Rechtsanwälte sehen Covid-19-Gesetz sehr kritisch
"Verstehen diese Husch-Pfusch-Gesetzgebung nicht"

- Machten auf die Unregelmäßigkeit im aktuellen COVID 19-Maßnahmenpaket aufmerksam: die Rechtsanwälte Michaela und Andreas Hämmerle.
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Von der Eventmanagerin über das Nagelstudio, die Gastro- und Hotelleriebranche bis hin zum Sanitärhandel – in dieser Bandbreite stapeln sich die Anfragen und Fälle derzeit auf dem Tisch von Michaela Hämmerle, die gemeinsam mit ihrem Bruder Andreas eine Anwaltskanzlei in Rottenmann führt. Das Juristen-Duo macht bereits seit über einer Woche auf den sozialen Medien auf ein bestehendes Spannungsverhältnis zwischen dem Epidemiegesetz und dem von der Regierung verabschiedeten COVID-19-Maßnahmengesetz aufmerksam: "Mit dem Epidemiegesetz aus dem Jahr 1950 ist der Verdienstentgang aufgrund behördlicher Schließungen klar geregelt. Dies ist nun in voller Absicht von der Bundesregierung außer Kraft gesetzt worden und durch Kleinst- und Kleinpakete ersetzt worden", erklärt Andreas Hämmerle. Besonders betroffen seien demnach selbstständig Erwerbstätige und Personengesellschaften, diese müssten – laut Epidemiegesetz – eine Entschädigung erhalten, die mit dem Gewinn aus den letzten erwerbstätigen Monaten vergleichbar ist.
So ist im Covid 19-Maßnahmenpaket versteckt in den Schlussnormierungen in § 4 festgelegt, dass "wenn ein Bundesminister eine Verordnung erlassen hat, die Bestimmungen des Epidemiegesetzes betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung gelangen". Was die Anwälte vor allem ärgert, ist dass nach Bekanntwerden, dass es sich beim Coronavirus um eine Epidemie, eine Pandemie handelt, Gesetzestexte beschlossen wurden, die die wesentliche Bestimmung für alle Kleingewerbe außer Kraft setzen. "Die Bundesregierung hat verdeckt, unter der Vorspielung, dass jedem Gewerbetreibenden geholfen wird, ein Gesetz verabschiedet, das den wirtschaftlichen Untergang von vielen Unternehmen bedeuten wird", kritisiert Andreas Hämmerle. "Das ist eine Husch-Pfusch-Gesetzgebung, die einfach so ohne Widerstand im Parlament durchgewunken wurde", ergänzt Michaele Hämmerle.
Individualantrag beim Verfassungsgerichtshof
Das 38-Millionenpaket sei allseits gerne und dankbar angenommen worden, allerdings sei es jedenfalls zu wenig. "Der gesamte wirtschaftliche Schaden wird damit auf die Klein- und Kleinstunternehmen abgewälzt und wir unterstellen hier eine gewisse Absicht, um Kosten zu sparen", so die beiden Anwälte.
Daher wird die Kanzlei – gemeinsam mit Wiener Kollegen – einen Individualantrag auf Normenkontrolle beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) einbringen. Rückenwind bekommt dieser Antrag auf alle Fälle durch eine Stellungnahme der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer, die auf Nachfrage der WOCHE die aktuelle COVID-19-Gesetzgebung ebenfalls sehr kritisch sieht: "Durch das sogenannte COVID-19-Maßnahmengesetz wurde dieser verbindliche Entschädigungsanspruch „ausgehebelt“. Entschädigungen für von Betriebsbeschränkungen oder Betriebsschließungen betroffene Unternehmer sind nunmehr im Wesentlichen nur mehr in Form von „Fondslösungen“ vorgesehen, dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Form der Wirtschaftsförderung", schildert die Gabriele Krenn, Präsidentin der Rechtsanwaltskammer.
Natürlich dürfe der durch die Fördermaßnahmen verfolgteZweck, für viele Unternehmer eine schnelle und (hoffentlich) unbürokratische Unterstützung zu bewerkstelligen, nicht übersehen werden. "Auf derartige Förderungen besteht allerdings – im Gegensatz zum Epidemiegesetz – kein Rechtsanspruch. Die durch Betriebseinschränkungen und Betriebsschließungen Betroffenen sind daher quasi nur noch 'Bittsteller'", erklärt Krenn. "Ob diese neue Regelung – verfassungsrechtlich - betrachtet – einen ausreichenden Ausgleich für den weitreichenden Eingriff in das Eigentum/die Erwerbsfreiheit des Unternehmers sicherstellt, ist zu bezweifeln", befürchtet die Präsidentin.
Tipp für betroffene Unternehmen
Da noch nicht absehbar sei, ob diese „Neuregelung“ einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) standhalten wird, rät Krenn jedenfalls allen Betroffenen vorsichtshalber rechtzeitig (ACHTUNG: die Frist ist sechs Wochen ab Wegfall der Betriebsbeeinträchtigung) ein Entschädigungsantrag unter Berufung auf das Epidemiegesetz bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu stellen.
Für den Fall einer vom VfGH allenfalls erklärten Aufhebung der aktuellen COVID-19-Bestimmungen wahrt man dadurch die Frist hinsichtlich eines Entschädigungsanspruchs.


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