Weihnachtsgeschichte: Die Bröseltante

Müller M.

Es war einmal ... eine Frau, die hatte das Talent, mit allem, was sie aß, herumzutrödeln. Überall dort, wo sie sich aufhielt, lagen Brösel und auf allen Wegen, die sie ging, hinterließ sie ihre bröseligen Spuren.
Sie hatte Brösel in der Handtasche und im Küchenschrank, hinter den Ohren und unter den Fingernägeln. Wenn sie eine Semmel aß, dann entstand dabei ein Haufen Brösel, und wenn das runde Gebäck schließlich in den bröseligen Mund der Tante gefunden hatte, war es gut, wenn sich ein Handstaubsauger in der Nähe befand. Sie selbst merkte das Bröseln gar nicht mehr und wurde immer schrulliger.
Viele Jahre ging das schon so. Die Tante war nicht gern gesehen bei Familien- festen, denn auch dort hinterließ sie nach jedem Essen riesige Ansammlungen von Bröseln. In den Restaurants der Stadt war sie gefürchtet und in manchen Frühstücksbars hatte sie bereits Lokalverbot. Doch das störte die Tante nicht, sie mochte ihre Brösel und so war es nicht verwunderlich, dass auch die Stadtvögel die alte Dame liebten und ihr auf Schritt und Tritt folgten. Denn überall, wo die Bröseltante auftauchte, gab es auch leckere Brösel für die Vögel abzustauben, und das war für ihre gefiederten Freunde eine große Sache.
Eines schönen Tages kam die Nichte der Bröseltante ganz aufgeregt dahergelaufen. „Tante, Tante, wir brauchen deine Hilfe!“, rief sie verzweifelt! „Ja, aber Kindchen, du bist ja ganz außer Atem, da, trink erst ein- mal einen Schluck, damit du wieder zu Kräften kommst!“
Natürlich befanden sich in dem Eistee, den sie der Nichte anbot, auch eine Menge Brösel. „Nein danke!“, lehnte diese wissend ab und erzählte der Bröseltante von der Katastrophe.
„Das Bröselmonster ist in der Stadt! Es hat schon ein ganzes Kaufhaus zerbröselt und wenn es bis Mitternacht nicht ein kleines Kind, eine Jungfrau und einen Schuldirektor zum Zerbröseln bekommt, dann wird es sich als Nächstes den Mond vornehmen! Und du weißt ja, liebe Bröseltante, wenn der Mond zerbröselt, dann zerbröselt auf Dauer auch die Erde und wir mit ihr!“
Die Tante wusste das nicht. Und war ganz verwirrt vom vielen Geplapper der Nichte! „Ich soll es mit dem Bröselmonster aufnehmen!? Ich bin doch eine alte Frau und habe keine Kraft mehr in meinen Armen, wie soll ich denn ein Monster besiegen!?“
„Ja, aber du kennst dich doch so gut mit Bröseln aus!“ Die Nichte gab nicht auf.
Die Tante war wirklich schon sehr alt, aber gefürchtet hatte sie sich bis jetzt noch nie vor etwas. Es war ihr auch immer egal gewesen, wenn die Leute sie wegen ihrer vielen Brösel schief anschauten oder wenn sich jemand darüber aufregte, wenn sie in einem Lokal wieder einmal einen Bröselberg hinterließ.
Die Bröseltante dachte nach, wie war das denn damals in der Jugend, als sie so leidenschaftlich zu bröseln begann. Ach ja, der Bäckergeselle Florian, in den war sie so verliebt, und immer wenn sie eine Semmel aß, wusste sie, die hat der Florian mit seinen lieben Händen geformt, und dann fing sie vor lauter Begeisterung zu bröseln an. Sie hat den Florian dann auch gehei- ratet und gemeinsam eröffneten sie eine kleine Bäckerei in der Stadt. Die hieß „Die Bröselstube“ und es gab auch Kaffee dort. Natürlich kannte die Tante die tollsten Rezepte für Bröselkuchen und verstand sich bestens auf Bröselknödeln, doch dann verstarb der liebe Mann, er hatte ausgebröselt. Seine Asche wurde mit Bröseln vermischt, und auf seinem Grab im Waldfriedhof liegen immer ein paar frische Brösel, zur Freude der Friedhofsvögel, versteht sich. Die Bäckerei wurde geschlossen, alles, was der alten Tante noch blieb, waren ihre geliebten Brösel.
Eine schöne Geschichte, aber jetzt waren die Brösel am Dach, sprich Feuer am Dach, das Bröselmonster war in der Stadt und drohte den Mond zu zerbröseln. Wie
überaus bröselböse! Das konnte die Bröseltante natürlich nicht zulassen und so ging sie, bewaffnet mit allen Bröseln, die sie in ihrer Wohnung finden konnte, gemeinsam mit der Nichte in die Innenstadt. Menschenleer waren die Straßen dort. Das große Kaufhaus war einfach nicht mehr da, das Bröselmonster hatte es einfach zerbröselt.
„Zeig dich, Bröselmonster!“, rief die mutige Bröseltante.
Und schon schaute das Monster um eine Straßenecke und brüllte die Bröseltante wütend an. Diese schwang wie wild ihren Bröselkorb und machte das Bröselmonster damit noch wütender. Wie bei einem Stierkampf lief das Monster jetzt auf die Tante zu, doch diese schwenkte geschickt den Korb voller Brösel, sodass ihn das Monster nicht erwischen konnte.
Die Nichte hatte sich hinter einer Parkbank verschanzt und beobachtete das arge Treiben aus der Ferne. Der Bröseltante war jetzt alles egal, sie setzte ihr Leben aufs Spiel, um es mit dem Bröselmonster aufzunehmen. Das Bröselmonster kam näher und näher, todesmutig stellte sich die Bröseltante dem Ungeheuer in den Weg.
„Da, komm her, hol dir die Brösel, du Monster, du!“
Was hatte die Tante vor, die Nichte zitterte vor Angst und hoffte, dass ihre Bröseltante einen guten Plan hatte.

Plan hatte die Bröseltante wie immer keinen, doch sind spontane Handlungen in Notsituationen manchmal auch sehr hilfreich.
So kam es, dass sich das Bröselmonster vor der Bröseltante aufbaute und seinen Rachen gaaanz weit aufriss und dabei laut brüllte. Die Bröseltante wusste nichts Besseres, als dem Monster alle ihre Brösel in den Rachen zu schmeißen, sodass es einen riesengroßen Hustenanfall bekam und schließlich an den vielen trockenen Bröseln erstickte. Mausetot lag das Bröselmonster nun in der Fußgängerzone und die Bröseltante hüpfte vor Freude auf seinem dicken fetten Bröselbauch herum!
„Das Bröselmonster ist tot! Das Bröselmonster ist tot!“, rief sie fröhlich aus.
Die Nichte kam aus ihrem Versteck und umarmte die Tante vor Freude.
Die ganze Stadt feierte jetzt die wunderbare Bröseltante, durch deren Mut die ganze Welt gerettet worden war! Von nun an brauchte sich niemand mehr vor dem Bröselmonster zu fürchten und auch der Mond war in Sicherheit. Als Anerkennung für ihre große Tat wurde der Bröseltante ein Denkmal errichtet. Ab sofort gab es zu jedem Gericht in der Stadt Brösel serviert und natürlich hatte die Bröseltante nirgends mehr Lokalverbot.
Auch die Bröseltante freute sich über ihren erfolgreichen Kampf mit dem Bröselmonster. „Ach, wenn das mein seliger Florian noch hätte sehen können“, dachte sie und ihr wurde ganz warm ums Herz.
So lebte die Bröseltante fortan glücklich weiter mit ihren vielen Bröseln. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann bröselt sie noch heute!

Information zur Autorin und dem Buch

Nina Stögmüller

Die begeisterte Schreiberin und (Koch-)Buchautorin arbeitet seit 17 Jahren im Pressebereich. 1999 wurde sie leitende Redakteurin im OÖ Landespressedienst. 2005 wechselte sie in die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Oberösterreichischen Landesmuseen und seit Anfang 2008 ist sie Pressesprecherin bei der VKB-Bank. Nina Stögmüller ist stellvertretende Sprecherin des Frauennetzwerkes im OÖ Presseclub und begeisterte Netzwerkerin.

Informationen zum Buch

ISBN: 978-3-7025-0732-9
Umfang: 168 Seiten
Preis: € 22,00

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