Gerhard Karner
Wer von Österreich unterstützt wird, soll etwas zurückgeben

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im Gespräch mit MeinBezirk.at über Asylwesen und Sicherheit. | Foto: Martin Baumgartner
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  • Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im Gespräch mit MeinBezirk.at über Asylwesen und Sicherheit.
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Im Gespräch mit MeinBezirk.at nahm Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Stellung zu den Plänen, Asylwerberinnen und -werber in Sachen Eigenständigkeit einzuschränken, die immer noch mangelnd umgesetzte Aufteilung von Geflüchteten auf Bundesländer, sowie die geplanten Sicherheitsmaßnahmen im Bereich Terror und Cyberkriminalität in den Bundesländern.

ÖSTERREICH. Innenminister Karner erklärt seine rigide Asyl- und Grenzschutzpolitik, die er auch innerhalb der Europäischen Union vertritt, und erklärt, wie er gegen Schlepper, Terror und Cyberkriminalität vorgehen will.

MeinBezirk.at: Herr Innenminister, der „Vorarlberg Kodex“, der im ersten Quartal 2024 wirksam wird, sieht unter anderem vor, dass Asylwerbende gemeinnützige Arbeit leisten sollen, ansonsten wird ihnen das Taschengeld auf 20 Euro halbiert bzw. gestrichen. Und sie sollen eine Grundwerte-Schulung und Deutschkurse bekommen. Nun schlug das Thema auch auf Bundesebene auf. Ist das Thema der Beschäftigung von Asylwerberinnen und Asylwerbern im Hinblick auf die Wahlen im kommenden Jahr gewählt?
Gerhard Karner: Ich denke, dass jemand, der von Österreich unterstützt wird, auch etwas zurückgeben soll. Das Innenministerium wurde durch einen einstimmigen Beschluss aller für Flüchtlingsfragen zuständigen Landesräte gebeten, ein entsprechendes Modell zu erarbeiten und rechtlich zu prüfen. Die Ergebnisse habe ich bei der letzten Konferenz mit den Bundesländern präsentiert. Jetzt haben die Länder die Chance, diese Ergebnisse in ihren Bereichen umzusetzen.

Sehen Sie hier nicht Bedenken punkto Menschenrechtskonvention und Asylrecht?
Der Vorschlag wurde umfassend geprüft. Auf Bundesebene gibt es nur noch Sachleistungen. In den Bundesländern werden vorwiegend Geldleistungen gezahlt. Hier haben wird angeregt, ebenfalls auf Sachleistungen umzustellen. 

In den letzten zwei Jahren starben im Burgenland fünf Geflüchete durch die Brutalität der Schlepper, Dutzende wurden verletzt. Im Burgenland gibt es mehr Aufgriffe als in Gesamtösterreich. Was wird gegen Schlepper im Burgenland unternommen?
Die Zahlen waren 2022 über der Grenze der Belastbarkeit, vor allem im Burgenland. Man muss sich vorstellen: 2022 wurden von 112.000 Asylanträgen rund 80.000 in zwei Bezirken gestellt, in Neusiedl und Oberpullendorf. Daher sind wir durch unterschiedlichste Maßnahmen massiv auf die Bremse gestiegen: Grenzpunktkontrollen und Grenzraumkontrollen auf österreichischer und ungarischer Seite, der Einsatz von mehr als 120 Polizistinnen und Polizisten in Serbien, und Nordmazedonien um nur einige Maßnahmen zu nennen. Wir sehen aktuell, dass die Zahl im Jahresvergleich deutlich zurückgeht, obwohl sie immer noch auf hohem Niveau liegt. In den letzten Wochen gab es viele Tage, wo wir im Burgenland null Aufgriffe verzeichneten. Das hat es seit vielen Jahren nicht gegeben. Ich halte das für keinen Grund zum Jubeln, sondern als Auftrag, in dieser Richtung weiter zu arbeiten. Die Festnahme von mehr als 660 Schleppern seit Jahresbeginn 2023 unterstreicht die exzellente Arbeit der Polizei! 

Sie haben eine mögliche Lockerung des österreichischen Schengen-Vetos gegenüber Rumänien und Bulgarien in Aussicht gestellt, was das Aufheben der Grenzen im Flugverkehr betrifft („Air Schengen“). Fordern aber von der EU-Kommission Maßnahmen hinsichtlich EU-Außengrenzschutz, und Grenzkontrollen. Warum jetzt dieser Sinneswandel? Sind Sie draufgekommen, dass von rund 50.000 Asylanträgen in Österreich nur knapp 150 Personen über Flughäfen gekommen sind, gab es aus den USA dazu eine Aufforderung, oder ist es wegen des OMV-Vertrags mit Rumänien?
Faktum ist: Von Jänner bis Oktober hatten wir 53.000 Asylanträge und davon kamen nur knapp über 130 über die Flughäfen. Daher bin ich für die Änderungen bereit. Nur ein funktionierender Außengrenzschutz stellt sicher, dass Schengen funktioniert. Schengen bedeutet Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Union. Wir haben derzeit bei elf Ländern Binnengrenzkontrollen, das betrifft 70 Prozent der Bevölkerung in der EU. Das heißt, es funktioniert derzeit einfach nicht. Klar ist auch: „Air Schengen“ ist an die Erfüllung von Bedingungen geknüpft, wie funktionierender Außengrenzschutz und Übernahme von Asylwerbern aus Afghanistan und Syrien. 

Gibt es positive Signale von der Kommission?
Es gibt Signale.

Die FPÖ warf Ihnen vor, bei der geplanten Krisenverordnung für Notfälle im Rahmen des Asyl- und Migrationspakts "umgefallen" zu sein und einer Zwangsverteilung von Migranten zugestimmt zu haben. Das ist ja für Österreich eine Entlastung, weil dadurch weniger nach Österreich kommen – Österreich ist nach Zypern das zweitgrößte Land für Asylanträge, oder?
Ich habe zugestimmt, weil ich davon überzeugt bin, dass wir bei dem Pakt weiterkommen müssen. Seit Jahren ist hier Stillstand. Wichtig ist Außengrenzschutz, schnelle Verfahren an den Außengrenzen, und die Zusammenarbeit mit sicheren Drittstaaten. Teil der Verhandlung ist auch die sogenannte „Krisenverordnung“. Hier habe ich klar gesagt, ich bin prinzipiell für den Pakt als Gesamtlösung. Nur die Verteilung halte ich für falsch, weil sie nicht funktioniert und Anreize schafft, dass sich Menschen vermehrt auf den Weg nach Europa machen. Positiv daran ist aber, dass durch eine Verteilung Österreich entlastet würde.

Welche der neuen Regelungen bei der Einigung der EU-Innenminister auf den Asyl- und Migrationspakt sind aus Ihrer Sicht für Österreich sonst noch relevant?
Wie gesagt, entscheidend ist das Thema Außengrenzschutz und Verfahren an diesen Grenzen für jene Menschen, die eigentlich keine Chance haben. Künftig muss gewährleistet sein, dass ein Binnenland wie Österreich innerhalb der Europäischen Union nicht die zweitmeisten Asylanträge verzeichnet. Da läuft etwas falsch im System. Der zweite große Punkt ist die sogenannte externe Dimension, das heißt, die Zusammenarbeit mit Ländern außerhalb Europas. Dass auf der anderen Seite des Meeres Verfahren für Rückführungen in diese Länder laufen, und wir sie dabei unterstützen. In Tunesien wurde im Dezember ein Grenzschutz-Ausbildungszentrum eröffnet, das Österreich gemeinsam mit Rumänien, Dänemark und Holland finanziert hat.

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) sieht verpflichtenden Verfahren an der EU-Außengrenze vor. Um wieviel weniger Asylanträge versprechen Sie sich davon in Österreich?

Es ist eine weitere deutliche Reduktion notwendig. Wir sind ein Binnenland, daher müsste die Zahl dramatisch zurückgehen, wenn das System funktioniert. Dafür kämpfe ich. Durch die bereits national getroffenen Maßnahmen konnten wir die Zahl der Asylanträge halbieren. Wir müssen auf ein Niveau kommen, dass wir jenen helfen können, die tatsächlich unsere Hilfe brauchen. Ich denke an Frauen und Kinder aus der Ukraine.

Die Aufteilung der Flüchtlinge in Österreich auf die Bundesländer ist immer noch nicht geglückt. Wien erfüllt über 200 Prozent, NÖ erfüllt ebenfalls darüber, der Westen nicht. Wann wird das passieren? Mit Wien haben Sie sich auf ein neues Asylquartier-Abrechnungssystem geeinigt. Wäre das denkbar für andere Bundesländer?
Es gibt Quoten. Es ist Aufgabe der einzelnen Bundesländer, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Auch aus Loyalität und Solidarität den anderen Bundesländern gegenüber. Das Abrechnungssystem mit Wien ist ein sogenanntes Realkostenmodell. Da geht es um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, 16-17-jährige Burschen, die, wenn ihnen langweilig ist, Dinge im Kopf haben, die teils nicht in Ordnung sind, manchmal sogar kriminell, siehe Halloween-Nacht 2022. Werden sie engmaschig betreut, und bekommen eine Tagesstruktur, inklusive Lernen und Überwachung bzw. Sicherheitsvorkehrungen, dann kann man die Situation verbessern, aber das kostet Geld. Und das kann dann verrechnet werden.

Wäre das auch ein mögliches Muster in anderen Bundesländern?
Bei der letzten Konferenz wurde besprochen, dass es nach diesem Modell in Wien Gespräche zwischen Bund und anderen Bundesländern gibt, wenngleich die Situation in Wien nicht mit anderen Bundesländern zu vergleichen ist. Doch gibt es viele private Quartiergeber. Im städtischen Bereich sind es Organisationen wie Caritas, Volkshilfe oder Diakonie. Da ist es einfacher, die Realkosten zu ermitteln.

Aber wie kann man die Verteilung verbessern?
Im letzten Jahr ist viel gelungen, das möchte ich betonen. Wir haben nach wie vor 42.000 Menschen aus der Ukraine, vor allem Frauen und Kinder, in der Grundversorgung. Das darf man nicht vergessen. Ich weiß, dass sich alle bemühen. 

Die EU-Kommission will mit einem Talentepool und mit einer einfacheren Anerkennung von Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen den Fachkräftemangel in Europa bekämpfen und die Migration in geordnetere Bahnen lenken. Eine neue Online-Plattform soll zwischen Arbeitgebern mit Sitz in der Union mit Profilen von Arbeitssuchenden aus Drittländern ermöglichen. Um Arbeitssuchende schneller in die EU-Arbeitsmärkte zu integrieren, sollten die nationalen Behörden ihre Anerkennungsverfahren vereinfachen und beschleunigen. Auf welchem Weg ist hier Österreich und ab wann kann man mit dieser Plattform rechnen?
Ich hoffe sehr bald! Wir müssen aber zwischen legaler Zuwanderung, wo wir aufgrund des Arbeitskräftemangels eine geregelte Praxis durch die Rot-Weiß-Rot-Karte schaffen, und dem Kampf gegen illegale Zuwanderung unterscheiden. Denn ich will das Geschäft der Schlepper mit aller Vehemenz verhindern.

Und wie weit ist Österreich in der Beschleunigung der Verfahren?
Wir haben die Asylverfahren deutlich beschleunigt und liegen in erster Instanz mittlerweile im Schnitt bei drei Monaten. Und wir haben sogenannte Schnellverfahren innerhalb weniger Tage bei jenen eingeführt, die praktisch keine Chance auf Asyl haben. Diejenigen, die Asylstatus oder einen subsidiären Schutz bekommen, müssen wir durch Integrationsmaßnahmen schnell in den Arbeitsmarkt bringen. Hier gibt es ja verstärkt Maßnahmen.

Das Thema Cybersicherheit ist in Österreich groß. Was wird hier getan, um die Menschen besser zu schützen?
Wir haben im Bereich Cybercrime mit der Kriminaldienstreform bereits erste Akzente gesetzt, und zwar mit 38 Kriminalassistenz-Dienststellen in allen Regionen Österreichs: Dabei bekommen mehrere Bezirke gemeinsam „Ermittlerpools“, die mit unseren Cyber-Spezialisten besetzt werden. Wir haben täglich hunderte Anzeigen von Betrugsdelikten im Netz. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich fünf- bis zehnmal so hoch, weil viele die Delikte nach wie vor nicht melden. Hier müssen wir auch in der Prävention besser werden.

Sie haben im Sommer nach mehr Befugnissen zur Terror-Bekämpfung über Social Media Dienste (WhatsApp, Messenger) gedrängt. Was ist da weitergegangen?
Das ist Teil des Regierungsprogramms. Verfassungsmäßig wäre es möglich, das durchzusetzen. Aber es ist politisch ein schwieriges Unterfangen, nicht nur in der Koalition, sondern auch die FPÖ ist massiv dagegen, dass die Polizei ein Instrument bekommt, das europaweit Standard ist. Wir sind im Bereich Überwachung das einzige Land in Europa, dass dies verbietet. Wenn zwei Terroristen miteinander telefonieren, dürfen wir das Gespräch auf richterliche Anordnung überwachen. Wenn diese aber am Telefon vereinbaren: wir steigen um auf Telegram oder WhatsApp, dann sind wir draußen. Wir wissen nicht einmal, wer mit wem telefoniert, da reden wir noch gar nicht von den Inhalten. Hier sind wir europaweit Schlusslicht und da sind wir in intensiven Gesprächen, das auch für die Sicherheit in Österreich umzusetzen.

Karner will Zugang zu Messengerdiensten

Die Alarmstufe für Terrorbedrohung ist in Österreich nach dem 7.10. erhöht worden. Und der Staatsschutz wird ja jetzt auch in den Bundesländern um- und ausgebaut. Ab 2024 entstehen mit einem Budget von 4,2 Mio. Euro Landesämter für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE). Was konkret ist hier geplant?
In den Bundesländern wollen wir das, was auf Bundesebene mit der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst, DSN, seit zwei Jahren exzellent funktioniert, ausrollen. Die nachrichtendienstliche Komponente wird nur mehr auf Bundesebene durchgeführt. Dafür wird verstärkt in die Prävention investiert. Wir gehen beispielsweise in Schulen, um Jugendliche zu sensibilisieren. Wir wollen Staatsschutz-Sensoren, also speziell geschulte Beamte in den Regionen einsetzen. Und der Cyberbereich wird innerhalb der DSN eine neue Dimension bekommen. Wir werden in den Bundesländern in diesem Bereich in den nächsten Jahren 160 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.

Zum Thema:

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