Bildband über die Coronazeit
Wien als Geisterstadt
Die leeren Straßen während des Corona-Lockdowns wurden nun in einem Bildband dokumentiert.
WIEN. "Mit verlassenen Orten haben wir viel Erfahrung. Aber dass unsere Heimatstadt Wien einmal zu einem verlassenen Ort werden könnte, hätten wir uns nie gedacht", sagt Lukas Arnold, der mit Marcello La Speranza das "Forscherteam Wiener Unterwelten" bildet. Gemeinsam haben sie bereits einige Bücher über verlassene Orte herausgebracht, nun auch den Bildband "Wien während des Lockdown".
Dem Fotografen Arnold und dem Historiker La Speranza war sofort klar, "dass hier Geschichte geschrieben wird: All die Plätze und Orte, die sonst von Menschen überlaufen, laut und hektisch sind, waren plötzlich wie ausgestorben. Das wollten wir für die Nachwelt dokumentieren."
Die Wiener blieben zu Hause
Während sich La Speranza um die historischen Hintergründe des gemeinsamen Buchs gekümmert hat, machte sich Arnold mit der Fotoausrüstung von seinem Wohnbezirk Penzing aus auf den Weg durch die Stadt: "Angefangen habe ich in den U-Bahn-Stationen, in denen ich stets der einzige Fahrgast war. Auch die Station Stephansplatz hat wie ein riesiger, verlassener Geisterbahnhof gewirkt. Als ich hinaus ins Freie gegangen bin, hat sich der menschenleere Stephansplatz dann fast surreal angefühlt", erinnert er sich. "Wo normalerweise Hunderte Menschen spazieren und einkaufen - auf der Kärntner Straße, dem Graben, dem Kohlmarkt - überall gespenstische Stille."
Die ungewohnte Leere weckte im Fotografen merkwürdige Gefühle: "Die ganzen Gebäude in der Stadt wirken ganz anders, wenn niemand drinnen ist. Mit meiner Kamera habe ich mich ein bisschen wie ein Tourist in der eigenen Stadt gefühlt. Zeitweise aber auch wie in einem Katastrophenfilm." Anderen Menschen begegnet ist er während seiner Streifzüge kaum: "Die Bewohner haben sich durchwegs an die Ausgangsbeschränkungen gehalten. Aufgefallen sind mir nur die vielen Polizisten in den inneren Bezirken, die mir bei meiner Arbeit interessiert zugeschaut, mich aber nie behindert haben."
Vom Prater bis nach Schönbrunn
Auch im Prater war Arnold unterwegs: "Die bunten Figuren an den Pratergeschäften entwickeln ein fast mystisches Eigenleben, wenn keine Menschen rundherum sind", erzählt Arnold, "da sind mir ein paar eindrucksvolle Aufnahmen gelungen." La Speranza fand indes heraus, dass der Wurstelprater in seiner Geschichte erst ein einziges Mal komplett zugesperrt hatte: vor rund 80 Jahren, im Zweiten Weltkrieg.
Leer und verlassen waren auch die Bundesgärten und der Schönbrunner Schlosspark: "Auch dort schien während des Lockdown die Zeit stehen geblieben zu sein. Schönbrunn ganz ohne Menschen: So muss sich damals der Kaiser gefühlt haben!"
Insgesamt sind es rund 130 Fotos aus Wien, mit denen Fotograf Arnold und Historiker La Speranza das "Corona-Zeitfenster" von 15. März bis 30. April in ihrem Bildband dokumentieren.
Das Buch "Wien während des Lockdown - zwischen Bangen und Hoffen" von Lukas Arnold und Marcello La Speranza ist im Sutton Verlag erschienen. Mehr Infos zum Buch unter www.lukas-arnold-photography.at
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