Erzählungen von Zeitzeugen
Weihnachten wie es früher in Gleisdorf war

So sah Weihnachten in den 40er-Jahren aus. | Foto: Polt
  • So sah Weihnachten in den 40er-Jahren aus.
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Das Ende des Zweiten Weltkriegs war zugleich der Anfang einer neuen Zeitepoche, deren Entwicklung man nicht vorhersehen konnte. Infolge dessen bekam auch das Weihnachtsfest nach und nach eine andere und neue Bedeutung. Dieser Artikel dreht sich um die Weihnachtszeit in Gleisdorf nach dem Krieg und basiert auf Erzählungen vom Zeitzeugen und Historiker Siegbert Rosenberger.

Der Zweite Weltkrieg war ein Wendepunkt in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Doch bevor eine Entwicklung unvorhersehbarer Dynamik ihren Lauf nahm, vergingen nach Kriegsende noch einige Jahre - Die „Stunde Null“ hat am 8. Mai 1945 auch die oststeirische Kleinstadt Gleisdorf erreicht.

Weihnachten in der Dekade des Neustarts

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Leute kaum Geld, Rohstoffe waren streng limitiert und einkaufen konnte man nur mit sogenannten „Bezugskarten“. Diese wurden unter der Bevölkerung verteilt, um trotz des Warenmangels für jeden den notwendigen Einkauf gewährleisten zu können. Generell war die damalige Lebensgestaltung im Vergleich zur heutigen zwangsläufig bescheiden und regional - so auch die Weihnachtszeit. Von einem kommerziell geprägten Fest konnte damals im Gegensatz zu heute keine Rede sein, und auch die Umgangsweise in der Öffentlichkeit lässt damit kaum einen Vergleich zu. So gab es in Gleisdorf Ende der 40er Jahre keine Weihnachtsbeleuchtung oder Dekoration, die auf den nahenden Heiligabend hinwies. Die Straßen unterschieden einander nicht von anderen Zeiten im Jahr, geschweige denn gab es keine „Christkindlmärkten“. Die überwiegend besinnliche und ruhige Zeit fand allerdings jährlich am Abend des Krampustags in Gleisdorf eine Unterbrechung. Dutzende Krampusse sorgten für Aufruhr im Stadtzentrum, indem sie lautstark durch die Straßen liefen und mit Passanten auf verschiedene Art und Weise interagierten. Dieses Spektakel fand aber nach wenigen Stunden sein Ende, und es wurde wieder ruhig in den Gassen der oststeirischen Stadt. Auch in der medialen Wahrnehmung nahm das Thema „Weihnachten“ einen wesentlich kleineren Platz ein. Die Zeitungen fokussierten sich, wenn überhaupt, auf den wesentlichen Sinn des Festes. Wirtschaftliche Faktoren und insbesondere Verkaufszahlen wurden in Zeitungen nicht erwähnt. Diese waren damals in Bezug auf Weihnachten viel zu klein und nebensächlich, um von ihnen zu berichten. „Wer nichts hat, der kann auch nichts kaufen“, so Herr Rosenberger. Während selbst Adventkränze und Adventkalender in den Haushalten noch kaum verbreitet waren, wurden schon fleißig Kekse gebacken. Unter anderem kamen diese anschließend neben Lametta, Engelshaar und Glitzerketten auf den Christbaum. Immerhin war der klassische Christbaumschmuck teuer und schwer erhältlich. Ein richtiges Festessen gab es für viele Familien dann erst am Christtag, am Heiligen Abend wurde meist ein Aufschnitt verzehrt. Nach Bescherung und Abendessen machte man sich auf den Weg in die Kirche zur Christmette. Da diese immer erst um Mitternacht stattfand, und es damals noch keine Kindermette gab, nahmen hauptsächlich Erwachsene daran teil.

Weihnachtsgeschäft und Wirtschaftswunder

Das damalige Stadtbild wich bis auf das Zentrum stark vom heutigen ab. Wesentlich weniger Bebauung, weniger Geschäfte und leere Straßen. Ab der Unterzeichnung des Staatsvertrags 1955 änderte sich nach und nach dieser Zustand, zumal man ab diesem Zeitpunkt auch keine Bezugskarten mehr für den Einkauf benötigte. Mit dem darauffolgenden Wirtschaftswunder in den 60er Jahren, mussten die Leute nicht mehr jeden Groschen zweimal umdrehen, bevor sie ihn ausgaben, und kurbelten somit wiederrum als Käufer die Wirtschaft an. In Gleisdorf entstanden ab diesem Zeitpunkt kleine aber wachsende Geschäfte wie „Sport Pilz“ im Gebäude des heutigen „Laurenzi Bräu“, das Konfektionswarengeschäft „Taucher“ an Stelle der heutigen „Zillertaler Trachtenwelt“ – welches anfangs nur als kleines Lebensmittelgeschäft diente – oder der Elektrofachmarkt „Bünte“ in der Franz-Josef-Straße. Das schlug sich auch auf das Weihnachtsgeschäft nieder, aber nicht nur in jenem Aspekt, dass durch die Globalisierung des Weihnachtsfestes der Weihnachtsmann mit dem Schlitten langsam aber sicher das Christkind zu überholen beginnt. Ein plötzliches Angebot von neuen, unbekannten Waren in großem Stil erweckt in den Leuten eine riesige Kauf-Euphorie. Besonders Elektrogeräte für die Küche und Fernseher wurden zu beliebten Weihnachtsgeschenken. Kleidung wurde plötzlich wie andere Produkte gekauft und nicht selbst hergestellt oder angefertigt. Auch Wintersportartikel wie Ski oder Schlitten machten sich zur damaligen Zeit gut unter dem Christbaum. Die Straßen wurden aufgrund von einer stark steigenden Zahl an Autos und Motorrädern – damals auch „Mopperl“ genannt – belebter, und es war jetzt möglich, weiter, spontaner und öfter zu reisen.

Bedeutungsänderung von damals bis heute

Auch im Denken der Menschen bekam das Weihnachtsfest im Zuge des Wirtschaftswunders einen völlig neuen und anderen Stellenwert, welcher zu jenem Weihnachten führte, das wir heute kennen. Eigenschaften wie Besinnlichkeit werden indirekt etwas an den Rand gedrängt, um der Kommerzialisierung Platz zu machen. Im Gesamten generierte diese Entwicklung über die vergangenen Jahrzehnte hinweg mehr Wohlstand in der Gesellschaft, vernebelte aber den Blick auf den ursprünglichen Grundgedanken des Weihnachtsfestes. Es gibt jedoch nach wie vor einige Parallelen von der damaligen zur heutigen Art und Weise, Weihnachten zu feiern - eine davon ist es, den Kindern mit Hilfe von Fantasie Vorfreude erleben zu lassen.

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