Auszug aus "Wenn die Flut kommt"
Eskalierende Szene am Flughafen/Anfang
Auszug aus „Wenn die Flut kommt“
Juli 1971, Graz, Österreich
Amelie
Diesen Sommer wollte sie es herausfinden. Da war sie sich ganz sicher. Sie kräuselte die Lippen – ein untrügliches Zeichen, dass sie nicht bereit war, nachzugeben oder sich gar auf Diskussionen einzulassen.
Sie schwang den kirschroten Lederkoffer mit dem hübsch gerahmten Kofferanhänger, der ihren Namen und ihre Adresse trug, auf ihr Bett, ließ das goldfarbene Schloss aufschnappen, öffnete ihn und legte ein paar Kleidungsstücke hinein.
Er war ein Weihnachtsgeschenk ihres Vaters, der ein gutes Gespür dafür hatte, was sie sich wünschte und immer exakt ihren Geschmack traf. /…/Dass sie auch ihn brüskierte, stocherte in ihrem Inneren, wie sie im Essen herumstocherte, wenn geröstete Leber auf dem Speiseplan stand und zum Widerwillen der Köchin – ihrer Mutter – den angebratenen Zwiebel herauspiekte, den sie nicht mochte … Wie oft hatte sie damit schon ihren Tellerrand verziert.
Sie zuckte die Schultern, kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum – und konzentrierte sich nichtsdestotrotz voller Entschlossenheit auf ihre Mission. Sie musste ganz einfach… Es spielte keine Rolle, ob ihr Koffer mit Wintersachen oder Sommersachen bestückt wurde, Hauptsache, er wurde voll. /…/
1.Tag
Nach einer wohl durchdachten Strategie hatte sie, für die anderen scheinbar im letzten Moment, einen Rückzieher gemacht und den geplanten Familienurlaub nach Jamaika platzen lassen. Zum Ärger ihrer Eltern war es ihr trotz heftiger Widerstände gelungen, am Flughafen umzukehren.
Die unangenehme Szene lag noch bitter auf ihrer Zunge, als sie den Flughafen Wien Schwechat verließ und in Wien-Südbahnhof in den Zug nach Graz stieg. /…/
Regungslos saß sie da, das monotone Rattern der Räder im Ohr, und befahl ihren Gedanken, sich neu zu orientieren, zu verarbeiten, was sie gerade erlebt hatte. Sie war die Letzte ihrer Familie, die mit dem Einchecken an der Reihe war. Die Bodenhostess am Schalter händigte ihr die Bordkarte aus und sie beobachtete noch, wie das Gepäckband ihren roten Koffer hineinzog und er nach der Klappe durch einen abrupten Ruck umkippte. Mein schöner Lederkoffer, durchfuhr es sie.
Da drehte sie sich zu ihrer Familie um und sagte ins Blitzblaue:
„Ich bleib da.“
Die Augen ihrer Mutter weiteten sich verständnislos:
„Wo da?“
“Ich flieg nicht mit, ich bleib zu Hause."
Ungläubig starrte sie die Tochter an.
„Aber das geht nicht … dein Koffer …“.
Amelie unterdrückte ein Grinsen. /…/
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