SPÖ-Chefin im ORF
Rendi-Wagner im Sommergespräch: Nicht für Impfzwang

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner mit ORF-Moderatorin Lou Lorenz-Dittlbacher: "Wenn nicht rasch gehandelt wird, laufen wir in den nächsten Jahren auf einen großen Pflegenotstand hin" | Foto: APA Picture Desk, Hans Punz
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  • SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner mit ORF-Moderatorin Lou Lorenz-Dittlbacher: "Wenn nicht rasch gehandelt wird, laufen wir in den nächsten Jahren auf einen großen Pflegenotstand hin"
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Am 30. August um 21.05 Uhr stellte sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in ORF 2 den Fragen von Gastgeberin Lou Lorenz-Dittlbacher. Dabei ging es um ihre Herkunft, die Corona-Pandemie, Arbeitslosigkeit und Zustand sowie die Zukunft der SPÖ.

ÖSTERREICH. Nach den Parteichefs von NEOS und FPÖ war am Montag SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner Gast beim ORF-Sommergespräch. Ort des Geschehens war erneut die sogenannte „Libelle“ am Dach des Leopold Museums im Museumsquartier. Rendi-Wagner kam als Quereinsteigerin in die Politik und ist seit 2018 die erste Frau an der Spitze der SPÖ.

"Ich bin keine, die aus der Hüfte schießt"

Gleich zu Beginn wurde Rendi-Wagner gefragt, ob sie eine Eigenschaft besitze, die sie lieber nicht hätte, antwortet sie, dass sie vielleicht zu direkt sei. Ob es etwas gebe, auf das sie nicht stolz sei? "Ich bin keine, die aus der Hüfte schießt. Wenn ich eine Verantwortung übernommen habe, stehe ich dazu", so die SPÖ-Chefin, die im Gemeindebau in Wien-Favoriten aufgewachsen ist. Sie habe ihre Herkunft nie vergessen, unterstrich sie.

Ist die SPÖ eine Macho-Partei?

Mit diesen Zuschreibungen ("Macho-Partei", Anm.) könne Rendi-Wagner nur wenig anfangen. "Wir als Frauen haben immer noch Benachteiligungen, vor allem beim Karrieremachen", so die SPÖ-Chefin, welche als erste Frau an der Spitze der SPÖ steht. Das sei vielleicht für viele ungewohnt gewesen, mutmaßt sie. 

Stimmen am Parteitag

"Was haben Sie sich dabei gedacht, als sie beim letzten Parteitag so wenig Stimmen erhalten haben"?, wollte Lorenz-Dittlbacher wissen. Sie habe sich natürlich mehr gewünscht, aber es gebe im Leben viel härtere Prüfungen, als darüber nachzudenken, wieviel Stimmen man am Parteitag bekommt. "Wir haben eigentlich eine Tradition, dass wir die wichtigen Dinge im Parteigremium auf Augenhöhe besprechen. Es ist schade, dass das nicht passiert ist", sagte sie im Hinblick darauf, dass es am SPÖ-Parteitag keine öffentliche Kritik aus der Partei gegeben habe. Ob sie sich gedemütigt gefühlt habe? "Ich wusste, dass ich es nicht ändern konnte", sagte Rendi-Wagner. Jetzt gelte es, in den politischen Herbst zu schauen. 

Sie störe der drohende Ärztemangel, so Rendi-Wagner, die dieses Problem etwa mit dem Knittelbacher Bürgermeister besprochen habe. Es müssen mehr Mediziner ausgebildet werden, junge Mediziner bei der Praxisgründung unterstützt und die Primärversorgeungszentren in die Fläche gebracht werden. Auch die Studienplätze müssen verdoppelt werden.

Warnung vor Pflegenotstand

Auf die Frage, ob die SPÖ zu wenig nah an den Menschen sei, sagte Rendi-Wagner, dass es aufgrund der Pandemie notwendig sei, einen stärkeren Schwerpunkt auf Gesundheit zu legen, der Pflegenotstand beseitigt werden, die Wirtschaft wieder anspringen, die Langzeitarbeitslosigkeit beseitigt werden müsse. "Wenn nicht rasch gehandelt wird, laufen wir in den nächsten Jahren auf einen großen Pflegenotstand hin".

Sie glaube nicht, dass sich die Sozialdemokratie neu erfinden müsse. Der Staat dürfe die Menschen nicht ihrem Schicksal überlassen, Stichwort Chancengerechtigkeit: Der Staat müsse den Menschen die Chance geben, etwas aus ihrem Leben zu machen.

Ein-Personen-Unternehmen als neue Zielgruppe

Die Arbeiter von einst würden aber nicht mehr die SPÖ wählen, so Lou Lorenz-Dittlbacher. Es komme aber eine andere Gruppe von Menschen dazu, nämlich die Einpersonen-Unternehmen, meistens Frauen, lenkte Rendi-Wagner ein. "Wir sind übrigens auch eine Volkspartei", erinnerte die SPÖ-Chefin.

500 Euro Umstiegsbonus für Pflegekräfte

Ob sie mit der Forderung nach einem 500 Euro-Umstiegsbonus für Arbeitslose, die in Pflegeausbildung gehen, mehr für Arbeitslose, als für Arbeitende machen wolle, beklagte sie, dass es einfach zu wenig Pflegekräfte in Österreich gebe. Die zu Pflegenden werden immer mehr. Daher sei es logisch, dass man Umschulungsprogramme anbietet, und diesen Menschen auch einen Bildungsbonus anbietet. Auch gebe es eine Forderung nach Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Vor allem Langzeitarbeitslose dürfen nicht in eine Armutsfalle kommen. "Da braucht es gezielte Jobprogramme, wie die Aktion 40.000", sagte Rendi-Wagner. Da gehe es um einen Funken Hoffnung für diese Menschen.

Zumutbarkeit in der Arbeit

In der Hotellerie und Gastronomie fehlen 20.000 Arbeitskräfte. Sie halte nichts davon, dass man Menschen die Zuverdienstmöglichkeit streiche, wie AMS-Chef Johannes Kopf gefordert hatte, sagte Rendi-Wagner. Soll jeder arbeiten gehen, der arbeiten kann? Es gebe ohnehin den Zwang dazu, meinte sie: Man habe ja vom AMS auch die Verpflichtung zu arbeiten, weil sonst die Arbeitslosenverischerung falle. Man müsse sich fragen, ob, wenn ein Bereich Probleme hat, Arbeitskräfte zu rekrutieren, vielleicht die Arbeitsbedingungen nicht mehr passen. Und dann etwa die Löhne erhöht, wie es die Gewerkschaft fordert. "Man darf diesen Menschen nicht die letzte Würde nehmen, die sie noch haben".

Thema Migration: Seit 2015 zu wenig getan

Das Jahr 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Damit meinte Rendi-Wagner, dass man vor sechs Jahren zu spät reagiert habe. Europa habe zu lange weggeschaut, um dieses Elend zu verhindern. "Europa hat dieses Thema unterschätzt", glaubt die SPÖ-Chefin. Die Frage sei aber, warum man seit 2015 nicht dazugelernt habe. Man habe in der Zeit verabsäumt, ein effektives europäisches Asylsystem mit Verfahrenszentren an den Grenzen Europas aufzubauen, oder Frontex aufzustocken. Europa und Österreich mit Sebastian Kurz als Kanzler habe viele Anstrengungen nicht beachtet.

Aufnahme von "einigen hundert" Menschen aus Afghanistan

Europa dürfe nicht wegschauen. Die wichtigste Verpflichtung sei, europäische Staatsbürger aus Afghanistan herauszuholen und besonders bedrohte Gruppen, vor allem Frauen, die sich in den letzten Jahren der EU angeschlossen haben, aufzunehmen, und zwar im Rahmen einer internationalen Hilfsgemeinschaft. "Das sind Frauen, die für uns und unsere westliche Welt gekämpft haben", rief Rendi-Wagner zur Aufnahme von "einigen hundert Menschen" auf. Man müsse auch Gespräche mit den Nachbarländern führen und für Schutzzonen sorgen. "Für diese Linie haben wir uns in der SPÖ bekannt", bekräftigte Rendi-Wagner.

Wie kann man die vierte Corona-Welle eindämmen?

Österreich hätte sich schon vor dem Sommer darauf vorbereiten sollen, die drohende vierte Welle einzudämmen. Diese vierte Welle werde durch die Delta-Variante angeheizt, aber auch durch Rückkehrer aus dem Urlaub. Die Schule werde die Infektionszahlen ebenfalls weiter anheizen. Jetzt müsse man ganz krass gegensteuern: "Wir müssen jetzt mit Hirn testen", also unter den Reiserückkehrern, am besten mit zwei verpflichtenden Tests. Auch an den Schulen müsse regelmäßig getestet werden, zweimal pro Woche sei das Minimum. Drittens müsse die Impfrate massiv gehoben werden, sowie müsse der dritte Stich rasch erfolgen.

Rendi-Wagner ist nicht für einen Impfzwang

"Wir sind weit davon entfernt, über einen weiteren Lockdown zu sprechen", schränkte Rendi-Wagner jedoch ein. "Noch können wir es schaffen. Wir haben jetzt die Möglichkeit. Die größte Variable sind wir selbst. Das bedeutet Impfen". Impfen für Menschen, die in Gesundheitsberufen arbeiten, ja. Für eine Impfpflicht ist die SPÖ-Chefin aber nicht. Man müsse jedoch genauer hinschauen, wo die vulnerablen Gruppen sind. 

Regieren mit Kurz?

"Es geht nicht um die ÖVP als solches, sondern um das 'System Kurz'", so die SPÖ-Chefin, die zusammenfasste, was sie damit meint, etwa das Ignorieren des Verfassungsgerichtshofs, vermutliche Lügen im U-Ausschuss, etc. Es gehe ihr um den Respekt vor der Demokratie. Die Frage sei nicht, mit wem sie regieren wolle, sondern, wie sich die ÖVP weiterentwickle. Ein solches System, wie es die ÖVP jetzt sei, schließe sie aus.

Rendi-Wagner will auch die nächste Spitzenkandidatin für die SPÖ sein, bekräftigte sie am Ende des Sommergesprächs. 

Wie hat sich Rendi-Wagner im ORF-Sommergespräch geschlagen?


Im letzten „Sommergespräch“ 2021 ist am 6. September um 21.05 Uhr in ORF 2 Sebastian Kurz (ÖVP) zu Gast.

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