Lösung gesucht
OMV stoppt Geothermie-Projekt für Grazer Fernwärme
- In den kommenden Jahren soll das Grazer Fernwärmenetz weiter ausgebaut werden. Der Stopp des Geothermie-Projekts durch die OMV bringt den Plan allerdings ins Wanken.
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Die OMV hat ihr geplantes Geothermie-Projekt in der Oststeiermark überraschend gestoppt. Das fast eine halbe Milliarde Euro schwere Vorhaben sollte ab 2030 rund die Hälfte des Großraums Graz mit Fernwärme aus Tiefengeothermie versorgen. Die Energie Steiermark legte der Stadt Graz in der Folge ein Kaufangebot für den Fernwärmesektor der Energie Graz vor, dieses lehnt die Stadt aber vehement ab.
STEIERMARK/GRAZ. Erst im Juni dieses Jahres kündigte die OMV ein Geothermie-Projekt in der Oststeiermark an, das ab 2030 rund die Hälfte der Grazer Fernwärmeversorgung sichern sollte. Im Dezember sollten seismische Messungen gestartet werden, um das geothermische Potenzial des oststeirischen Beckens im Großraum Graz zu erforschen (MeinBezirk berichtete). Ende letzter Woche drückte das Unternehmen jedoch die Stopptaste.
Die erforderlichen behördlichen Freigaben seien zwar eingeholt worden, abschließende Gespräche der Vertragspartner Energie Graz, Energie Steiermark und OMV hätten jedoch gezeigt, dass das Projekt in der geplanten Form derzeit nicht durchgeführt werden könne, erklärt man seitens der OMV. Der Grund: fehlende Beschlüsse der Stadt Graz.
Kahr: „Hätte uneingeschränkte Haftung bedeutet“
Im Büro von Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) wurde die Entscheidung der OMV „mit Bedauern zur Kenntnis genommen“. In einer schriftlichen Stellungnahme äußert Kahr jedoch deutliche Kritik an den vertraglichen Rahmenbedingungen.
„Der von den Partnern vorgeschlagene Vertrag hätte bedeutet, dass die Stadt Graz lediglich Abnehmerin der Fernwärme gewesen wäre, dafür aber die uneingeschränkte Haftung zu tragen gehabt hätte. Das würde nicht nur die Energiepreise in die Höhe treiben, sondern auch die Existenz des städtischen Energieversorgers gefährden. Zudem lässt das Statut der Stadt Graz diese Vorgangsweise gar nicht zu.“
Elke Kahr, Bürgermeisterin der Stadt Graz
- "Der von den Partnern vorgeschlagene Vertrag hätte bedeutet, dass die Stadt Graz lediglich Abnehmerin der Fernwärme gewesen wäre, dafür aber die uneingeschränkte Haftung zu tragen gehabt hätte", erklärt Elke Kahr, Bürgermeisterin Stadt Graz.
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Vonseiten der Energie Steiermark zeigt man sich über die Absage besorgt. „Allen ist klar, dass das Geothermie-Projekt zur Sicherung der Wärmeversorgung absolut unverzichtbar ist und eine historische Chance darstellt. Derzeit kommt die Wärmeversorgung in Graz nur zu etwa zehn Prozent aus erneuerbaren Quellen. Damit sind die Grazerinnen und Grazer den Preisschwankungen auf den internationalen Märkten voll ausgeliefert“, erklärt Konzernsprecher Urs Harnik. Es gehe um die Unabhängigkeit von Erdgasimporten, stabile Energiepreise und die Nutzung regionaler Ressourcen.
Absage an Verkauf der städtischen Fernwärme
Nur wenige Stunden nach der Projektabsage durch die OMV hat die Energie Steiermark (zu 100 Prozent im Besitz des Landes Steiermark) der Stadt Graz ein Übernahmeangebot über rund 120 Millionen Euro für die Fernwärmesparte der Energie Graz (zu 51 Prozent im Besitz der Holding Graz und zu 49 Prozent im Besitz der Energie Steiermark) vorgelegt, bestätigt Konzernsprecher Urs Harnik von der Energie Steiermark. Ziel: Das Projekt mit der OMV vielleicht doch noch fortzusetzen.
- Die OMV hat das Geothermie-Projekt zur Fernwärmeversorgung von Graz gestoppt.
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Während der Landesenergieversorger sich nicht weiter zur internen Kommunikation mit der Stadt Graz äußern möchte, kommt seitens der Grazer Bürgermeisterin Kritik am Zeitpunkt: „Dass nur wenige Stunden nach der überraschenden Absage der OMV an das Geothermie-Projekt ein Angebot der Energie Steiermark an die Stadt Graz eingelangt ist, lässt vermuten, dass dieses Übernahmeangebot nicht spontan erfolgt ist“, so Kahr.
Die Zusammenarbeit zwischen Energie Steiermark, Energie Graz und Holding Graz habe bisher immer gut und verlässlich funktioniert, betont die Bürgermeisterin. Die aktuelle Vorgangsweise habe dieses Vertrauen allerdings ins Wanken gebracht, „denn sie legt nahe, dass sie das Projekt nur verfolgt hat, um eine (Teil-)Übernahme des Grazer Energieversorgers zu erzwingen“, so Kahr. Ein Verkauf der städtischen Fernwärme komme für die Stadt nicht infrage. Man werde „alternative Vorschläge unterbreiten, um den Fernwärmeausbau und die Dekarbonisierung gesamthaft abzusichern“, heißt es aus dem Bürgermeisterbüro.
Fernwärmeausbau ohne Geothermie gefährdet
Nach Angaben der Energie Steiermark könne der Ausbau der Grazer Fernwärme ohne das Geothermie-Projekt nicht fortgesetzt werden. „Die gesetzlichen Vorgaben sind strikt und verlangen eine Dekarbonisierung. Andere kleinere Projekte, etwa der Sonnenspeicher Süd, können zwar auch Beiträge liefern sind aber viel zu klein, um Wesentliches zu verändern.“
Eine Entscheidung müsse rasch getroffen werden, „denn sonst droht für die Stadt die Gefahr, dass Bundesförderungen in Millionenhöhe durch den Bund wegfallen und die Lage noch weitaus dramatischer wird“, erklärt der Konzernsprecher.
- Die OMV hatte geplant, ab Dezember 2025 großangelegte seismische Messungen im oststeirischen Becken rund um Graz durchzuführen. Nun werden mögliche Alternativen und weitere Schritte im Erkundungsgebiet geprüft.
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Neos orten „Skandal“, FPÖ kündigt Anfrage an
Dass das Geothermie-Projekt für die Grazer Fernwärme in der Steiermark nun gestoppt wurde, bezeichnet Neos-Energiesprecher Robert Reif als „Skandal“. Er sieht angesichts der Eigentumsverhältnisse der Energie Steiermark und der Energie Graz die Politik gefordert: „Der Ball liegt bei Bürgermeisterin Kahr und Landeshauptmann Kunasek. Sie entscheiden, ob wir künftig steirische Fernwärme nutzen können und damit einen großen Schritt in die Unabhängigkeit machen, oder ob wir weiterhin von russischem Gas abhängig sein werden.“
Auch seitens der Grazer FPÖ wird die Entscheidung scharf kritisiert. „Wir wollen mit einer umfassenden Anfrage an Bürgermeisterin Elke Kahr und Finanzstadtrat Manfred Eber alle Hintergründe dieser bedauerlichen Entwicklung beleuchten. Es muss geprüft werden, ob nicht eine Wiederaufnahme des Projekts oder auch andere Lösungen möglich sind, um die Wärmeversorgung der Grazer Bevölkerung sowie die Dekarbonisierung sicherzustellen“, so René Apfelknab, FPÖ-Spitzenkandidat für die Gemeinderatswahl.
Auch SPÖ Graz-Chefin Doris Kampus meldete sich am Montag zur Causa zu Wort. „Was hier rund um den Fernwärme-Deal passiert, ist höchst fragwürdig. Es muss jetzt umgehend dafür gesorgt werden, dass von allen Seiten Transparenz herrscht – dafür muss jetzt auch die Bürgermeisterin sorgen“, so Kampus. Öffentliche Daseinsvorsorge müsse in öffentlicher Hand bleiben, spricht sich die SPÖ-Chefin klar „gegen jede Form des Verkaufs zentraler Infrastruktur an Private“ aus.
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