Sawubona

Schülerinnen in Schuluniform (Norwood - Johannesburg)
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  • Schülerinnen in Schuluniform (Norwood - Johannesburg)
  • hochgeladen von Annemarie Reicht

Sawubona ist ein Gruß in isiZulu, eines der elf offiziellen Landessprachen von Südafrika. Die 17jährige Schülerin Simone Reicht aus Dörfla (Gemeinde Zerlach) berichtet über ihr Austauschsemester in Südafrika.

Seit Ende Februar lebe ich nun im Rahmen von AFS (Austauschprogramme für interkulturelles Lernen) in Südafrika. Es ist ein Aufenthalt in einem anfangs vollkommen fremden Land, in dem ich Dinge gesehen und kennengelernt habe, die ich mir nie hätte vorstellen können.

Die ersten vier Monate verbrachte ich bei einer Familie in Tembisa. Meine Gasteltern gaben mir den Zulu-Namen MBALI, das auf Deutsch "Die Blume" bedeutet. Ich lebte in einer Großfamilie mit bis zu 10 Familienmitgliedern in einem kleinen Haus (ca. 45 m²). Immerhin, den die meisten Menschen in der Nachbarschaft bewohnen Wellblechhütten. Tembisa wurde 1957 als Township für den Wirtschaftsraum Johannesburg gegründet. Man kann es sich als Wohnort für schwarze Südafrikaner aus überbevölkerten Stadtteilen vorstellen. In Tembisa gibt es viel Armut und alles ist voller Müll. Aber die Menschen haben ihre Lebensfreude nicht verloren, vor allem am Wochenende kann am überall in den Straßen Musik hören.
Die Folgen der Apartheid sind heute noch spürbar, obwohl seit der Abschaffung der Rassentrennung bereits 20 Jahre vergangen sind. Richtig vermischt hat sich nur die Oberschicht. Nun gibt es wenige „Schwarze“ und viele „Weiße“, die in übermäßigen Reichtum leben, aber es sind nur schwarze Menschen, die in Townships in Armut wohnen. Eine Mittelklasse, wie bei uns in Österreich, gibt es hier so gut wie gar nicht. Die Kluft zwischen arm und reich geht hier sehr weit auseinander. Noch immer hat nicht jeder die gleichen Möglichkeiten. Aber wie sollen die Menschen aus der Armut herausfinden, wenn man für eine gute Schulbildung (Grundvoraussetzung für einen guten Job) umgerechnet mehrere hundert Euro pro Monat bezahlen muss? Kinder, deren Eltern arm sind, besuchen öffentliche Schulen, in denen 50 bis 60 Schüler in einer Klasse keine Seltenheit sind. Strafen, in Form von Schlägen mit Stöcken, stehen in Township-Schulen noch an der Tagesordnung.
Auch bei Wohnverhältnissen und -kosten gibt es gravierende Unterschiede. Eine Wellblechhütte kann man für 1000 bis 2000 Rand (70 - 150 €) erwerben, doch ein Haus kann schon Millionen von Rand kosten. Die meisten Reichen leben in eigenen, abgetrennten Stadtvierteln. Diese sogenannten Suburbs werden mit Elektrozäunen und Wachpersonal abgesichert. In den überfüllten Townships ist die Kriminalität aufgrund der Armut und Aussichtslosigkeit der Leute ziemlich hoch. Schlägereien auf der Straße sind hier keine Seltenheit.
Die Liste der Unterschiede würde noch ewig weitergehen, doch ich will auch von den schönen und einzigartigen Seiten Südafrikas erzählen. Das Leben im Township hat mir trotz der Armut gefallen, weil die Leute Fröhlichkeit ausstrahlen. Hinter jeder Ecke findet man Tuckshops. Das sind kleine „Greißlerläden“, in denen man ziemlich alles für den täglichen Bedarf bekommt. Marktleute sitzen auf den Straßen und bieten Obst und verschiedene Snacks zum Verkauf an. Ein typisches Essen in Townships sind Magwinya oder Kota. Magwinya, auch Fatcookie genannt, ist eine Art Gebäck, das in Öl gekocht und zum Frühstück gegessen wird. Kota ist ein geviertelter Brotlaib mit Pommes und Sauce oder sonstigem, das sich gerade anbietet. Auch Scons, Nik Naks und andere Snacks schmecken mir sehr gut.
Das Haupttransportmittel hier sind Minibus-Taxis. In der letzten Reihe sitzt man zwar mehr übereinander, statt nebeneinander, aber das macht die Fahrt auch zu einem unvergleichlichen Erlebnis. Bezahlt wird auf eine sehr interessante Weise: Das Geld wird durch alle Reihen nach vorne gegeben, und das Wechselgeld wandert wiederum durch alle Reihen zurück.

Jetzt lebe ich in Norwood, einem Suburb (Vorort) von Johannesburg. Hier bin ich nur 10 Minuten vom Stadtzentrum dieser Metropole entfernt, das eigentlich als extrem gefährlich eingestuft wird. Dort herrscht zwar ein spürbar raues Klima, aber ich denke, dass es nicht so gefährlich ist, wenn man weiß, wie man sich verhalten muss.
Das Schulsystem unterscheidet sich sehr von dem in Österreich. Jede Schule hat ihre eigene Schuluniform, und es gibt hier eine strenge Hierarchie. Die Lehrer stehen hoch über den Schülern. Sogar in der High School werden die Schüler wie kleine Kinder behandelt. Pflichtgegenstände sind Englisch, Mathematik, Afrikaans und Life Orientation. Die übrigen Gegenstände kann man frei wählen. Das Schuljahr ist in Trimester geteilt, und am Ende jedes Trimesters gibt es eine Beurteilung. Schüler brauchen in etwa nur 30 % um positiv zu sein.

Das Fernsehgerät ist für viele Menschen die einzige Freizeitbeschäftigung. Vor allem die ärmere Bevölkerung scheint keine Perspektive zu haben, und sieht es als das geringste Übel an, die gesamte Freizeit vor dem TV-Gerät zu verbringen.

Eine ganz andere Seite von Südafrika lernt man kennen, wenn man den Stadtteil Sandton besucht. Sandton ist das wohlhabendste Viertel von Johannesburg, nur durch eine Brücke von Alexandra, dem Armenviertel, getrennt. In Sandton befindet sich die Sandton City, das größte Einkaufszentrum Südafrikas. Moderne Gebäude und teure Einkaufsstraßen prägen hier das Stadtbild.

Ich hatte auch die Gelegenheit, ein wenig zu reisen. So bin ich mit dem Bus in das 1200 km entfernte Kapstadt im Süden. Ein andermal bin ich in das 600 km entfernte Durban am Indischen Ozean. Beide Städte sind wahrhaftig einen Besuch wert.

Südafrika ist ein Land der Unterschiede und Vielfältigkeit. Allein, dass hier elf offizielle Landessprachen anerkannt sind, zeigt, wie viele Volksgruppen es in diesem Land gibt. Jede Kultur ist einzigartig und es ist einfach toll, etwas davon kennenlernen zu dürfen! Ende August werde ich mein Semester beenden. Ich bin noch gespannt auf einige weitere Erlebnisse, aber auf jeden Fall hat diese Zeit in Südafrika mein Leben sehr bereichert, mehr als ich es mir je hätte vorstellen können.

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