Corona-Krise am Gipfel
Almwirte stehen vor dem Aus: Wie geht 'Social-Distancing' im Matratzenlager?

Ohne Almwirtschaft keine Almen: Doch dank Corona-Maßnahmen stehen Almwirte vor dem Aus. | Foto: Pixabay

620 Schutzhütten gibt es im 'Wanderland' Österreich; Mehrere Tausend Almhütten und Senner. Doch: Ob und wann sie aufsperren dürfen? Ungewiss: Denn die Regierung hat sich dazu noch nicht geäußert. Und ob und wie das Wandern in Corona-Zeiten überhaupt stattfinden kann, auch darüber streiten die Experten. RMA-Redakteurin Anna Richter-Trummer hat beim Alpenverein nachgefragt und erfahren, unter welchen Voraussetzungen 'coronagerechte' Berg- und Klettertouren möglich sein könnten und wie 'Social-Distancing' im hütteneigenen Matratzenlager aussieht.

ÖSTERREICH.  Ohne Wanderer – kein Geschäft. Für viele Hüttenwirte auf Österreichs Alpen ist die Corona-Krise existenzbedrohend. Kordi ist ein von ihnen. Seit mehr als 20 Jahren ist sie Sennerin auf der Sonnschienalm in der Steiermark. Doch ob der Almauftrieb heuer stattfinden kann, ob sie Wanderer überhaupt bewirten darf und ob diese auch nächtigen können? All das ist ungewiss. Fix ist: Fallen die Einnahmen mangels Nächtigungen und Vermietungen flach, sind Umsatzeinbußen vorprogrammiert. Nun hofft man, dass ab 15. Mai – wenn Gastronomie und Hotellerie nach und nach aufsperren – auch wieder die Wanderer bewirtet werden dürfen. Doch kommen diese? Lockerungen für Outdoor-Sport sind aktuell für den ab 1. Mai angedacht.

Coronagerechtes Almwandern, aber wie?

Zahlreiche alpine Vereine in Österreich – darunter auch der Alpenverein und die Naturfreunde – haben die Corona-Maßnahmen der letzten Wochen verantwortungsbewusst mitgetragen. Auf Bergtouren wurde vielerorts verzichtet – die Vereine appellieren, risikoarm unterwegs zu sein. Über die von Sportminister Kogler angekündigten Lockerungen für Outdoor-Sportarten zeigt man sich vorsichtig erfreut: „Dass für unseren Verantwortungsbereich von Seiten des Sportministers Perspektiven geschaffen werden, begrüßen wir sehr. Unsere Mitgliedervereine kommen nun gerne dem Aufruf nach, Rahmenbedingungen und Durchführungsvorschläge zu erarbeiten und an die zuständigen Ministerien zu übermitteln“, erklärt Gerald Dunkel-Schwarzenberger, Präsident des Verbandes alpiner Vereine Österreichs (VAVÖ). „Essentiell für die alpinen Vereine ist nun auch, dass sie möglichst zeitnah ihre Vereinstouren wieder aufnehmen können. Dafür wollen wir gut gerüstet sein – aktuell laufen die gemeinsamen Vorbereitungen auf Hochtouren.“ Die Leitlinien dazu werden laut Alpenvereins-Sprecher Peter Neuner erst nächste Woche präsentiert. Dabei wird dann fixiert: Wieviel Abstand muss man bei Bergtouren halten?  Wie verhalte ich mich beim Klettern mit meinem Partner?

Hüttenwirte wollen nicht Polizei spielen

Aktuell sind die Schutzhütten auf Österreichs Almen noch zu. "Im Westen sperren sie ab Mitte Juni auf, im Osten ab 1. Mai - die müssen aber wohl  noch zwei Wochen warten", sagt Peter Kapelari, Referatsleiter Hütten und Wege at Alpenverein, im Gespräch mit RMA-Redakteurin Anna Richter-Trummer: "Das größte Problem für uns ist, das eine klare Aussage fehlt, was die Hüttenwirte wie und ab wann dürfen. Viele Hütten liegen in sehr hohen Lagen und müssen mit dem Hubschrauber alles raufbringen, da ist das ein logistisches Problem, und dann ist auch wichtig zu wissen, wieviel Personal man braucht und anstellen muss, um gut durch die Saison zu kommen. Die Wirte müssen wissen: Wieviel darf ich belegen? Was  passiert bei einem Verdachtsfall, wenn ein Gast Symptome zeigt, wird dann die ganze Hütte unter Quarantäne gestellt? Muss man dann zusperren?" Im Westen Österreichs sind viele Gäste auch aus Deutschland oder Holland, die fallen jetzt aus, daher sind hohe Umsatzeinbußen zu erwarten. "Im Osten Österreichs sind es eher die Einheimischen, da ist das Gefühl, dass da eher mehr kommen werden", so Kapelari: "Denn Auslandsreisen sind ja im Sommer eher unwahrscheinlich." Er betont die positive Stimmung unter den Wirten: "Wir wollen die Leute bewirten, aber nicht um jeden Preis, die Gesundheit hat oberstes Priorität, und kein Hüttenwirt will Polizei spielen, jeder muss Eigenverantwortung übernehmen."

Mit Maske im Matratzenlager

Mögliche Ideen wurden an das Tourismusministerium abgegeben. "Maßnahmen, dass etwa Personal und Gäste Indoor Masken tragen müssen, dass Desinfektionsmittel auf Toiletten und im Eingangsbereich zur Verfügung gestellt wird, Plexiglas beim Point Of Sales, wie bei den Geschäften, dass man die Tische und die Plätze möglichst weit entfernt aufstellt, sodass der Sicherheitsabstand von zumindest einem Meter gegeben ist", so Kapelari. Und weiter: "In den Matratzenlagern könnte man nur jede zweite oder dritte Matratze bzw. Schlafplatz vergeben, oder nach jeder zweiten Matratze eine Abtrennung machen aus Platten oder einem textilen Stoff, der sicher ist gegen Tröpfcheninfektion. Das Frühstück könnte in verschiedenen Tranchen und Schichten eingenommen werden, um die Leute auch zeitlich zu trennen, ebenso in den Waschräumen." Weitere wichtige Fragen: Wie wird das mit dem Personal? Wie wird das richtig untergebracht? "Kann ich die Scherpas aus Nepal holen, die vielfach auf unseren Schutzhütten arbeiten, oder das Personal aus Osteuropa, Tschechien und Ungarn, dürfen die kommen?", so Kapelari: "Wir gehen davon aus, das mit all dem Social-Distancing die Menschen jetzt vermehrt auf die Berge wollen und viele kommen, vor allem im Sommer, daher sind die Schutzhütten extrem wichtig, weil man will ja verhindern, dass die Besucher kreuz und quer wild kampieren und überall ihre Notdurft verrichten."

‚Draußen sein im Zeichen des Virus‘

„Unsere Experten aus der Bergsportabteilung bereiten sich aktuell intensiv auf das ‚Draußen sein im Zeichen des Virus‘ vor", so Andreas Ermacora, Präsident des Österreichischen Alpenvereins: Gemeinsam mit dem Verband alpiner Vereine Österreichs arbeiten wir an Leitlinien für die ‚coronagerechte‘ Ausübung der verschiedenen Bergsport-Outdoor-Aktivitäten mit Personen, die nicht im selben Haushalt leben.“ Die Ergebnisse werden dann an das Sportministerium weitergeleitet. „Die alpinen Vereine Österreichs haben die Maßnahmen der letzten Wochen mit dem Ziel, die Pandemie einzudämmen, solidarisch mitgetragen", erklärt Andreas Schieder, Vorsitzender der Naturfreunde Österreich: "Die in Aussicht gestellten Lockerungen sind sehr erfreulich, unsere Experten haben bereits begonnen, in Abstimmung mit allen alpinen Vereinen, Richtlinien zu erarbeiten, die das Sporttreiben im Freien und das schrittweise Öffnen von Schutzhütten regeln sollen.“ Wichtig sei weiterhin, die vorgegebenen Schutzmaßnahmen einzuhalten und vernünftig und verantwortungsbewusst zu handeln. Laut Kapelari müsse bei Bergtouren zwei Meter Abstand halten, man dürfe nur in Kleingruppen von maximal sechs Personen mit dem notwenigen Abstand wandern, auch die Anreise sei problematisch, vor allem bei Fahrgemeinschaften, er rät daher zur Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln: "Das ist am sichersten und umweltfreundlichsten." und fügt hinzu: " Grundsätzlich ist eine Ansteckungen im Freien ohnehin fraglich." Beim Klettern, wo der Partnercheck wichtig ist, müssen man diesen nun auch so ausführen, dass man jetzt einen Meter Abstand hält. Kapelari: "Wichtig ist, dass man es bewusst tut, dann ist man sicher."

Trennwände zwischen Matratzen

Aktuell köchelt auf Österreichs Almen nur eines: die Gerüchteküche. Fällt die Sommersaison heuer ganz ins Wasser? Oder darf man ab Juni wieder öffnen? Eigentlich bieten die Almen viel Platz draußen, doch wie kann man die Corona-Maßnahmen in den Hütten garantieren? Hier tüfteln die Hüttenwirte. Wolfgang Peböck, Pächter der Zellerhütte auf 1.575 Höhenmetern im Toten Gebirge hat laut Kurier eine ganz eigenwillige Idee: Er möchte Trennwände zwischen den einzelnen Matratzen aufstellen: "Damit wir Kojen haben.“ Aus den Matratzenlagern werden dann Kojenlager. Getreu dem Sprichwort: "Auf der Alm, da gibt's ka Sünd'".

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