Interview mit Herbert Houf
Bürokratische Hürden bremsen die Wirtschaft!

Herbert Houf, Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer im Gespräch mit Maria Jelenko, Chefredakteurin der RegionalMedien Austria | Foto: Stefan Schubert
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Herbert Houf, Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, im Gespräch mit den RegionalMedien Austria über Bürokratieabbau, die Steuerpolitik der Regierung und Probleme in seiner Branche.

ÖSTERREICH. Die Berufsgruppe der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer war in den Corona-Jahren dafür verantwortlich, dass alle staatlichen Hilfsmaßnahmen auch bei den Unternehmen ankamen. Houf verteidigt die Arbeit der extra dafür gegründeten Agentur Cofag, die vom Rechnungshof kritisiert wurde, im Gespräch mit den RegionalMedien Austria.

Der Steuerexperte Herbert Houf spricht sich gegenüber den RegionalMedien Austria klar gegen Steuersenkungen bei Lebensmitteln aus. Übertriebene Lenkungsmaßnahmen am freien Markt könnten einen Schneeballeffekt auslösen. Soziale Abfederung sei wichtig, Mehrwertsteuersätze sollten aber nicht “gießkannenmäßig” verändert, sondern Maßnahmen treffsicher gesetzt werden. Von der geplanten Abschaffung der kalten Progression würden vor allem die mittleren Einkommensbezieher profitieren, da die untersten zwei Drittel aufgrund von Freibeträgen schon jetzt gar keine Steuern zahlen.

Energieautarkes Bauen fördern

Sinnvoll wären für Houf neben der Investitionsprämie weitere innovative Anreize, vor allem im Bereich Gesundheit und Ökologie, etwa Förderungen für den Bau energieautarker Häuser. Und der Experte kritisiert, dass beim Betrieb von geförderten PV-Anlagen "riesige administrative Probleme", auch steuerlicher Natur, bestehen. Insgesamt fordert Houf bürokratische Erleichterungen für Unternehmer und Neugründer, sieht aber auch Handlungsbedarf bei "Bagatellsteuern", oder Sozialversicherungen. In den Bereichen Forschung, Entwicklung und New Technology wären stärkere finanzielle Zuschüsse sinnvoll. Houf, der in seiner Branche trotz der gerade für Junge attraktiven Arbeitsbedingungen (Telearbeit, flexible Zeiten) einen eklatanten Personalmangel ortet, wünscht sich mehr Nachwuchs. 

RegionalMedien Austria: Die Regierung hatte für die Abwicklung der Covid-Hilfen im März 2020 eine Finanzierungsagentur (Cofag) gegründet, über welche 1,3 Millionen Anträge auf Zuschüsse abgewickelt wurden. Der Rechnungshof kritisierte jetzt die Überförderung bei den Hilfen. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Herbert Houf: Man muss drei Ebenen unterscheiden. Das eine ist die Ebene der von der Regierung beschlossenen Förderrichtlinien. Fairerweise muss man dazu sagen, dass Österreich vor einer neuen Situation stand. Das Gebot der Stunde war, schnell und wirksam zu helfen. Die zweite Frage ist die der Abwicklung. Da wären sicher Alternativen möglich gewesen. Drittens geht es um die Frage der Administration durch die Cofag. Das Thema Überförderungen kann man nicht an der Cofag festmachen, diese hat ja nur die Vorgaben vollzogen. Dass die Förderungen nicht immer punktgenau waren, wissen wir schon vor dem RH-Bericht.

Wäre die Cofag Iher Meinung nach überhaupt notwendig gewesen? Hätte man das nicht über das Finanzministerium abwickeln können auch?
Die Beschäftigten in den Finanzämtern waren schon vor der Corona-Pandemie nicht unterbeschäftigt. Sowohl die Cofag, als auch das AMS mussten hunderttausende Anträge abwickeln. Man hätte auch alles über den bewährten verfahrensrechtlichen Rahmen abwickeln können, der einen gewissen Rechtsschutz gewährleistet. Die Abwicklung erfolgte nicht nur in Österreich über eine privatwirtschaftliche Schiene. Aber natürlich hätte die bestehende Finanzbehörde das alles fachlich ebenso zustande gebracht. 

Wie schätzen Sie allgemein die Treffsicherheit der Covid-Hilfsmaßnahmen ein?
Im Nachhinein betrachtet sind die Unternehmen gut durch die Zeit gekommen. Auch die Arbeitnehmer konnten wir absichern und Massenarbeitslosigkeit verhindern. Wichtig war es, das soziale Gleichgewicht zu wahren. Das Ergebnis hat also gepasst. 

Die Regierung will trotz extremer Preisanstiege keinen Preisdeckel für Lebensmittel einführen. Wie stehen Sie zu Steuersenkungen bei Lebensmitteln und Getränken? Würden Sie das empfehlen?

Es geht hier um eine ganz grundsätzliche Frage, nämlich inwieweit der Staat mit Lenkungsmaßnahmen in den freien Markt eingreift. In Europa ist man eher den Weg gegangen, nicht allzu große Lenkungsmaßnahmen einzusetzen, sondern den Markt in gewissem Rahmen funktionieren zu lassen. Das Problem, das ich sehe, ist, dass jeder Eingriff zu einem Schneeballeffekt führt. Ich halte eine Umsatzsteuersenkung und den Preisdeckel nicht für die richtige Maßnahme. Die Preise wurden nicht künstlich gemacht, sondern sie sind das Ergebnis eines marktwirtschaftlichen Prozesses. Bei Lenkungsmaßnahmen sollte man deshalb nicht mit der Gießkanne arbeiten, sondern nur diejenigen unterstützen, die es im Moment brauchen. 

Heißt das, man sollte jene Zielgruppen sehr wohl unterstützen, die es am härtesten trifft?
Eine soziale Abfederung ist wichtig, aber nicht “gießkannenmäßig” irgendwelche Mehrwertsteuersätze verändern, wo dann sowieso immer die Diskussion aufkommt: Kommt es überhaupt bei den Leuten an?

Mit 2023 soll in Österreich die kalte Progression abgeschafft werden, also eine schleichende Steuererhöhung bei steigenden Löhnen. Bedeutet: Zwei Drittel der Entlastungen sollen künftig direkt und automatisch an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zurückgegeben, ein weiteres Drittel soll für andere Entlastungsmaßnahmen eingesetzt werden. Wie sehr profitieren Ihre Meinung nach untere Einkommensbezieher davon?
Die zur Zeit diskutierten Modelle sind noch nicht final. Im Interesse einer sozialen Ausgewogenheit ist es natürlich sinnvoll, dass man untere Einkommensstufen begünstigt. Man muss aber bedenken: Gerade bei Entlastungsmaßnahmen hat das Instrument „Steuer“ seine Grenzen. Denn: Ein großer Teil der österreichischen Bevölkerung zahlen schon jetzt gar keine Steuern, weil ihr Einkommen unter der steuerlichen Mindestgrenze liegt. Deshalb kann man mit Steuerentlastungen für die untersten Einkommen nichts mehr erreichen. Von der Abschaffung der kalten Progression profitieren eher die mittleren Einkommen. 

Was ist mit „andere Entlastungsmaßnahmen“ konkret gemeint?
Da bin ich auch schon gespannt. Wir müssen auf jeden Fall mehr Anreize in der Bevölkerung schaffen, sich ökologisch oder klimafreundlich zu verhalten, wenn wir über das Thema Ökologie sprechen. Oder auch im Bereich Gesundheit. Mit Investitionsförderungen etwa kann man sinnvolle Lenkungseffekte erzielen. Hier kann man sicher auch auf steuerlicher Ebene Anreize schaffen. Die Frage ist auch immer: Sozialleistungen oder Direktzahlungen. 

Das Thema Anreize ist ja ein Kernthema der ökosozialen Steuerreform, mit der Anreize geschaffen werden sollen, um sich umweltfreundlich zu verhalten.
Ja, das macht auch Sinn. Die bisher gesetzten Maßnahmen waren noch überschaubar. Weil wenn ich auf der einen Seite sage, ich mache eine CO2-Bepreisung und auf der anderen Seite darf diese aber keiner spüren, dann ist der Lenkungseffekt eher gering. Die Investitionsprämie hingegen, die letztes Jahr geschaffen wurde, über die Investitionen mit 14 Prozent gefördert wurden, haben einen unheimlichen Investitionsschub ausgelöst. Hier kann man mit einem kleinen steuerlichen Hebel relativ viel bewegen. Das macht Sinn und das wird auch angenommen. Da gäbe es auch andere Möglichkeiten. 

Zum Beispiel?
Zum Beispiel beim Ausbau der Photovoltaik. Wenn ich mir heute eine Solar-Anlage anschaffe, dann gibt es ja schon regionale Förderungen. Aber: Beim Betreiben dieser Anlagen entstehen dann riesige administrative Probleme, steuerliche Themen, regulatorische Themen. Wenn jemand ein energieneutrales Haus baut, könnte er zum Beispiel einen bestimmten Betrag für diese Mehrinvestition bekommen, also einen Zuschuss – sowohl im privaten Bereich, als auch für Vermieter. 

Was halten Sie von der von der Regierung angekündigten Strompreisbremse?
Ich bin kein Energiespezialist, aber die Strompreisbildung funktioniert nach gewissen Regeln, die zu Recht hinterfragt werden müssen. Sie führen dazu, dass auch Strom aus Wasserkraft massiv teurer wird. 

Österreich ist bekannt als Land der Bürokratie. Ein neues Unternehmen zu gründen ist extrem mühsam. Was könnte man da anders machen, wie könnte man das fördern und mehr Anreize schaffen? Wie könnte man den Bürokratieabbau vorantreiben?
Wir haben immer schon Bürokratieabbau in allen Bereichen gefordert, denn gerade im steuerlichen Bereich gibt es viele Themen, die wirtschaftlich zu hinterfragen sind. Von Bagatellsteuern bis zu investiven Verfahren, oder Sozialversicherungen. Was Unternehmensgründungen angeht, gibt es ja schon schrittweise Erleichterungen. Ein Gründer muss am Ende des Tages die Chance haben, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Unternehmensgründungen benötigen Kapital. Bei Innovation, Forschung und Entwicklung, New Technology, könnte man über stärkere finanzielle Zuschüsse Förderungen schaffen. Im Bereich Digitalisierung kämpfen wir als Steuerberater mit unterschiedlichsten digitalen Systemen. Die Kurzarbeitsformulare mit 26 Seiten haben zu einem fürchterlichen Aufschrei geführt, weil alle Daten eigentlich bekannt sind. Hier stellt sich die Frage, ob man solche “chinese walls” zwischen verschiedensten Verwaltungseinrichtungen nicht überdenkt. Es sollte für den Bürger und den Rechtsanwender einfacher werden. Hier könnte man die Bürokratie durchaus abspecken. Die Gewerbeordnung wurde in den letzten Jahren zwar schon sehr stark liberalisiert, im internationalen Vergleich wäre aber noch Luft nach oben. 

Wie sieht es mit Personal in Ihrer Branche aus?
Wir zählen seit Jahren zu den Berufen mit dem größten Nachwuchsproblem. Wir bemühen uns, unsere Berufe bekannter und attraktiver zu machen – etwa durch flexible Arbeitszeiten und standortunabhängiges Arbeiten. Durch die Covid-Pandemie hatten wir mehr Sichtbarkeit – die gesamte Berufsgruppe hat viel geleistet und den heimischen Unternehmen durch die Krise geholfen. Die Arbeit in einer Steuerberatung ist eine abwechslungsreiche, interessante Arbeit. Trotzdem haben wir im Sekretariat, bei Administration, Buchhaltung, Lohnverrechnung, Bilanzierung bis zu den Steuerberatern und Steuerberaterinnen selbst viel zu wenige Arbeitskräfte. Für den Beruf Steuerberater und Wirtschaftsprüfer muss man ein einschlägiges Studium machen, und danach mindestens eine dreijährige Ausbildung. Das sind in der Wirtschaft extrem gesuchte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit guten Verdienstmöglichkeiten. Aber auch für Pflichtschulabgänger gibt es Einstiegsmöglichkeiten zum Beispiel über den Lehrberuf des Steuerassistenten.

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