Orban in Österreich
"Möchte nicht, dass Ungarn zu Einwanderungsland wird"

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban am Donnerstag während eines Empfangs mit militärischen Ehren in Wien anl. eines Besuchs des ungarischen Ministerpräsidenten Orban in Österreich.  | Foto: APA Hochmuth
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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) empfing am Donnerstag den – nicht zuletzt wegen seiner kürzlich getätigten rassistischen Aussagen kritisierten – ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu einem offiziellen Besuch. Schwerpunktthemen des Treffens waren der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Folgen sowie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Kampf gegen die illegale Migration. Auch Orbáns Aussagen zu "Rassenvermischung" und Gaskammern kamen zur Sprache.

ÖSTERREICH. Kanzler Karl Nehammer hat Ungarns Präsidenten Viktor Orbán mit militärischen Ehren empfangen. Nach einem Gespräch mit Orbán traten die beiden Staatschefs vor die Presse. Dabei betonte der österreichische Bundeskanzler die positive Stimmung zwischen den beiden: "Wir sind zuversichtlich, dass wir die Herausforderungen gemeinsam gut bewältigen". 

Kampf gegen illegale Migration – ohne EU

Gemeinsam mit Serbien soll eine Konferenz zum Thema Eindämmung der illegalen Migration geplant werden - eine Initiative von Ungarn, wie Nehammer erklärte. Gemeinsam trete man für die Stärkung der EU-Außengrenzen ein. Vor allem die EU sei gefordert, hier endlich die notwendigen Schritte zu setzen. Zurzeit sei man allerdings auf sich selbst angewiesen und werde daher die Zusammenarbeit in diesem Bereich noch weiter vertiefen, so der Bundeskanzler. Aus diesem Grund werde Österreich gemeinsam mit Ungarn und Serbien die Task Force Schleppereibekämpfung einrichten und die Grenzschutzeinheit in Ungarn zukünftig auch bei der Ausbildung unterstützen. Die enge Kooperation zwischen den beiden Nachbarländern habe sich bereits in der Vergangenheit bewährt: Durch die österreichisch-ungarisch gemischten Streifen konnten allein in diesem Jahr bereits rund 130 Schlepper auf ungarischem Staatsgebiet angehalten werden. Außerdem helfen 50 österreichische Polizisten, die ungarische Außengrenze zu sichern. 

Westbalkan: Orthodoxe Kirche ernst nehmen

Zum Thema orthodoxe Kirche gab Nehammer Orbán recht: Man müsse den Einfluss der orthodoxen Kirche am Westbalkan ernst nehmen, auch wenn er für die Trennung von Kirche und Staat sei, sagte der Kanzler. Wenn die orthodoxe Kirche am Wetbalkan eine Schlüsselrolle spiele, müsse man diese auch anerkennen, damit der Westbalkan die Möglichkeit bekommen. Teil der EU zu werden.

"Stolz auf die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus" 

Orban, der bei seiner Ankunft wegen seiner umstrittenen jüngsten Aussagen ausgebuht wurde, erläuterte, worüber die beiden Staatschefs gesprochen hatten, nämlich über Migration und Sicherheitsfragen, den Krieg, und die wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Auch Rassismus und die Geschichte seien dabei zur Sprache gekommen. Ungarn sei genauso wie Österreichs Staatschef "stolz auf die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus". Die ungarische Regierung verfolge eine "Null-Toleranz-Politik" gegen diese Ideologien. Orbán hatte am Samstag in einer Rede im rumänischen Kurort Baile Tusnad der "Rassenvermischung" eine heftig kritisierte Absage erteilt. Auch mit einem auf die NS-Gaskammern anspielenden Scherz sorgte er für Empörung. "Alles, was mit Verharmlosung zu tun hat, ist für uns inakzeptabel", sagte der österreichische Kanzler dazu.

Orbán bekräftigte jedoch, dass Ungarn – im Gegensatz zu Österreich – gegen Zuwanderung sei: "Ich möchte nicht, dass Ungarn zu einem Einwanderungsland wird", so Orbán. Das sei keine biologische oder rassistische, sondern eine rein politische Frage. Er sei sich bewusst, dass er mit dieser Haltung der einzige Politiker in der EU sei, und sich hier von Österreich. unterscheide. "Wir werden unsere Grenzen schützen", so der Ungar. Österreich profitiere davon, sonst würden in unser Land tausende illegale Einwanderer kommen. Man werde dies auch gegenüber Brüssel rechtfertigen. 

Orban: "Wir sitzen in einem Auto mit vier Platten Reifen"

Zum Krieg in der Ukraine sagte Orbán, dass er glaube, man könne diesen Krieg so nicht gewinnen. Das Konzept, das die Europäische Union derzeit fahre, habe sich als falsch erwiesen. Der ungarische Präsident verglich die Situation mit einem Auto, das auf allen vier Reifen keine Luft hat. Das betreffe nicht nur die Sanktionen gegen Russland, sondern auch den Irrtum, dass etwa die USA davon ausgeht, die ganze Welt stelle sich gegen einen gemeinsamen Feind. "Diese Strategie ist gescheitert", so Orbán. Nun sei Selbstreflexion angesagt. "Wir müssen uns gemeinsam eine neue Strategie ausdenken." Sonst drohen weitere Preissteigerungen und ein Schlittern in die Rezession, verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit und der Gefährdung der wirtschaftlichen und politischen Stabilität. 

Ungarns Staatspräsident Viktor Orban: Antworten auf Sanktionen sind Sanktionen. | Foto: APA

Für Österreich sind Sanktionen einzig probates Mittel

Nehammer sieht das anders: Krieg sei immer das falsche Mittel, um Politik zu machen. Er verteidigte die gegen Russland getätigten Sanktionen, die als einzig friedliche Alternative zum Krieg stehen und mit solcher "Geschwindigkeit und Wucht" erfolgt seien, dass Russland davon überrascht worden sei. Die Wirksamkeit der Sanktionen ließen aufgrund der Größe und Widerstandskraft der russischen Föderation noch auf sich warten, was natürlich Frustration erzeuge, gestand Nehammer ein. Man werde gezielt verstärkt in die russische Wirtschaft eingreifen, das brauche aber Zeit. "Die Sanktionen müssen denjenigen, gegen den sie gerichtet sind mehr treffen, als den, der sie tätigt", so der Bundeskanzler. Daher sei etwa ein Gasembargo nicht möglich. Die Wirtschaft von Österreich und Deutschland hänge zu stark davon ab. eine Folge wäre Massenarbeitslosigkeit. Und man müsse die Maßnahmen auf ihre Effizienz hin evaluieren. 

Nun müsse man der Ukraine weiter signalisieren, dass die EU klar und geschlossen hinter dem Land stehe und man nicht akzeptiere, dass ein Land ein anderes angreift. Aber: "Diskussionen sind Salz in der Demokratie". Wenn 27 Repräsentanten der Staaten miteinander diskutieren, sei das oft nicht einfach. 

Keine Gemeinsamkeit beim Thema Energie

Orbàn betonte, dass Energiepreis-Hilfen an die Bevölkerung in Ungarn kein Thema seien, weil die Menschen in Ungarn gewohnt seien, sich selbst zu helfen. Beim Thema Kernenergie finde man keinen gemeinsamen Nenner, es sei denn, Ungarn dürfe Wasserkraftwerke in Österreich in Betrieb nehmen, weil es im eigenen Land zu wenig Flüsse gebe.

Kritik an der EU

Einigkeit bestand aber zwischen den beiden Poltikern, dass die Europäische Union zu wenig umsetze, und viel leere Worte fielen. Laut Nehammer sei vor einigen Wochen von einer EU-weiten gemeinsamen Plattform die Rede gewesen, über die man gemeinsam Gas einkaufen wollte. Davon sei nicht mehr die Rede, dabei sei eine solche Plattform "jetzt wichtiger denn je", so Nehammer. Dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula van der Leyen Österreich stattdessen dazu verdonnere, Gas für die Gemeinschaft einzuspeichern, dafür fehle ihm das Verständnis.

Österreich investiert in Ungarn

Schließlich bedankte sich Orban bei Österreich für das wirtschaftliche Engagement von rund 2.000 Unternehmen in seinem Land, ohne die die ungarische Wirtschaft nicht so gut funktionieren würde. Man wolle umgekehrt künftig ebenso in Österreich investieren und die Allianz mit Österreich stärken, kündigte der ungarische Staatschef an.

In einer Aussendung des Bundeskanzleramts hieß es vor dem Besuch, die beiden Länder seien „auf allen Ebenen eng miteinander verbunden“, man teile Interessen und kooperiere wirtschaftlich wie politisch. „Österreich und Ungarn arbeiten eng zusammen, um irreguläre Migration zu bekämpfen und vor allem den Schleppern das Handwerk zu legen. Diese bilateralen Kooperationen sind notwendig, weil das europäische Asylsystem nicht mehr funktioniert.“ Auf Twitter schrieb Nehammer zusätzlich: „Ich freue mich darauf, Viktor Orban in Wien zu begrüßen!“ 

„Orban, schleich di“: Aktivistinnen von Omas gegen Rechts und SOS Balkanroute knieten aus Solidarität mit Flüchtlingen am Boden | Foto: Murtaza Elham/SOS Balkanroute
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Kritik an Orban

Kritik am Besuch Orbáns in Österreich gab es vor dem Besuch zur Genüge. Mit Buh-Rufen, Pffifen und einer Theaterperformance protestierten Aktivistinnen und Aktivisten der NGO „SOS Balkanroute“, gemeinsam mit mehreren „Omas gegen Rechts“, gegen den Staatsbesuch des ungarischen Premierministers. Mit der Performance machten sie auf die Polizeibrutalität und Menschenrechtsverletzungen gegenüber Geflüchteten entlang der ungarisch-serbischen Grenze aufmerksam. Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) schrieb in einer Aussendung vor dem Besuch: Orban gefährdet durch Blockaden in der EU in den letzten Jahren regelmäßig den Zusammenhalt, zuletzt bei den Sanktions- und Energiesparpaketen. Außerdem verschiebt er durch menschenverachtende Provokationen den Diskurs immer weiter nach rechts.

SPÖ-Europasprecher und stv. Klubvorsitzender Jörg Leichtfried forderte zum Besuch Orbáns von Bundeskanzler Nehammer ein "Ende des Schweigens" und eine "klare Haltung" gegenüber dem Ministerpräsidenten: „Orbán darf in Wien keinen Kuschelbesuch absolvieren. Der ungarische Ministerpräsident ist schon seit Jahren ein Quertreiber in der Europäischen Union und hat am Wochenende wieder einmal gezeigt, wes Geistes Kind er ist. Antisemitische Äußerungen über Rassenvermischung und Witze über den Holocaust haben im Wertebund der Europäischen Union keinen Platz. Nehammer muss endlich das Schweigen beenden und Stellung beziehen und Orbán bei seinem Besuch zurechtweisen. Der Kanzler trägt hier eine große Verantwortung gegenüber Juden und Jüdinnen, Europa und Österreich. 

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 Gemeinsam trete man für die Stärkung der EU-Außengrenzen ein. Vor allem die EU sei gefordert, hier endlich die notwendigen Schritte zu setzen. Zurzeit, sei man allerdings auf sich selbst angewiesen und werde daher die Zusammenarbeit in diesem Bereich noch weiter vertiefen, so der Bundeskanzler. Aus diesem Grund, wird Österreich gemeinsam mit Ungarn und Serbien die Task Force Schleppereibekämpfung einrichten und die Grenzschutzeinheit in Ungarn zukünftig auch bei der Ausbildung unterstützen. Die enge Kooperation zwischen den beiden Nachbarländern hat sich bereits in der Vergangenheit bewährt: Durch die österreichisch-ungarisch gemischten Streifen konnten allein in diesem Jahr bereits rund 130 Schlepper auf ungarischem Staatsgebiet angehalten werden. Außerdem helfen 50 österreichische Polizisten, die ungarische Außengrenze zu sichern.

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