Henrike Brandstötter, Neos
"Haushaltsabgabe oder Mediensteuer statt ORF-Gebühren"

Im Gespräch mit den Regionalmedien Austria (RMA) übt Henrike Brandstötter von den Neos scharfe Kritik am PR-Volumen der Regierung. Und sie erklärt, wie die Neos sich die Struktur des ORF vorstellen. | Foto: Markus Spitzauer
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  • Im Gespräch mit den Regionalmedien Austria (RMA) übt Henrike Brandstötter von den Neos scharfe Kritik am PR-Volumen der Regierung. Und sie erklärt, wie die Neos sich die Struktur des ORF vorstellen.
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Neos-Abgeordnete und Mediensprecherin der Neos, Henrike Brandstötter (45), über journalistische Freiheit in Österreich, Einflussnahme auf die Medien und die Idee einer Haushaltsabgabe statt der GIS-Gebühr für den ORF.

ÖSTERREICH. Im August wird für den Österreichischen Rundfunk (ORF) ein neuer Generaldirektor gewählt. Diese Wahl hat eine große Bedeutung für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Senders und für die Medienzukunft Österreichs. Im Gespräch mit den Regionalmedien Austria (RMA) übt Brandstötter von den Neos scharfe Kritik am PR-Volumen der Regierung. Und sie erklärt, wie die Neos sich die Struktur des ORF vorstellen.

RMA:  Journalisten müssen sich bei Corona-Demos fürchten, die Chat-Protokolle rund um die ÖBAG-Affäre lassen tief blicken: Wie steht es um die journalistische Freiheit in Österreich?
Henrike Brandstötter: In Österreich gibt es nur eine geringe Presse- und Medienförderung, aber ein extrem hohes Inseratenvolumen, mit dem die Regierung arbeitet. Wenn Journalistinnen und Journalisten regelmäßig Anrufe aus dem Bundeskanzleramt kriegen und hören, sie würden nicht sauber arbeiten, wenn bei  Pressekonferenzen Fragen nicht zugelassen werden, oder der Sinn der Konferenzen nicht klar erkennbar ist, dann macht das nicht nur etwas mit den Medien, sondern auch mit den Leserinnen und Lesern. Diese verlieren dann zunehmend ihr Vertrauen in die Medien und weichen auf alternative Nachrichtenquellen aus und vertrauen eher Facebookmeldungen und Fakenews, als Journalistinnen und Journalisten, die nach Qualitätsstandards arbeiten. Das halte ich für einen gefährlichen Trend.

Hat sich die Medienkontrolle durch eine perfektere PR-Maschinerie in der Politik verstärkt? 
Grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass man Werbung für seine Politik macht. Es geht um die Art und Weise, wie das geschieht. Ich orte eine Renaissance von Parteizeitungen, und finde es problematisch, wenn in Parteiblogs Propaganda verbreitet wird und so getan wird, als sei man ein Medium, bei dem journalistische Standards eingehalten werden, was aber dann nicht passiert. Da wird den Lesern Sand in die Augen gestreut. Die Regierung hat ein PR-Volumen, das alle Grenzen sprengt: Die Regierung hat zwei Ausschreibungen am Start und will Rahmenverträge für die nächsten vier Jahre um 180 Millionen Euro für Medienleistungen, wie Bannerwerbungen, Inserate und Ähnliches vergeben, zudem 30 Millionen Euro für Kreativleistungen ausgeben. Das sind zusammengerechnet 210 Millionen Euro. Das heißt, dass pro Woche in den nächsten vier Jahren eine Million Euro ausgegeben wird. Das bedeutet, dass die Regierung der größte Werbekunde wird, den Österreich je gesehen hat, größer als Supermarktketten oder Möbelhäuser. Das halte ich für gefährlich. Ich will, dass das Inseratenvolumen hinuntergeht und Presseförderung dafür erhöht wird. 


Ist es als Politiker nicht klüger, in österreichische Medien zu investieren, als in ausländische soziale Medien wie Facebook & Co?

Es macht Sinn, zu überlegen, wo man mit geringstem Mitteleinsatz, also Steuergeld, die meisten Menschen erreicht. Aber auf Facebook&Co geht das Geld 1:1 an Konzerne, die in Österreich keine Steuern zahlen. Das ist kritisch zu hinterfragen. Man müsste aber insgesamt mit dem Inseratenvolumen runter gehen und mit Presseförderung hinauf. Das ist gerade für ein kleines Land wie Österreich wichtig, das keine große Medienvielfalt hat.

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Soll die GIS (TV-Gebühr, Anm.) bleiben oder lieber eine einkommensabhängige Mediensteuer eingeführt werden?
Die GIS ist überholt. Es ist nicht einzusehen, warum die GIS ein Inkasso der Bundesländer ist. Sieben von neun Bundesländer behalten sich einen Teil der GIS ein und investieren das Geld für andere Dinge, aber nicht für den ORF. Man sollte sich über neue Finanzierungsmodelle Gedanken machen. Eine Möglichkeit ist eine Haushaltsabgabe, die sozial gestaffelt sein kann, oder eine Mediensteuer. Wichtig ist bei allen Finanzierungsmodellen, dass die einzelnen Bürger nicht mehr bezahlen, als jetzt schon.

Das heißt, keine GIS-Erhöhung?
Genau. Egal, ob Mediensteuer oder Haushaltsabgabe: Eine solche würde auf mehr Menschen aufgeteilt werden, das heißt der Einzelne müsste weniger zahlen. Dass ich keine Medienabgabe zahle, nur weil ich keinen Fernseher habe, ist absurd. die Steuer darf nicht davon abhängen. Es kommt ja auch ein ORF-Player, wo der ORF gemeinsam mit Privaten ihre Inhalte gemeinsam parken und man sie abrufen kann.

Im August wird der ORF-Generalsekretär neu gewählt. Wie soll die Struktur des ORF in Zukunft aussehen?
Uns schwebt unter anderem vor, dass der Stiftungsrat in der jetzigen, parteipolitischen Form aufgelöst wird, und stattdessen ein Gremium, bestehend aus Menschen aus Teilen der Zivilbevölkerung, mitbestimmen dürfen, welche Inhalte ausgespielt werden. Das allerwichtigste ist aber, dass man keinen einzelnen Generaldirektor an der Spitze hat. Man sieht jetzt bei der ÖBAG, was es bedeutet, wenn jemand alleine an der Spitze steht. Das ist problematisch. Einen "Wunderwutzi" in einer Person zu vereinen, der alle Eigenschaften vereint, alle Zukunftsbereiche, Digitalisierung  mitdenkt, journalistische Qualitäten mitbringt, Managementqualitäten hat. Es ist auch bedenklich, wenn die ganze Macht bei einer Person liegt. Deswegen wäre ein Vorstand, bestehend aus drei Personen, vorstellbar. 

Was soll mit der Wiener Zeitung passieren?
Man kann sich berechtigterweise die Frage stellen: Braucht die Republik eine eigene Zeitung? Nein. Braucht es die Wiener Zeitung? Ja, weil die Zeitung ist gut gemacht, und wir brauchen mehr Medienvielfalt. Mein Vorschlag wäre, dass die Wiener Zeitung die nächsten fünf Jahre weiter finanziert wird, allerdings jedes Jahr mit 20 Prozent weniger Budget, und nicht dauerhaft. Vorstellbar wäre auch ein Genossenschaftsmodell nach Vorbild der deutschen taz, die jetzt rund 1.500 Menschen gehört.

Lesen Sie Titel der Regionalmedien Austria, also in Wien die bz bzw. glauben Sie, dass regionale Berichterstattung in Zukunft wichtiger wird?
Ich kriege die bz immer in den Postkasten. Es ist wichtig, dass die Menschen erfahren, was in ihrer Umgebung passiert. Viele wollen ja auch mit gestalten, es gibt immer mehr Bürgerbeteiligung, über die in der Regionalzeitung dann auch berichtet wird.

Bist du für eine Mediensteuer statt GIS-Gebühr, unabhängig, wie das TV-Verhalten ist?

Über die GIS-Gebühren

  • Höhe der GIS-Gebühren:

Die Rundfunk­­gebühren (GIS-Gebühren) betragen pro Monat 20,93 Euro (Vbg./OÖ) bis 26,73 Euro (Stmk.). Je nach Zahlungsweise für zwei, sechs oder zwölf Monate auf der Vorschreibung der Fernsehkonsumenten hochgerechnet. Doch nicht alles von den Gebühren erhält der ORF - konkret sind es nur 55 Cent/Tag. Laut ORF nützen 98 Prozent der Bevölkerung mindestens ein Angebot des ORF pro Woche.

  • Ausnahmen von der Gebührenpflicht

Die Gebührenpflicht besteht nicht, wenn dem Rundfunkteilnehmer eine Befreiung erteilt wurde oder
für den Standort bereits die Gebühren entrichtet werden (also wenn jemand bei jemandem anderen einzieht, wo bereits Gebühren bezahlt werden). Wenn keine Rundfunkempfangsgeräte vorhanden sind. Auch sind Autoradios nicht gebührenpflichtig - Rundfunkempfang außerhalb von Gebäuden ist gebührenfrei. 

  • Verwendungszweck der GIS-Gebühren:

Die Radio- und Fernsehgebühren verwendet der Bund u.a. zur Förderung von Projekten österreichischer Privat-Sender. Der Kulturförderungsbeitrag dient kulturellen Zwecken, der Altstadterhaltung sowie der Förderung neuer Medien. Der Verwendungszweck der Landesabgabe ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Der ORF verwendet das Programmentgelt unter anderem für:
- 4 TV-Kanäle
- 12 Radioprogramme
- ORF.at-Netzwerk
- ORF-TVthek
- Teletext

Mehr Infos zu den GIS-Gebühren gibt es hier

Der ORF-Stiftungsrat

Der Stiftungsrat hat eine Stellung, die mit dem Kollegialorgan Aufsichtsrat in Aktiengesellschaften vergleichbar ist. Dieses Gremium bestellt unter anderem den Generaldirektor und auf dessen Vorschlag Direktoren und Landesdirektoren, genehmigt Budgets und Rechnungsabschlüsse. Viele OR-Rechtsgeschäfte bedürfen seiner Zustimmung. Dem Stiftungsrat gehören 35 Mitglieder an. Die Funktionsperiode dauert vier Jahre. Die fünfte Funktionsperiode des Stiftungsrats hat mit seiner Konstituierung am 17. Mai 2018 begonnen. Die Mitglieder des Stiftungsrats werden nach den Bestimmungen des ORF-Gesetzes wie folgt bestellt:

  • Sechs Mitglieder werden von der Bundesregierung unter Berücksichtigung des Stärkeverhältnisses der politischen Parteien im Nationalrat unter Bedachtnahme auf deren Vorschläge bestellt, wobei jede im Hauptausschuss des Nationalrates vertretene Partei durch mindestens ein Mitglied im Stiftungsrat vertreten sein muss.
  • Je ein Mitglied bestellen die Bundesländer, insgesamt also neun.
  • Neun Mitglieder bestellt die Bundesregierung.
  • Sechs Mitglieder bestellt der Publikumsrat.
  • Fünf Mitglieder werden vom Zentralbetriebsrat bestellt.

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