Bad Blumau: Einige geschichtliche Zusammenhänge
Wenn wir nichts über unsere unmittelbare Vergangenheit wissen, wie klären wir dann, was wir heute tun wollen?
In der Gleisdorfer Galerie „einraum“ wurde gestern eine Ausstellung mit Arbeiten des verstorbenen Fotografen Michael Begsteiger eröffnet. Begsteiger war eine Institution der Stadt und vor allem als Pressefotograf von einschüchterndem Fleiß. In seinen Glanzzeiten stieß man praktisch täglich auf seine Arbeiten.
Bei dieser Vernissage hatte ich eine kleine Plauderei mit dem Veterinär Karl Bauer und dem Historiker Robert F. Hausmann. Sie waren schon öfter meine Gegenüber in der Erörterung von Fragen zur agrarischen Welt. Hausmann hat als junger Mensch Erntearbeit geleistet, da waren noch Mahder unterwegs, die das Korn mit Sensen schnitten.
Ihnen folgten Leute, welche die Ähren zu Garben rafften, banden, andere stellten sie zu „Manderln“ auf. Hausmann hatte zum Beispiel die Aufgabe gehabt, jene „Bänder“ zu flechten, mit denen die Garben fixiert wurden. Was ich nicht wußte, diese „Manderln“ waren zugleich eine Maßeinheit.
Wenn ein Bauer dem anderen erzählte, wie viele Manderln nun auf seinem Feld stünden, wußte man, was die Ernte ergeben hatte. Das verbindet sich mit dem Bild, welches ich kürzlich von meinemBbesuch bei Karl Kalcher mitgenommen habe.
Kalcher hatte mir so ein „Manderl“ gezeigt und erzählt, daß „Körper“ und „Hut“ sozusagen reglementierte Einheiten waren. Siehe dazu „Was sind Mahder?“ [link]
Im Gespräch kam ich gestern natürlich auf die Bad Blumau-Kontroverse. Ich hab mit Bauer und Hausmann erörtert, wie heute in den anfallenden Debatten Begriffe ganz beliebig verwendet würden, was es schwer mache, zu wissen, worüber man nun rede.
Daß die oststeirische Thermenregion ihre Wurzeln in der Suche nach Erdöl hat, dürfte ja einigermaßen bekannt sein. Das geht auf die Mitte der 1970er-Jahre zurück. „Die haben aber kein Öl gefunden, sondern warmes Wasser“, sagte Hausmann. Das Thermalwasser ist in über tausend Metern Tiefe gelegen.
Anfang der 1980er-Jahre begann man, die Geothermie für ein Fernwärmesystem zu nutzen. Damals entstand auch erstmals ein Glashaus, in dem die Verwendung von Geothermie erprobt wurde. Mitte der 1980er wurde in Waltersdorf eine Heiltherme eröffnet, was einige Jahre später aus dem Ort „Bad Waltersdorf“ werden ließ.
Über das „Thermenland Steiermark“ findet man hier gegenwärtige Details: [link] Die Geschichte des Ganzen ist auf der Website aber nicht dargestellt.
Die Therme Loipersdorf ist zu nennen. In Bad Blumau, so meine Gesprächspartner, bestand erst nur ein Bohrloch aus der gewesenen Ölsuche, welches dann niemand weiter zu nutzen wußte. Daß dort schließlich ein großes Glashaus gebaut werden sollte, scheint heute in den allgemeinen Darstellungen nicht mehr auf.
Das „Rogner-Bad“ wurde schließlich zum Hauptereignis in der Geothermienutzung und in der wirtschaftlichen Aufwärtsbewegung der Gemeinde. Auf Wikipedia klingt das so: „Der dem Tourismus folgende Wohlstand führte zur Renovierung zahlreicher alter Höfe und Gebäude.“
Nun ist das Bad zwar, genau genommen, ein architektonischer Schandfleck in der Landschaft, denn Gestalter Friedensreich Hundertwasser war als Architekt keineswegs ernst zu nehmen und als Künstler eher ein spießiger Konservativer, aber der ökonomische Erfolg des Projektes ist unbestreitbar und die regionale Akzeptanz des Baues ein Faktum.
Wie dem auch sei, wo einst Glashäuser stehen sollten, bewährt sich seit Ende der 1990er-Jahre die Therme. Was einst sehr armes agrarisches Gebiet war, ist heute als touristisches Terrain zu bescheidenem Wohlstand gekommen.
Wohin und womit geht es nun weiter? Das wäre zu debattieren. Vorzugsweise in öffentlichen Diskursen. Ebenda dominiert momentan noch Polemik, aber ich nehme an, daß wir in absehbarer Zeit mit sachlicheren Erörterungen rechnen dürfen.
In wenigstens einem Aspekt ist die Bad Blumau-Kontroverse für die gesamte Oststeiermark interessant und anregend.
Ich habe da bei Hausmann extra nachgefragt, weil er große Kompetenz im Bereich Sozialgeschichte hat. Darf ich das als speziellen Themenzusammenhang betrachten, wie bei uns agrarische Welt, städtisches Leben und Industrielles ineinander gegangen sind? Hausmann nickte.
Wir sollten diesem Teil der Geschichte noch etwas genauer nachgehen.
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