), Oskar Beer (Holzbau), Johann Hackl (Metalltechnik), Helmut Schabauer (Dachdecker) | Foto: Foto Fischer
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  • V.l.: Vinzenz Harrer (ÖGK), Johann Reisenhofer (Bauhilfsgewerbe), Josef Gasser (Bau), Anton Berger (Installateure), Hermann Talowski (Spartenobmann Gewerbe und Handwerk), Manuela Kuterer (Elektrotechniker), Martin Schaller (Spartenobmann Bank und Versicherung), Andreas Höller (Hafner, Platten- und Fliesenleger), Oskar Beer (Holzbau), Johann Hackl (Metalltechnik), Helmut Schabauer (Dachdecker)
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Die Auftragsbücher in der steirischen Bauwirtschaft leeren sich, gleichzeitig verbuchen Banken ein Rekordminus bei Neuvergaben von Wohnkrediten. Auch eine Erhebung des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) belegt, dass die traditionell starke Baubranche vor einem Einbruch steht.

STEIERMARK. Vertreter der heimischen Bauwirtschaft im Gewerbe und Handwerk schlagen Alarm. Unterstützt werden sie von der Sparte Bank und Versicherung, die sich für die Abschaffung der umstrittenen Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-VO) ausspricht. Diese zwingt Banken zu strengen Regeln für die Kreditvergabe, was Baufinanzierungen zusätzlich verhindert.

Das wahre Ausmaß der Entwicklung zeigt eine Sondererhebung des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS), die im Frühjahr im Auftrag der Sparte Gewerbe und Handwerk ergänzend zum steirischen Konjunkturbarometer durchgeführt wurde. Daraus lässt sich ablesen, dass das traditionell starke steirische Baugewerbe vor einem massiven Einbruch steht. So liegen die erhobenen Salden in den meisten relevanten Bereichen tief im negativen Bereich. Bei der Beschäftigung gibt es jetzt bereits ein Minus von 3,1 Prozentpunkten und die Situation dürfte sich in den nächsten 12 Monaten noch weiter verschlechtern.

„Die Stimmung im Bau ist insgesamt sehr negativ und die Unsicherheit ist groß.“ Hermann Talowski, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk

Auch Baunebengewerbe betroffen

Ähnlich dramatisch sind die Zahlen auch im Baunebenbereich, allerdings trifft der Einbruch zeitverzögert ein. Was sich jedoch mit Sicherheit sagen lässt: Der Bau- und der Baunebenbereich sind deutlich stärker vom Konjunktureinbruch betroffen als der Rest der steirischen Wirtschaft.

Ausnahmslos begrüßt wird das jüngst präsentierte Wohnbau-Paket der steirischen Landesregierung. Die Wohnbauoffensive sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, darunter die Reform der Geschoßbauförderung sowie eine erhöhte Wohnunterstützung. Dies stelle zwar – so die Meinung der Branchenvertreter – „einen Hoffnungsschimmer dar, könnte jedoch für das heurige Jahr bereits zu spät sein“, so Talowski.

„Die Situation ist ohne Zweifel dramatisch. Wir stehen vor einer Fülle an Herausforderungen, die alle ineinandergreifen und eng miteinander verbunden sind. Die Konjunktur am Bau ist zentral für eine Vielzahl der steirischen Gewerbe- und Handwerksbetriebe. Jetzt gilt es, einen weiteren Einbruch dieser Konjunktur zu verhindern, und zwar indem man die wahren Ursachen der Probleme bekämpft und nicht nur die Symptome.“
Hermann Talowski, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk der WKO Steiermark

Martin Schaller und Hermann Talowski | Foto: Foto Fischer
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Preissteigerung und Finanzierung als größte Herausforderungen

Das „Ranking“ der zahlreichen Herausforderungen führt die Inflation an, die von 63,9 % der befragten Betriebe an die Spitze gereiht wurde. Dahinter finden sich der Arbeits-/Fachkräftemangel (61,9 %) sowie die Arbeitskosten (51,1 %). Bereits an vierter Stelle rangieren die Finanzierungskonditionen mit 43,4 %, knapp gefolgt von den Preisen für Energie, Rohstoffe und Vorleistungen (43,3 %).

Löhne und Gehälter als Preistreiber

Befragt nach den Gründen für den Preisanstieg nennen 91,8 % der befragten Unternehmen die steigenden Löhne und Gehälter. Dahinter folgen Preise für Vorleistungen (67,7 %), Energiekosten (62,9 %) sowie – auch hier bereits im vorderen Feld – die Kapitalkosten.

Massive Einbußen bei Wertschöpfung befürchtet

Die möglichen Auswirkungen des Personalabbaus im Bau- und Baunebengewerbe zeigen sich in einem dramatischen Ausfall bei der Bruttowertschöpfung. So bedeuten etwa 5 % mehr Arbeitslose am Bau einen Entfall von 348 Mio. Euro im Baugewerbe und 337 Mio. Euro im Baunebengewerbe. 10 % mehr Arbeitslose erhöhen diese Ausfälle auf 697 Mio. Euro (Bau) und 673 Mio. Euro (Baunebengewerbe) und 15 % mehr Arbeitslose bewirken bereits 1,04 Mrd. (!) Euro Wertschöpfungsentfall im Baugewerbe und 1,01 Mrd. Euro im Baunebengewerbe.

Die aktuelle Entwicklung aus Sicht der Banken

„Es sind bewegte Zeiten im Immobilienbereich, die zeigen, dass eine kompetente Beratung für Kundinnen und Kunden besonders wichtig ist.“ 
Martin Schaller, Obmann der Sparte Bank und Versicherung in der WKO Steiermark

Denn trotz der Teuerung sind die Wünsche rund ums Wohnen ungebrochen, das gehe aus zahlreichen Gesprächen mit Bankkunden hervor. „Gerade aus finanziellen Gründen ist die Schaffung eines Eigenheims sinnvoll. Denn mit der Teuerung steigen auch die Mieten, während sich die Grundinvestition in die eigenen vier Wände langfristig rechnet, dies zeigen Studien. Wohneigentum ist daher die wirksamste ‚Starthilfe‘, die man seinen Nachkommen angedeihen lassen kann.“

V.l.: Simone Harder (IWS), Hermann Talowski (Gewerbe und Handwerk), Martin Schaller (Bank und Versicherung), Ewald Verhounig (IWS) | Foto: Foto Fischer
  • V.l.: Simone Harder (IWS), Hermann Talowski (Gewerbe und Handwerk), Martin Schaller (Bank und Versicherung), Ewald Verhounig (IWS)
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KIM-Verordnung bremst Kreditvergabe

Mit dem Inkrafttreten der KIM-Verordnung letzten August ist es jedoch deutlich schwieriger geworden, an einen Wohnkredit zu kommen. Folge dieser Verschärfungen war in den vergangenen Monaten ein massiver Einbruch der Wohnbaufinanzierungen.

„Die Nachfragen sind um bis zu 70 Prozent gesunken“, rechnet Schaller vor. Trotz der gesetzlichen Anpassungen der KIM-VO vonseiten der FMA Anfang April sieht der Spartenobmann dringenden Handlungsbedarf: „Die vorherrschende wirtschaftliche Lage verdeutlicht einmal mehr, dass bei der kommenden Evaluierung der KIM-VO im Herbst die verschärften Vergaberegeln abgeschafft gehören, damit eine Rückkehr zur Normalität möglich ist. Wir brauchen hier dringend Erleichterungen, sonst droht der steirischen Bauwirtschaft als Konjunkturmotor und Arbeitgeber tausender Arbeitsplätze ein Einbruch.“

Zumal, wie Schaller betont, die KIM-VO vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs aus Angst vor einer Überhitzung des Immobilienmarkts eingeführt wurde und längst überholt sei. Verschärft wird die Lage zudem durch die vorherrschende Zinsentwicklung und die damit verbundene Leistbarkeit im Häuslbau. Folglich sei die KIM-Verordnung eine Mitverursacherin der Rezession und müsse an die Bedürfnisse der Kunden angepasst werden. Aufgrund der politischen Entwicklungen in den vergangenen Monaten, stelle sich jedoch mittlerweile die Frage, ob vonseiten der Politik der Wille, den Menschen die Möglichkeit zu geben, Eigentum zu schaffen, überhaupt noch vorhanden sei, so Schaller. Nachsatz:

„Ist das eigene Haus, der eigene Garten der Politik noch was wert?“

Die heimischen Banken kennen ihre Kunden sehr gut und sind daher in der Lage, passende und leistbare Lösungen gemeinsam mit Kreditnehmern zu finden – das ist die Kernkompetenz von Regionalbanken. In persönlichen Beratungsgesprächen werden mit Kunden individuelle Lösungen (Laufzeitverlängerung, Stundungen) besprochen, um die Leistbarkeit und den Wunsch nach einem Eigenheim erfüllen zu können.

Lösungsansätze bei Krediten, Löhnen und Energie

Eine der Hauptforderungen ist die ersatzlose Streichung der KIM-Verordnung. Zusätzlich braucht es vernünftige KV-Abschlüsse – Stichwort „Mehr Netto vom Brutto“: Das betrifft die Senkung der Lohnnebenkosten im Bereich des 13. und 14. Monatsgehalts durch eine Reduktion der Beitragssätze für die Kranken- und Arbeitslosenversicherung auf Sonderzahlungen. Im Bereich des Energiekostenzuschuss 2 fordern die Sparten eine quartalsweise Antragstellung und somit auch eine wesentlich zeitnahere Auszahlung. Das gilt auch für die Pauschalzahlungen für den Energiekostenzuschuss.

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