ÖFB-Chef reicht's
"Verständnis stößt nun absolut an seine Grenzen"

 Das Präsidium des ÖFB hat am Freitag in einem offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober Lockerungen der Corona-Maßnahmen gefordert. Hier am Bild ÖFB-Präsident Leo Windtner.

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  • Das Präsidium des ÖFB hat am Freitag in einem offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober Lockerungen der Corona-Maßnahmen gefordert. Hier am Bild ÖFB-Präsident Leo Windtner.

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Am 26. Februar, erst nächste Woche Freitag, findet der Sportgipfel mit Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler (Die Grünen) und Gesundheitsminister Rudi Anschober (Die Grünen) mit den Vertretern des organisierten Sports statt. Doch schon jetzt platzt dem Präsident des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB) Leo Windtner der Kragen: In einem öffentlichen Brief findet er deutliche Worte in Richtung der Regierung in Sachen Öffnung des Breitensports.

ÖSTERREICH. Derzeit ruht der Amateur-Fußball, selbst Kleingruppen-Trainings mit getesteten Spielern sind verboten! Und: eine konkrete Perspektive für Öffnungsschritte fehlt immer noch. Man sei stets konstruktiv und verständnisvoll geblieben, so Windtner, doch: "Dieses Verständnis stößt nun aber absolut an seine Grenzen." Das Präsidium des ÖFB fordert am Freitag in einem offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober Lockerungen der Corona-Maßnahmen.

Sportausübung im Freien soll möglich sein

"Die ungewisse Situation ist für Vereine, Aktive und die großteils ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionäre, die das Rückgrat unserer Organisationsstruktur bilden, nicht mehr tragbar. Der organisierte Sport ist eine maßgebliche Säule unserer Gesellschaft, trotzdem wird ihm offenbar seitens der Politik nicht der gebührende Stellenwert beigemessen!",so Windtner im Brief.

Maßnahmen übersteigen jene an der Schule

Die ÖFB-Bosse weiter: "Nun stehen wir an einem Punkt, an dem niemand versteht, dass eine Sportausübung im Freien in Kleingruppen mit einem negativen Testergebnis ab sofort nicht möglich sein soll. Diese Maßnahmen übersteigen die geltenden Regelungen an den Schulen bei Weitem." Es brauche Fakten und Perspektiven, so der ÖFB, der bekrittelt, dass der Sport "bei unseren Politikern nicht jenen Stellenwert genießt, den er verdient".

Der offene Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz!
Sehr geehrter Herr Vizekanzler Werner Kogler!
Sehr geehrter Herr Bundesminister Rudolf Anschober!

Als Vertreter des Sports und insbesondere des Fußballs haben wir in den vergangenen Monaten unzählige Gespräche geführt und haben gemeinsam mit Experten eine Vielzahl an Konzepten erarbeitet und unseren Vereinen bereitgestellt. Dazu sind wir auch in ständigem Austausch mit den relevanten Ministerien und Stellen gestanden. Trotz gewaltigen Drucks von der Basis sind wir dabei stets konstruktiv und verständnisvoll geblieben und haben uns darüber hinaus öffentlich sehr defensiv verhalten. Dieses Verständnis stößt nun aber absolut an seine Grenzen.

Seit Wochen vernehmen wir Vertreter des organisierten Sports stets die gleiche Warteformel. Der Sport und seine Mitglieder werden ständig vertröstet und ohne jedwede Perspektive hingehalten, ja oft nicht einmal in einem Nebensatz erwähnt.

Die ungewisse Situation ist für Vereine, Aktive und die großteils ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionäre, die das Rückgrat unserer Organisationsstruktur bilden, nicht mehr tragbar. Der organisierte Sport ist eine maßgebliche Säule unserer Gesellschaft, trotzdem wird ihm offenbar seitens der Politik nicht der gebührende Stellenwert beigemessen!

Wir haben bisher alle Maßnahmen der Bundesregierung unterstützt und gewissenhaft umgesetzt, haben alle Botschaften und Appelle an unsere Mitglieder weitergetragen. Der Sport hat mit dem Fußball an der Spitze den Nachweis erbracht, dass wirksame Hygiene- und Präventionskonzepte erarbeitet und auch konsequent zur Umsetzung gebracht wurden. Sportausübung war und ist kein Treiber der Pandemie, dies ist auch empirisch hinlänglich erwiesen.

Nun stehen wir an einem Punkt, an dem niemand versteht, dass eine Sportausübung im Freien in Kleingruppen mit einem negativen Testergebnis ab sofort nicht möglich sein soll. Diese Maßnahmen übersteigen die geltenden Regelungen an den Schulen bei Weitem.

Die neuen Testgenerationen sind der Schlüssel zum verantwortungsvollen Wiedereinstieg in den Sport. Die sich hier ergebenden Synergien sind auch eine große Chance für die gesamten Gesellschaft. Der Fußball kann eine regelrechte Hebelwirkung und Vorbildwirkung für eine erhöhte Bereitschaft zum Testen auslösen.

Wir erreichen über unsere Vereine auch Gesellschaftsgruppen, die sonst nicht regelmäßig getestet werden würden. Das sind auch genau die Menschen, die im letzten Jahr am meisten belastet waren. Die über geringe finanzielle Mittel, wenig Wohnraum und unzureichende technische Infrastruktur verfügen. Familien, die keinen Garten oder Zweitwohnsitz im Grünen haben. Kinder aus solchen Familien sind massiv benachteiligt. Der soziale und integrative Faktor der Fußballvereine ist gerade hier unverzichtbar, damit Integration nicht nur ein Schlagwort ist, sondern auch gelingen kann.

In einigen Regionen liegt der Rückgang bei Nachwuchssportlern bereits bei bis zu 30 %. Wir warnen mit aller Entschiedenheit davor, dass der Sport eine ganze Generation verliert! Kinder und Jugendliche - aber auch Amateursportler - nach dieser langen Zeit zurück zum Sport und zur Bewegung im Freien zu bringen wird mit jeder Woche schwerer! Das wird langfristig massive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und das Gesundheitssystem haben!

Bereits vor dieser Pandemie waren wir mit der Herausforderung konfrontiert, dass Kinder immer weniger Sport betreiben und Übergewicht eine große Bedrohung wird. Nun kommt auch der psychische Aspekt dazu. Das belegen auch bereits erste Studien.

Auch Prof. Dr. Josef Penninger, einer der bedeutendsten Wissenschaftler unseres Landes, warnt: "Die jetzige Situation birgt die Gefahr von Kollateralschäden für unsere Gesundheit und Psyche. Sport hat fundamentale Auswirkungen auf unser Gehirn, den Körper und das gesamte Wohlbefinden, das bestätigt auch die moderne Wissenschaft."

Wir möchten daher mit allem Nachdruck appellieren, den Sport im Freien unter der Voraussetzung von Testungen für Kinder, Jugendliche und Amateure umgehend zu ermöglichen! Die ersten irreparablen Schäden sind bereits entstanden, weil der Sport offensichtlich bei unseren Politikern nicht jenen Stellenwert genießt, den er verdient.

Wir haben bereits in der Vergangenheit einen engen Dialog mit der Politik gepflegt und stehen selbstverständlich weiterhin als Partner zur Verfügung. Aber jetzt braucht es Fakten und Perspektiven.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Leo Windtner (ÖFB-Präsident)
Mag. Philip Thonhauser (AR-Vorsitzender ÖFBL, ÖFB-Vizepräsident)
Dr. Wolfgang Bartosch (ÖFB-Vizepräsident, Präsident StFV)
Bgm. a.D. Johann Gartner (ÖFB-Vizepräsident, Präsident NÖFV)
Dr. Josef Geisler (ÖFB-Vizepräsident, Präsident TFV)
Dr. Gerhard Götschhofer (Präsident OÖFV)
Dr. Herbert Hübel (Präsident SFV)
Dr. Horst Lumper (Präsident VFV)
KR Gerhard Milletich (Präsident BFV)
Mag. Klaus Mitterdorfer (Präsident KFV)
Robert Sedlacek (Präsident WFV)
Mag. Markus Kraetschmer (Aufsichtsrat ÖFBL)
Mag. Christian Ebenbauer (Vorstandsvorsitzender ÖFBL)

Hygienekonzepte sind erarbeitet

Der ÖFB habe Vorschläge für die Zukunft erarbeitet, und man habe auch in der Vergangenheit bewiesen, dass Hygienekonzepte wirken. Windtner betont auch den positiven Aspekte von Bewegung, nicht nur hinsichtlich der körperlichen Gesundheit, sondern auch anderer Werte wie Integration und Psyche - Eckpfeiler, die in der Pandemie besonders gefährdet sind.

Kinder leiden an depressiven Verstimmungen

Rund ein Viertel der Bevölkerung leidet, laut der jüngsten Studie der Donau-Universität Krems, unter depressiven Verstimmungen aufgrund von Corona. Insbesondere Kinder und Jugendliche leiden zunehmend unter psychischen Problemen. Aufgrund der Einschränkungen brauchen diese dringend mehr Bewegung und Freizeitstruktur. Dies haben zuletzt immer wieder auch zahlreiche Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Kinderpsychologie sowie dem Gesundheitsbereich betont.

"Verlorene Generation"

Kärntens Präsident der Sportunion, Ulrich Zafoschnig: „Wir halten die Forderung aufrecht, dass die Sportanlagen und Bewegungsstätten geöffnet werden. Das ist ganz wichtig für die Kinder und Jugendlichen. Wir werden, wenn die Pandemie schon lange vorbei ist, immer noch die Bewegungsmängel spüren.“

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