„Du bist Familie“
Handy-Chats weisen auf Korruption bei ÖBAG-Besetzung hin

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hat laut Handy-Daten Thomas Schmid geschrieben: „Du bist Familie“ | Foto: © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
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Der „Ibiza“-U-Ausschuss ist um eine Facette reicher: Handy-Chats dürften belegen, wie Thomas Schmid im Frühjahr 2019 zum Alleinvorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) wurde. Entsprechende Chat-Auswertungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) liegen mehreren Tageszeitungen vor. Für Schmid und die betroffenen Personen aus der Bundesregierung gilt die Unschuldsvermutung.

ÖSTERREICH. Klarer Fall von Postenschacher? Die Opposition sieht es jedenfalls so. Im türkis-blauen Regierungsprogramm wurde 2017 verankert, dass man die Staatsholding ÖBIB von einer GmbH zu einer Aktiengesellschaft umstrukturieren wolle. Die Staatsholding war zu diesem Zeitpunkt Teil des Finanzministeriums. Schmid, der seit 2013 im Finanzministerium als Kabinettschef, dann als Generalsekretär arbeitete, hatte den Auftrag, sich um das Projekt zu kümmern. Er galt als Teil des "engeren Umfelds" von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Der Verdacht: Kanzler und Finanzminister wollten Schmid zum ÖBAG-Chef machen – ohne die Mitbewerber einer offiziellen Ausschreibung zu berücksichtigen.

Nachdem Schmids Handy Ende 2019 beschlagnahmt worden war, hat eine Wirtschaftsexpertin der WKStA die darauf befindlichen Daten aus schriftlichen Unterhaltungen mit fast 80 Personen ausgewertet. Auch Schmids Kalender wurde analysiert. Wie nahe Schmid der Regierungsriege stand, beweisen einige Daten: „Du bist Familie“, schrieb ihm etwa Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) einmal, wird aus den Handy-Daten zitiert.

Schmid an Kurz: "Dich zu haben ist so ein Segen!"

Der „Standard“ beschreibt, wie man vom Kanzler abwärts versuchte zu vertuschen, dass Schmid als ÖBAG-Chef ausgemachte Sache gewesen sein soll, noch bevor der Posten ausgeschrieben war: „Als der Kanzler nach Regierungsantritt anbot, mediale Spekulationen, wonach wohl Schmid neuer ÖBAG-Chef werde, abzufedern, geriet Schmid in Hochstimmung":  ‚Dich zu haben ist so ein Segen! Es ist so verdammt cool jetzt im BMF (Finanzministerium; Anm.)!!! Danke Dir total dafür!!‘, schrieb Schmid laut Standard im Februar 2018  dem Bundeskanzler.

ÖBAG-Chef Thomas Schmid aus Tirol diente jahrelang im Finanzministerium. | Foto: ÖBAG

Ebenfalls noch bevor der Posten ausgeschrieben wurde, habe es einen Glückwunsch aus dem Außenministerium gegeben. Schmid soll geantwortet haben: „… Danke Dir! Werde aber noch eine zeitlang erhalten bleiben. Den ÖBAG Job schreiben wir ja erst im Jänner aus :-))“ Und als es Unstimmigkeiten im Finanzministerium gegeben habe, habe Schmid an seine Assistentin geschrieben: „Das ist nicht mehr mein Problem. Deins auch nicht. Müssen jetzt an uns denken, dort Büro aufbauen usw.“ 

Jobausschreibung an eigene Erfahrungen angepasst?

Laut „Presse“ soll Schmid sogar an der Ausschreibung für seinen Job als ÖBAG-Chef aktiv mitgearbeitet haben. So soll er etwa seine Sekretärin gebeten haben, „internationale Führungserfahrung“ aus dem Entwurf zur offiziellen Jobausschreibung herauszustreichen, weil er keine Erfahrung aufweisen konnte, im Gegensatz zu anderen Mitbewerbern, wie etwa der Chef der deutschen Finanzierungsagentur.

Finanzminister Blümel und die frühere Schmid-Mitarbeiterin im Finanzministerium Melanie L. sind in der Woche nach Ostern in den U-Ausschuss geladen. Kurz und Schmid werden ebenfalls noch einmal unter Wahrheitspflicht im U-Ausschuss aussagen müssen. SPÖ und NEOS haben vergangen Freitag den Ausschuss bis zum 15. Juli verlängert. 

NEOS zu den ÖBAG-Chats: Österreich zu einer dubiosen „Kurz AG“ verkommen

Die Opposition schäumt ob der bekannt gewordenen Chats rund um die ÖBAG-Besetzung: „Einen eindeutigeren Beleg für das korrupte System Kurz gibt es nicht“, sagt NEOS-Generalsekretär Nick Donig. „Seine Bestellung zum Alleinherrscher über die wertvollen Staatsbeteiligungen war von Anfang an ausgepackelt. Und zwar mit der allerhöchsten Ebene, nämlich mit Kanzler Kurz und Finanzminister Blümel - denen es nicht um das Wohl des Landes geht, sondern ausschließlich um die eigene Macht und einflussreiche Posten für ihre Freunde und Gönner.“

"Kriegst eh alles, was du willst"

Mit den von der ÖVP so gefürchteten Schmid-Chats sei auch belegt, dass sowohl der Kanzler als auch der Finanzminister im parlamentarischen Untersuchungsausschuss gelogen haben. „Blümels Nachricht ,Schmid AG fertig’ und Kurz’ Versprechen ,Kriegst eh alles, was du willst’ stehen im klaren Widerspruch zu ihren Aussagen unter Wahrheitspflicht, wonach sie weder die Entscheidung, dass Schmid Alleinvorstand wird, getroffen noch auf dessen Bestellung Einfluss genommen hätten“, so Donig. „Schmid wollte Alleinvorstand werden - und Kurz und Blümel haben ihn zum Alleinvorstand gemacht. Das ist Postenschacher in Reinkultur - und wie sich in den nächsten Tagen noch zeigen wird, kein Einzelfall. Ein Finanzminister, der seinem Freund mit Milliarden an Steuergeld eine ,Ich- AG’ zimmert, ist rücktrittsreif. Ein Aufsichtsrat, der jetzt nicht sofort handelt und Schmid endlich absetzt, ebenfalls. Wenn Gernot Blümel das nicht sieht, hat Sebastian Kurz zu handeln. Aber auch ein Kanzler, der seinem Freund zusagt, dass er ,alles bekommt, was er will’, hat jegliche Autorität und jedes Vertrauen verloren. Österreich ist zu einer dubiosen ,Kurz AG’ verkommen. Zeit, dass der Kanzler Verantwortung übernimmt und Konsequenzen zieht.“

Auch SPÖ fordert Rückritt Blümels

Der SPÖ-Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss, Jan Krainer, fordert in einer Aussendung sofortige Konsequenzen: „Finanzminister Blümel muss Schmid abberufen und dann selbst zurücktreten.“ Zugleich sieht Krainer Kanzler Kurz tief verstrickt in die Affäre Schmid. „Das türkise Kartenhaus bricht zusammen. Postenschacher, Korruption, Anstandslosigkeit, Sexismus – alles, was wir von Anfang an im Ibiza-Untersuchungsausschuss vermuteten und wofür es schon bisher viele Hinweise gab, liegt jetzt Schwarz auf Weiß vor. Kurz war da immer mittendrin. Rücktritte sind überfällig“, sagt Krainer.

FPÖ: "Totale Machtübernahme vorbereitet"

Nach den laut aktuellen Medienberichten neu aufgetauchten Chats zwischen Sebastian Kurz, Gernot Blümel und ÖBAG-Chef Thomas Schmid ist offensichtlich, wie der Bundeskanzler und seine türkisen Freunde die totale Machtübernahme in der Republik minutiös vorbereitet haben. Hier wird ein Sittenbild der türkisen Heuchelei dargestellt, für das sich Kurz, Blümel und seine ganze Truppe schämen sollten“, so der freiheitliche Fraktionsführer im U-Ausschuss, Christian Hafenecker. „Nach den aktuellen Veröffentlichungen werden zahlreiche Rücktritte unumgänglich sein. Ich fordere in einem ersten Schritt die sofortige Abberufung von ÖBAG-Alleinvorstand Schmid. Dieser ist nach seinen Skandalen untragbar und darf die staatliche Beteiligungsholding nicht mehr führen. Aber auch die Rücktritte und Kurz und Blümel werden unumgänglich sein“, betont Hafenecker.

Sind die Rücktrittsaufforderungen an die ÖVP-Spitze gerechtfertigt?

Das ist Thomas Schmid

Bevor Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef ernannt wurde, fungierte der gebürtige Tiroler zwischen 2015 und 2019 als Generalsekretär im Bundesministerium für Finanzen. Zwischen 2004 und 2015 arbeitete er als Kabinettschef bzw. Kabinettsmitglied in den Bundesministerien für Finanzen, europäische und internationale Angelegenheiten und für Bildung. 2007 und 2008 war er zudem als Büroleiter für Klubobmann Wolfgang Schüssel im österreichischen Parlament tätig. Thomas Schmid hat die Studien der Rechtswissenschaft sowie der Politikwissenschaft absolviert und begann seine berufliche Laufbahn in einer Wirtschaftskanzlei.

Thomas Schmid bekleidet eine Reihe von Aufsichtsratsmandaten, u.a. bei der Verbund AG (Vorsitz), der OMV AG, der Bundesimmobiliengesellschaft (Vorsitz) sowie der Telekom Austria AG und ist Mitglied der Industriellenvereinigung Wien. 

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