Klares Ja zur Neutralität
Österreicher bezweifeln Verteidigungsfähigkeit
Der Krieg in der Ukraine hat neue Fragen zu Österreichs Sicherheitsstrategie aufgeworfen. Der Großteil der Österreicherinnen und Österreicher schätzt die Verteidigungsfähigkeit des Landes als gering ein. Für eine Aufstockung des Verteidigungsbudgets spricht sich dennoch nur die Hälfte der Bevölkerung aus. Die Neutralität scheint für den Großteil unverhandelbar zu sein. Auch die Wehrpflicht soll beibehalten werden, skeptisch wird aber eine Ausweitung auf Frauen gesehen. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Gallup-Institut.
ÖSTERREICH. Nachdem Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) im Landesverteidigungsbericht betonte, dass mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auch die militärische Bedrohung für Österreich steige, wurde nun eine aktueller Stimmungsbarometer zur heimischen Landesverteidigung erstellt.
Österreich nicht fähig sich zu verteidigen
1.000 Personen wurden hierzu befragt, wie sie die Verteidigungsfähigkeit des Landes einschätzen. Drei Viertel der Befragten zeigten sich hier wenig optimistisch und bezweifeln, dass sich Österreich im Falle eines militärischen Angriffes verteidigen könne. Nur knapp ein Fünftel ist der Ansicht, dass das Land hierfür gerüstet sei.
Trotzdem spricht sich nur die Hälfte der befragten Österreicherinnen und Österreicher für eine Aufstockung des Verteidigungsbudgets aus. Ein Drittel ist sogar klar dagegen. Auffallend ist, dass die Zustimmung in dieser Frage mit dem Alter steigt. So sprechen sich nur 41 Prozent der unter 30-Jährigen für eine Erhöhung des Budgets aus. In der Altersgruppe der 31- bis 50-Jährigen war der Anteil mit 48 Prozent bereits höher. Sogar 54 Prozent der über 50-Jährigen spricht sich für solch einen Schritt aus.
77 Prozent für die Beibehaltung der Neutralität
Klar scheint für die Bevölkerung zu sein, dass Österreich weiterhin neutral bleiben müsse. So wollen 77 Prozent der Befragten die Neutralität beibehalten. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs waren dies noch 78 Prozent, im Mai 2022 hingegen nur noch 71 Prozent. Aktuell würden es nur 17 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer befürworten, wenn sich Österreich der NATO anschließe.
Der Stimmungsbarometer ergab außerdem, dass die Zustimmung zur Neutralität quer durch die Anhängerschaft aller Parteien überwiegt. Während sie bei den Wählern der GRÜNEN (65 Prozent) und der NEOS (59 Prozent) am wenigsten befürwortet wird, sind vor allem die FPÖ-Sympathisantinnen und Sympathisanten Verfechter der Neutralität (89 Prozent).
Ein Viertel für Abschaffung der Wehrpflicht
Während bei der Volksbefragung zur Wehrpflicht im Jahr 2013 noch 40,3 Prozent für die Abschaffung dieser stimmten, sprechen sich heute nur noch 27 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher im aktuellen Stimmungsbarometer für diesen Schritt aus. 65 Prozent wollen die Wehrpflicht hingegen beibehalten.
Auch in dieser Frage sprechen sich ältere Personen deutlich häufiger für die Wehrpflicht aus. Während 72 Prozent der über 50-jährigen das aktuelle System befürworten, sind nur 53 Prozent der unter 30-Jährigen für die Beibehaltung der Wehrpflicht.
Ratlosigkeit in der Bevölkerung
Andrea Fronaschütz, die Leiterin des österreichischen Gallup-Institut, sieht hier eine gewisse Ratlosigkeit hinsichtlich der heimischen Sicherheitsstrategie:
"Die Neutralität wird als unverhandelbar betrachtet, gleichzeitig bestehen Zweifel an der Verteidigungsfähigkeit des Landes. Während über die Beibehaltung der Wehrpflicht weitgehend Konsens besteht, finden sich keine absoluten Mehrheiten für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben."
Frauen strikt gegen Wehrpflicht für beide Geschlechter
Obwohl der freiwillige Grundwehrdienst für Frauen – der seit Anfang April möglich ist – auf breite Zustimmung stößt (84 Prozent), stellt sich die Bevölkerung klar gegen die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht für beide Geschlechter. 62 Prozent sprachen sich dagegen aus und nur 31 Prozent würden diesen Schritt unterstützen.
Während 44 Prozent der befragten Männer angaben, für die Wehrpflicht für Frauen zu sein, stimmten hier nur 19 Prozent der Frauen zu. 75 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen gaben sogar an, "strikt" dagegen zu sein.
Gegner und Befürworter berufen sich auf die Gleichstellung
Der Großteil der Bevölkerung lehnt eine Einführung der Wehrpflicht für Frauen ab. Häufig verweisen die Umfrageteilnehmer darauf, dass Frauen bereits jetzt genug andere Verpflichtungen haben. 42 Prozent der Gegnerinnen und Gegner sind der Ansicht, dass diese "erst eingeführt werden soll, wenn Frauen in allen Bereichen den Männern gleichgestellt sind."
Fronaschütz verweist aber darauf, dass die Gleichstellung der Geschlechter auch für die Befürworter eine Rolle spielt:
"Interessanterweise berufen sich sowohl Befürworter:innen als auch Gegner:innen auf Geschlechtergleichstellung. Die Befürworter:innen argumentieren damit, dass die Ausweitung der Wehrpflicht auf Frauen ein Schritt in Richtung mehr Gleichberechtigung bedeuten würde. Die Gegner:innen sehen darin wiederum eine weitere Verschärfung der Ungleichheit. Der freiwillige Grundwehrdienst kommt den unterschiedlichen Auffassungen von Geschlechtergerechtigkeit anscheinend näher."
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