ORF-Sommergespräch
Nehammer hat "professionelles Verhältnis" zu Babler

ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer war der fünfte und letzter Gast im mittlerweile berühmten Sprechzimmer 23 der ORF-Sommergespräche, | Foto: ORF/BFILM
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Karl Nehammer ist bereits der dritte ÖVP-Kanzler in der aktuellen Legislaturperiode. Seit knapp zwei Jahren steht er an der Spitze der türkis-grünen Koalition. Am Montagabend war er der fünfte und letzte Gast im mittlerweile berühmten Sprechzimmer 23 der ORF-Sommergespräche: Was er in der restlichen Legislaturperiode gemeinsam mit den Grünen noch umsetzen will, weshalb er ein "professionelles Verhältnis" zu SPÖ-Chef Andreas Babler hat, aber FPÖ-Obmann Herbert Kickl als rotes Tuch sieht und wie er die Lage der ÖVP angesichts zahlreicher Korruptionsvorwürfe und Ermittlungen einschätzt:

ÖSTERREICH. Auch das letzte Sommergespräch startete zunächst im Plenarsaal des neu renovierten Parlaments. Bei teils polemisch geführten Debatten zwischen den fünf Fraktionen ist der Umgangston hier oft rau. Dennoch gebe es abseits dessen auch eine gute Gesprächsbasis, wie Nehammer eingangs beteuerte: Etwa zu SPÖ Chef Andreas Babler, den er erst kürzlich getroffen habe und zu dem er ein "professionelles Verhältnis" pflege. "Wir haben beide unsere Aufgaben wahrzunehmen – er als Oppositionsführer und ich als Bundeskanzler." Er kenne Babler außerdem als Bürgermeister von Traiskirchen. "Als Innenminister hatte ich mit ihm viele Herausforderungen zu lösen", weil Covid auch eine große Herausforderung für das dortige Flüchtlingslager gewesen sei. Zu einem anderen Parteichef scheint das Verhältnis hingegen getrübt: FPÖ-Obmann Herbert Kickl habe sich im Verlauf der Jahre selbst radikalisiert und sei daher zum Sicherheitsrisiko geworden, so Nehammer.

4,5 Mrd. Euro für Kinderbetreuung, aber kein Rechtsanspruch

Ortswechsel in das berühmt-berüchtigte Sprechzimmer 23: Dort geht es zunächst um die Kinderbetreuung in Österreich. Die bestehende Versorgungslücke vor allem in der Kleinkinderbetreuung möchte die Bundesregierung mit einer Investition von 4,5 Milliarden Euro bis 2030 schließen, wie der Bundeskanzler ankündigte. Es dürfe nicht an der Frage der Kinderbetreuung scheitern, wenn Frauen arbeiten gehen wollen.

Gleichzeitig sei das aber ein sehr komplexes Thema, so Nehammer mit Verweis auf die unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche von Bund, Ländern und Gemeinden. Der vielfach geforderte Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung scheitere derzeit vor allem an der Infrastruktur sowie an den fehlenden Arbeitskräften. Sind die Voraussetzungen geschaffen, könne man in der Zukunft auch über den Rechtsanspruch sprechen, so der ÖVP-Obmann.

Klimaschutzgesetz muss warten

In Sachen Klimaschutz mahnt Nehammer zu "Redlichkeit in der Beurteilung der Lage in Österreich". Den Klimawandel könne man nur auf globaler Ebene verlangsamen, so der Kanzler. Gefragt nach dem nach wie vor ausständigen Klimaschutzgesetz verweist er auf andere Gesetze und Maßnahmen, die bereits beschlossen wurden und ebenfalls dem Klimaschutz betreffen, etwa den PV-Ausbau oder das Erneuerbare-Wärme-Gesetz.

"Wir brauchen ein Klimaschutzgesetz mit Hausverstand" – "fördern statt verbieten", so Nehammers Leitspruch. Der grüne Regierungspartner sieht das freilich anders und macht sich für ein strengeres Klimaschutzgesetz stark. Ob es in dieser Legislaturperiode noch eine Einigung und entsprechendes Gesetz geben wird, konnte oder wollte Nehammer nicht konkret beantworten. Von einem verfrühten Ende der türkis-grünen Koalition und Neuwahlen wollte der Kanzler jedenfalls nichts wissen. 

Bei Teuerung "Weg der Mitte"

In Sachen Teuerung habe die Regierung den "Weg der Mitte" gewählt. Das heiße "einerseits den Menschen helfen" und andererseits die Kaufkraft zu erhalten, so Nehammer. Gleichzeitig verwies der Kanzler auf die aktuell geringe Arbeitslosigkeit in Österreich. 

Zu etwaigen weiteren Antit-Teuerungsmaßnahmen sagte Nehammer: "Wenn es möglich ist, das sinnvoll zu regeln", will die Regierung auch bei den freien Mieten eingreifen – die blieben beim kürzlich präsentierten Mietpreisdeckel ja noch außen vor. Der Kanzler verwies diesbezüglich jedoch auf eine höhere Komplexität und blieb vage bei etwaigen Lösungsansätzen. 

Was die kommenden Lohnverhandlungen betrifft, habe er hohes Vertrauen in die Sozialpartnerschaft, "dass diese Herausforderung gestemmt wird", so Nehammer. 

"Kriegsverbrecher" Putin 

In Sachen Gasversorgung arbeite man schon seit vergangenem Jahr an einem Plan B, um aus der russischen Abhängigkeit zu kommen. So habe man etwa zum ersten Mal eine strategische Reserve angelegt, in die eine große Menge an nicht-russischem Gas eingespeist wurde. Allerdings sei das Pipelinesystem sehr stark russisch dominiert, rechtfertigt Nehammer, weshalb nach wie vor viel Geld aus Österreich nach Russland fließt.

Eines ist für den Kanzler aber trotzdem klar: Wladimir Putin ist für ihn ein Kriegsverbrecher. "Es gibt einen Haftbefehl vom internationalen Strafgerichtshof. Wir werden alles dafür tun, den Strafgerichtshof bei seinen Ermittlungen zu unterstützen", so der ÖVP-Chef. Österreich sei zwar militärisch neutral, "aber nicht, wenn es darum geht, Haltung zu zeigen".

Keine Koalition mit "Sicherheitsrisiko" Kickl

Herbert Kickl habe durch seine Maßnahmen als Innenminister den Verfassungsschutz total zerstört und verunsichert, erklärte der Kanzler sein Verhältnis zum FPÖ-Chef. Auch in Zeiten der Corona-Pandemie habe Kickl nicht an die Sicherheit der Menschen gedacht, stattdessen habe er Ängste und Nöte ausgenutzt und verstärkt. Zudem komme die Nähe zu Russland bzw. zum russischen Narrativ. All das mache die Kickl-FPÖ laut Nehammer zu einem Sicherheitsrisiko.

Dass in anderen Bundesländern mit der FPÖ koaliert wird, sei etwas anderes, aber "die Menschen können sich verlassen: Es wird mit Karl Nehammer als Bundeskanzler keine Regierung mit Herbert Kickl geben – auch nicht als Minister".  

"Glaube an die Unschuld von Kurz"

Die ÖVP steht nach wie vor im Fokus von Korruptionsvorwürfen und -Ermittlungen. Gerade erst wurde Anklage gegen den früheren ÖVP-Chef und Kanzler Sebastian Kurz erhoben. Er sei froh, dass der Prozess jetzt beginnt und glaube an die Unschuld von Sebastian Kurz, betonte Nehammer. Für die ÖVP sei es kein leichtes Jahr gewesen, aber gleichzeitig habe er gesehen, "was diese Partei in der Lage ist, zu ertragen und zu leisten". Eine Vorverurteilung der Beschuldigten und der Volkspartei lehne er ab. 

Transparenz sei ihm jedenfalls wichtig, verweist der Kanzler zum Abschluss des Sommergesprächs auf das Informationsfreiheitsgesetz, dass laut Nehammer noch dieses Jahr beschlossen werden soll.

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