Gut zu wissen
Amtsgeheimnis – warum Österreich erst jetzt nachgibt

Österreichische Beamte werden künftig in ihrer Ruhe gestört: Bald müssen sie den Bürgerinnen und Bürgern über bislang "geheimes Wissen" Auskünfte erteilen. | Foto: Flickr, Stefan Mina
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  • Österreichische Beamte werden künftig in ihrer Ruhe gestört: Bald müssen sie den Bürgerinnen und Bürgern über bislang "geheimes Wissen" Auskünfte erteilen.
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In Österreich ist das Amtsgeheimnis seit dem Jahr 1925 in Artikel 20, Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes verankert, es zählt somit zu einem Baustein der politischen Kultur des Landes. Die für 2025 geplante Einführung des Informationsfreiheitsgesetztes bedeutet einen krassen "Paradigmenwechsel" in der österreichischen Polit-Landschaft.

ÖSTERREICH. "Wissen ist Macht", hat der englische Philosoph Francis Bacon gesagt. Wissen wird österreichischen Bürgerinnen und Bürgern jedoch seit Jahrzehnten vorenthalten. Österreich ist Europas letzte Demokratie mit einer umfassenden, in Verfassungsrang stehenden, gesetzlichen Amtsverschwiegenheitspflicht. Im Alltag ist die österreichische Verwaltung somit für Außenstehende kaum einsehbar. Das ermöglicht Politik und Verwaltung ein gemütliches Regieren und begünstigte über Jahrzehnte hinweg Filz, Vetternwirtschaft und "Verhaberung", die zu einigen spektakulären Korruptionsfällen führten. 

So transparent sind Österreichs Städte und Gemeinden

Aber was bedeutet Amtsgeheimnis konkret? Es bedeutet, dass ein bestimmter Personenkreis von Amtsträgern der Schweigepflicht unterliegen. Das gilt auch für Personen, denen bloß für bestimmte Zeit bzw. für bestimmte Fälle ein Amt übertragen wird, wie etwa gerichtlich eingesetzte Übersetzer, Sachverständige.

Karoline Edtstadler verteidigt den Gesetzesentwurf zum Amtsgeheimnis

Bis zu drei Jahre Gefängnis möglich

Die Verletzung des Amtsgeheimnisses kann dienstrechtliche, arbeitsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Beamte bzw. ehemalige Beamte, die das Amtsgeheimnis verletzen, drohen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. In den Jahren 2000 bis 2021 kam es in Österreich zu 49 Verurteilungen wegen Verletzungen des Amtsgeheimnisses.

Im Gesetzestext heißt es konkret:

Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit).

Kaiser Franz Joseph: Die Wurzeln von Österreichs Amtsgeheimnis liegen weit in der Vergangenheit, im Metternich‘schen Polizeistaat des Kaiserreichs.  | Foto: BMobV
  • Kaiser Franz Joseph: Die Wurzeln von Österreichs Amtsgeheimnis liegen weit in der Vergangenheit, im Metternich‘schen Polizeistaat des Kaiserreichs.
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Im Verhaltenskodex des Innenministeriums steht zum Beispiel zum Thema: "Amtsverschwiegenheit":

"Mein Faktenwissen über Amtshandlungen, Amtsinterna und sonstige schutzwürdige Informationen, die mir nur aus dem Amt bekannt sind, belasse ich auch im Amt. Meine Amtsverschwiegenheit gilt auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen, die nicht in die Erfüllung meiner Aufgaben eingebunden sind."

Groteske um Auskunftspflicht

Das Auskunftspflichtgesetz wiederum besagt, dass jeder Mensch alles von den Behörden erfragen kann und binnen acht Wochen Auskunft erhalten muss. Diese müssen allerdings nur dann antworten, wenn die „gesetzliche Verschwiegenheitspflicht“ der Auskunft nicht entgegensteht. In der Praxis ist das bislang fast immer der Fall. Sowohl Auskunftspflicht als auch Verschwiegenheitspflicht stehen in Österreich im Verfassungsrang, letztere hebt erstere praktisch auf. (Ausnahmen bilden Umweltinformationen, welche auf Anfrage mitzuteilen, sowie aktiv von den informationspflichtigen Stellen anzubieten sind. Koordinationsstelle ist das Umweltbundesamt). Das Auskunftspflichtgesetz kann man als „österreichische Lösung“ bezeichnen, unter der man gemeinhin eine Lösung eines Problems versteht, die vermeintlich unterschiedliche Interessen ausgleicht, in Wahrheit aber auf einen "faulen Kompromiss" hinausläuft. 

Was ein Informationsfreiheitsgesetz bedeutet

Das Amtsgeheimnis steht in einem krassen Widerspruch zu der im Artikel 20, Abs. 4 der Bundesverfassung festgeschriebenen Auskunftspflicht für Behörden bei Bürgerinnenanfragen, die im Auskunftspflichtgesetz auf Bundesebene geregelt ist. Ein Informationsfreiheitsgesetz gewährt den Bürgern ein subjektives Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen, doch gibt es hier zahlreiche Ausnahmen. 

In vielen Länder, darunter auf Bundesebene auch in Deutschland, wurden schon vor Jahren Informationsfreiheitsgesetze eingeführt. Bereits seit 2013 wird in Österreich nach einer Bürger-Petition über die Abschaffung des Amtsgeheimnisses aus der Verfassung und die Einführung eines Grundrechts auf Informationszugang sowie den Beschluss eines Informationsfreiheitsgesetzes diskutiert. 

Macht vs. Kontrolle: Vorteile für die Politik, Nachteile für Bürger

In Österreich teilten bisher Bund, Länder und Gemeinden ihr Wissen nicht mit der Bevölkerung. Der Unterschied zwischen Amtsverschwiegenheit und Informationsfreiheit liegt im Wissen über Daten, Zusammenhänge und Vorgänge, und ist damit eine Frage der Macht der Verwaltung bzw. Politik in Bezug auf die allgemeine Bevölkerung und ihre mündigen Entscheidungen. Amtsverschwiegenheit kann man auch mit "Herrschaftswissen" gleichsetzen und richtet sich gegen die Kontrolle durch Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf Verwaltung und Politik, und hemmt damit ihr Recht auf Mitsprache aufgrund von transparenten Informationen. Das Nichtwissen der Bürgerinnen und Bürger macht das Regieren und Verwalten bequem. Informationsvorsprünge der Politik verführen nämlich zu unlauterem Handeln, Stichwort Korruption.

„Grundrecht auf Information“ für 2025 geplant

Am 4. Oktober 2023 gab die türkis-grüne Regierung eine Einigung bekannt. Konkret soll das Amtsgeheimnis ab 2025 fallen dafür ist noch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament nötig. Mit dem neuen Informationsfreiheitsgesetz soll ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Grundrecht auf Zugang zu Information eingeführt werden. Anstelle des Amtsgeheimnisses tritt ein „Grundrecht auf Information“ für jede und jeden, das erforderlichenfalls auch bei Verwaltungsgerichten und dem Verfassungsgerichtshof eingeklagt werden kann.

Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung betrifft die Verwaltungsorgane von Bund und Ländern sowie von allen Gemeinden – samt den mit der Besorgung von Geschäften der Bundesverwaltung und der Landesverwaltung betrauten Organen. Informationen sind auch von nicht hoheitlich tätigen Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes unterliegen, zu erteilen. Dabei darf aber die "Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen" nicht beeinträchtigt werden, heißt es. 

Datenschutz und kleine Gemeinden als Ausnahmen

Zur Auskunftserteilung haben die informationspflichtigen Stellen künftig ab Antragstellung vier Wochen Zeit, wobei diese Frist um vier Wochen verlängert werden kann. Bei der Auskunftserteilung ist jedoch auf Persönlichkeitsrechte, wie das Recht auf Datenschutz, Rücksicht zu nehmen, heißt es von der Regierung. Was das im Konkreten bedeuten wird, ist noch unklar und macht die Sachlage dehnbar und damit komplex.

Informationen von allgemeinem Interesse müssen von staatlichen Organen künftig auch aktiv veröffentlicht werden. Diese sollen auf einer Website (dem zentralen Informationsregister) öffentlich zugänglich gemacht werden. Wieder eine österreichische Lösung: Gemeinden und Gemeindeverbände bis zu einer Grenze von 5.000 Einwohnern und Einwohnerinnen sind von der aktiven Veröffentlichungspflicht ausgenommen. Sie sind zwar zur Auskunft verpflichtet, aber anders als fast alle anderen nicht zur automatischen Veröffentlichung von relevanten Dokumenten.

Verbildlicht: Die blau hinterlegten Gemeinden sind von der proaktiven Informationspflicht ausgenommen. | Foto: RMA
  • Verbildlicht: Die blau hinterlegten Gemeinden sind von der proaktiven Informationspflicht ausgenommen.
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