Gegen das Vergessen
Erika Freeman ist jetzt Ehrenbürgerin von Wien
Eine höchst seltene Auszeichnung wurde am Montag im Rathaus verliehen: Die Zeitzeugin, weltweit bekannte Psychoanalytikerin und gebürtige Wienerin Erika Freeman wurde zur Ehrenbürgerin der Bundeshauptstadt ernannt.
WIEN. Überreicht wurde die Urkunde von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). An der Verleihung in festlichem Rahmen nahmen auch zahlreiche Politikerinnen und Politiker teil. Die Laudatio hielt Bundespräsident a.D. Heinz Fischer. Nach der Zeremonie enthüllte Bürgermeister Ludwig gemeinsam mit Freeman die marmorne Ehrentafel vor dem Stadtsenatssitzungssaal, die nun auch Freemans Namen trägt.
In seiner Ansprache hob Ludwig vor allem Freemans berufliches Schaffen hervor. Als Psychoanalytikerin habe sie vielen Menschen geholfen und das, nachdem sie selbst so viel Leid und Schmerz erfahren habe. Dass Freeman die Traumata ihrer Jugend überwunden habe und weiterhin an das Gute im Menschen glaube, sei eine „beeindruckende Leistung“. Dass die 96-Jährige über reichlich Humor verfügt, bewies sie bei der Entgegennahme ihrer Urkunde samt goldener Anstecknadel „Oh, Schmuck“, rief Freeman aus, woraufhin Ludwig mit einem belustigendem „Der ist echt“ ebenfalls für Schmunzeln sorgte.
Zeitzeugin gegen das Vergessen
Von einer „verdienten Auszeichnung“ sprach Laudator Heinz Fischer, der mit seiner Frau Margit an der Verleihung teilnahm. Er ließ zunächst Freemans Jugend mit all den „Schrecken, die sie als Kind erleiden musste“ Revue passieren. Mit nur 12 Jahren floh die gebürtige Leopoldstädterin alleine vor dem Naziregime in die USA, lebte zunächst bei Verwandten, dann in einem Kinderheim. Ihren totgeglaubten Vater traf sie nur durch Zufall Jahre später in New York wieder. Freemans Mutter gelang die Flucht aus dem Konzentrationslager und überlebte zunächst als U-Boot in Wien. Nur eine Woche vor Kriegsende kam sie beim Bombenanschlag auf den Philipphof im 1. Bezirk ums Leben. Trotz all der Schicksalsschläge sei es Freeman gelungen, nicht an den Geschehnissen zu zerbrechen.
Im Gegenteil: In ihrem Beruf als Psychoanalytikerin und Beraterin, wie etwa der ehemaligen israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir und zahlreicher Hollywood-Schauspieler, habe sie Großes geleistet. Noch mehr sei man Freeman aber zu Dank verpflichtet, dass sie sich vehement gegen das Vergessen einsetzt und im Rahmen des österreichischen Projekts „A Letter To The Stars“ als Zeitzeugin zur Verfügung stellt.
Freeman selbst hielt keine Ansprache. Sie zog es vor, stattdessen mit allen Anwesenden einzeln ins Gespräch zu kommen. Die derzeitigen weltweiten Entwicklungen, aber auch jene in Österreich, bereiten ihr Sorgen, wie sie zugab. Das Wichtigste sei, dass die Menschen sich für den Erhalt der Demokratie einsetzen, wie sie gegenüber MeinBezirk.at sagte. Man dürfe nicht abwarten, sondern müsse sofort reagieren. Die Demonstration vor dem Parlament vor zwei Wochen, an der 80.000 Menschen ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzten, sei ein erster wichtiger Schritt gewesen.
Psychoanalytikerin im Exil
Die Weichen für ihre berufliche Laufbahn stellte Freeman im Exil. Sie studierte Psychologie an der renommierten Columbia University. Sie promovierte 1964 mit einer Dissertation über die Stellung der Familie im Kibbuz und arbeitete zunächst in der Außenstelle der Jewish Agency, wo sie auf zahlreiche Politikerinnen und Politiker traf.
Privat heiratete sie 1954 den Grafiker, Kalligrafen und Bildhauer Paul K. Freeman, der 1980 starb. Danach hebräisierte sie ihren Geburtsnamen Polesiuk in Padan und ist seither als Erika Padan Freeman bekannt. 2022 nahm Freeman wieder die österreichische Staatsbürgerschaft an und ist heute US-amerikanische-österreichische Doppelstaatsbürgerin. 2017 erhielt sie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Mit der Ernennung zur Ehrenbürgerin der Stadt Wien sei Freeman nun „ausdekoriert“, wie Ludwig hinzufügte.
An den Feierlichkeiten nahmen auch die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, Landtagspräsident Ernst Woller, Vorsitzender des Rathausklubs Jo Taucher (alle SPÖ), die grüne Wiener Doppelparteispitze Judith Pühringer und Peter Kraus sowie die ehemalige Leiterin des jüdischen Museums Danielle Spera teil. Auch ihr guter Freund, Kabarettist Dirk Stermann, der jüngst ein Buch über Freemans Leben veröffentlichte und den sie einmal pro Woche zum Frühstücken im Hotel Imperial trifft, war unter den anwesenden Gratulanten.
In Kürze wird noch ein weiterer Name auf der Marmortafel folgen: Auch Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger erhält die Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien, wie im Dezember bekannt wurde.
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