Eskalation, Hitler & Haftstrafen
Der Wiener Opernball und seine Demos
Seit 1935 gibt es bereits den Opernball als solchen, seit 1968 wird gegen ihn demonstriert. Auch 2024 erwartet man wieder Protest. Die meisten gingen bis dato friedlich aus, doch es gibt einige brisante Ausnahmen.
WIEN. Sie gehören inzwischen zum Wiener Opernball wie der Walzer, Lugners Stargäste und die Bundespräsidentenloge: Die Opernballdemos. Der altehrwürdige Ball in der Staatsoper wird seit 1935 unter dem heute bekannten Namen veranstaltet, Proteste vor dem Kunsthaus gibt es seit 1968 - mit Unterbrechungen. Die erste Demo in diesem Jahr fand unter dem Zeichen der 68er-Bewegung statt.
Seitdem gab es unzählige Versammlungen gegen den Schaulauf von Schauspielern, Spitzenpolitikern und Promis. Die Meisten dieser Demonstrationen verlaufen friedlich, auch 2024 ist wieder mit Menschen vor der Oper zu rechnen. Doch einige Mal kam es zu brisanten Bildern und Eskalation. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt: Während drinnen getanzt wird, spielt sich draußen oft die Post ab.
Gewalttätige 80er
Die Anfänge der Opernballdemos begannen friedlich. 1968 gab es etwa Sitzblockaden vor dem Staatsgebäude. Einer der ersten großen Proteste fand 1987 statt. Damals zog man wegen des Besuchs des bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß auf den Ring. Man skandierte gegen die geplante Wiederaufbereitungsanlage für atomare Brennstoffe im bayrischen Wackersdorf. Neben den Atomgegnern waren auch die Grünen mit dabei, als man einen mitgebrachten Zaun aus Wackersdorf abtransportierte, kam es zu Krawallen. Die Polizei setzte Schlagstöcke ein, Teile der 500 Demonstranten wehrten sich, es flogen Steine. 40 Festnahmen und eine Vielzahl an Verletzten zählte man.
Ein Jahr später richtete sich der Straßenprotest dann gegen die Veranstaltung in der Oper selbst. Ein Komitee wollte bereits zuvor eine Kundgebung vor dem Haus mit dem Thema "Anti-Opern-Ball" anmelden. Die Polizei untersagte die Veranstaltung, auch aufgrund der Ereignisse vom Vorjahr. Am Nachmittag des 11. Februars 1988, dem Tag des Opernballs damals, spannten Aktivisten eine Kette über den Ring und blockierten so den Verkehr, um gegen die Untersagung aufzubegehren - gebracht hatte das Demoverbot ohnehin nichts. Mehr als 3.000 kamen trotzdem mit Schildern und Co. zur Oper am Abend. Zunächst verlief die Demo noch ruhig, dann fuhr aus ungeklärten Umständen ein Polizeiauto in eine Menschengruppe. Eine Frau blieb verletzt unter dem Fahrzeug liegen.
1989 wurde das Klima zwischen Aktivisten und Polizei noch rauer. Die Demonstrationen vor der Oper waren geprägt von der zuvor gegangenen Räumung eines besetzten Hauses in der Aegidigasse. Das Motto des Abends: "Eat the rich!". Auch in diesem Jahr wurde die Versammlung gewaltsam von der Polizei aufgelöst. Demonstranten kaperten einen Mercedes eines Opernballgastes und schoben ihn mehrere Male in Gitter hinein, hinterer denen sich die Polizei befand. Als Antwort gab es einen Wasserwerfereinsatz, 60 Teilnehmer mussten verletzt ins Krankenhaus. Auch mehrere Beamte wurden verletzt.
Völlige Eskalation durch Rechtsradikale
Es waren wirklich sehr brisante Opernbälle, die Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre stattfanden. Das neue Jahrzehnt sollte mit einer völligen Eskalation rund um die Demo beginnen. Diesmal mischten Hooligans und Rechtsradikale mit, die auf die Demoteilnehmer mit Schlagstöcken, Leuchtraketen und Messern losgingen. Gegen 22 Uhr wollte die Polizei die Opernballdemo auflösen, es kam dadurch zu Kämpfen zwischen Aktivisten und der Exekutive. Sie sollten mehrere Stunden andauern, die Scheiben einer Supermarkt-Filiale wurden eingeschlagen und diese zum Teil geplündert. Neben 30 Verletzten gab es mehrere Festnahmen - teilweise resultierten längere Haftstrafen aus dem Abend.
Das Jahr darauf wurde der Opernball abgesagt, denn der Golfkrieg war ausgebrochen. Trotzdem gab es Versammlungen. Bis zur Jahrtausendwende sollte jedes Jahr eine Demo stattfinden, jedoch waren die Teilnehmerzahlen recht gering.
Schwarz-Blau und Hitler
Nach der Nationalratswahl 1999 wurde die Regierung zwischen ÖVP und FPÖ angelobt. Dies führte zu einer Zuspitzung des politischen Klimas in Österreich, welches sich unter anderem bei den Donnerstagsdemos gegen Schwarz-Blau ausdrückte. Fast schon logisch war es daher, dass die Opernballproteste auch dies zum Ausdruck bringen sollten. Zwischen 12.000 und 15.000 Menschen beteiligten sich - ein Rekord. Aber auch künstlerische Kritik wollte man beim Eingang zur Staatsoper anbringen. Der als Adolf Hitler verkleidete Schauspieler Hubsi Kramar fuhr in einer Limousine vor, stieg aus und betrat das Opernhaus. Erst auf der Treppe zum Zuschauerraum wurde er festgenommen.
Im Jahr 2001 kam es erneut zum Protest. Von den Teilnehmerzahlen erinnerte dieser an die Demos der 1980er Jahre, auch Schlagstöcke wurden wieder gegen die Demonstranten eingesetzt. 40 Verletzte gab es, am nächsten Morgen wurden das Ernst-Krichweger-Haus in Favoriten von der Polizei gestürmt, da man dort Waffen vermutete. Die Proteste in den darauffolgenden Jahren verliefen allesamt relativ ruhig. 2003 und 2004 ging man nicht nur wegen der schwarz-blauen Regierung auf die Straße, sondern auch wegen des Irakkriegs.
Die Demos flachten nach und nach ab. 2010 gab es gar keinen Protest und 2011 wurden rund sechs Aktivisten gezählt, 2016 waren es neun. Erst 2017 und 2018 fanden wieder größere Demonstrationen vor der Staatsoper statt. Sie werden inzwischen von der Kommunistischen Jugend Österreich organisiert. Immerhin: Die Demos feiern nach Corona ihr Comeback, genauso wie der Opernball. 2023 fand dieser erstmals seit der Pandemie wieder statt - über 500 Demonstrierende wurden gezählt.
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