Café-Besitzerin Nicole Ott im Interview
"Ich bin ja kein Tausendsassa!"

- Nicole Ott gehört das Café Himmelblau im 18. Wiener Gemeindebezirk. 2012 wagte sie den Sprung ins kalte Wasser - mit Erfolg.
- Foto: Roland Ferrigato
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Ihr Café Himmelblau verzaubert seit über zehn Jahren den 18. Wiener Gemeindebezirk- jetzt plauderte Unternehmerin Nicole Ott aus Wien mit MeinBezirk.at im Format "Frauen in der Wirtschaft" über erfüllte Träume, Appelle an Männer oder abgelegte Eitelkeit.
ÖSTERREICH. Sie ist kein Büromensch, sondern fühlt sich bei duftenden Mehlspeisen, lauten Stimmen und vielen Menschen am wohlsten: Nicole Ott gründete 2012 ihr Café Himmelblau, das sie selbst als "Wohnzimmer" bezeichnet und das seitdem den 18. Wiener Gemeindebezirk verschönert. MeinBezirk.at traf die Unternehmerin zum Interview am Kutschkermarkt, wo die dreifache Mutter im Interview den einen oder anderen guten Rat für zukünftige Selbstständige parat hat.
MeinBezirk.at: Wir sitzen hier in deinem Café Himmelblau, einer Institution am Währinger Kutschkermarkt. Welche Geschichte steckt hinter deinem Unternehmen?
Meine Oma in München war Unternehmerin, wir hatten 80 Jahre lang ein Blumengeschäft im Familienbesitz. Das hat mir immer schon gefallen, dass sich die Familie dort getroffen hat und das Geschäft einfach irrsinnig nett war. Ich persönlich habe immer gerne gekocht und gebacken, außerdem waren mein Mann und ich viel im Ausland unterwegs. Ich habe vier Jahre in Italien gelebt, wo meine Liebe zum Essen geweckt wurde. Da habe ich gelernt, jeden Tag auf den Markt zu gehen und die Liebe zu den Lebensmitteln zu schätzen. Dann bin ich in die Vereinigten Staaten gegangen, wo ich bei Franzosen eine Patisserie-Ausbildung gemacht habe - da habe ich das Handwerk gelernt. Zurück in Wien haben wir im 18. gelebt, wo wir uns auch in dieses alte Gasthaus, das heutige Café Himmelblau, verliebt haben: Da habe ich den Sprung ins kalte Wasser gewagt! Das war 2012, da war ich über 40 und es war ein guter Zeitpunkt. Das ist auch ein Rat an alle Frauen: Es ist schon ganz gut, ein Unternehmen in einem Alter zu gründen, wo man noch die Kraft und den Mut hat.
Hier blüht das Leben, hier wimmelt es vor Leuten. Viele andere Cafés und Restaurants hatten während Corona, aber auch jetzt mit Teuerungen, etc. zu kämpfen. Wie ist das bei deinem Café?
Zum Glück ist bei uns viel los, aber auch nicht immer, das muss man auch sagen. Am Anfang habe ich viel unterschätzt als Geschäftsfrau. Da gibt es natürlich zwei Stunden am Nachmittag, wo das ganze Personal zwar da ist, aber wenige Menschen da sind - das haut dir finanziell den ganzen Tag zusammen. Manche Leute behaupten auch, dass das eine Goldgrube ist - das finden wir lustig, weil es einfach täuscht, wenn hier viel los ist. Und, was auch bei uns ein Running Gag ist, ist, dass ich meinen Traum verwirklicht habe. Was stimmt, aber es auch oft irrsinnig stressig ist. Und wenn mich mein Mann wieder einmal anruft, wo ich denn bleibe, antworte ich: Ich verwirkliche gerade meinen Traum (lacht)!
Die Erfüllung eines Traumes kommt ja nicht von irgendwo. Welche Ausbildung hast du absolviert?
Ich habe in Wien das Gymnasium abgeschlossen, danach die ESA, die Sekretärinnenakademie, gemacht. Das war ein vollkommen falscher Job für mich, denn ich gehöre in kein Office. Ich habe gelernt, in mich hinein zu hören und zu spüren, wo ich hingehörte. Ich war nie ein Büromensch, das habe ich am Anfang nicht verstanden. Mein Mann ist ein Büromensch, aber alle unsere drei Kinder sind keine Büromenschen! Was übrigens auch zur Folge hat, dass ich das Café mit meinem ältesten Sohn führe.

- Ott, bekennende Feministin, ist sich sicher: "Wir Frauen müssen uns mehr trauen und uns gegenseitig bestärken!"
- Foto: Roland Ferrigato
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Empfindest du das als Glück, dass dein "Traum" auch zur Familiensache geworden ist?
Ich finde es in erster Linie erstaunlich, dann das hätte ich nie gedacht (lacht)! Wir haben 2012 aufgesperrt und sind danach noch einmal für zwei Jahre mit unserem jüngsten Sohn nach Amerika gegangen. Mein ältester Sohn und die Tochter haben beide noch studiert - und dann das Café übernommen! Das mögen die Gäste glaube ich auch so gerne, dass das hier Familiensache ist. Ich verstehe das, ich finde es ja auch so nett (lacht)!
Was ist demzufolge dein Erfolgsrezept?
Mein Erfolgsrezept? Ich würde sagen: Immer dranbleiben! An der Qualität dran zu bleiben, das ist total wichtig. Ich mache beim Essen und bei den Mehlspeisen keine Abstriche, da kämpfe ich dafür, obwohl Lebensmittel mittlerweile so teuer sind. Aber die Menschen schmecken, dass wir nur die beste Schokolade oder hochwertige Butter verwenden. Wenn sich Leute heutzutage was gönnen, muss es das wert sein. Also heißt das für mich, immer dahinter zu sein. Es steckt viel Arbeit dahinter, Qualität immer gleich hoch zu halten. Das habe ich auch in der Schule von den Franzosen gelernt, dass auch die kleinen Sachen gleich gut sein müssen - vor allem, wenn du sie jeden Tag machst. Und klar, es macht viel mehr Spaß, neue Sachen zu kreieren - aber dahinter zu bleiben, das benötigt Ausdauer.
Ausdauer, die sich seit über zehn Jahren bezahlt macht, also?
Es hilft sehr, dass mein Sohn mit mir arbeitet. Am Anfang habe ich auch unterschätzt, dass man als Unternehmerin kein Geld hat. Und: Als Unternehmerin musst du alles machen! Buchhaltung, Marketing, Social Media - was für meine Altersklasse eine Katastrophe ist. Ich bin ja kein Tausendsassa! Ich sollte als Unternehmerin backen und kochen können, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen können und weitere Facetten abdecken können. In einer großen Firma gibt es dafür verschiedene Bereiche, verschiedene Personen - als Mittelunternehmerin musst du das alleine schupfen. Da ist das zu zweit einfacher, weil ich auch im täglichen Geschäft nicht mehr so aktiv bin. Da bleibt mir mehr Zeit für kreative Sachen.
Wie äußert sich diese Kreativität?
Ich habe zwei Bücher geschrieben! Meine Botschaft ist es, den Menschen beizubringen, wie gut gesundes Essen schmecken kann. Denn Kochen ist mein Ding, das liebe ich. Ich hoffe, dass die Menschen wieder mehr selber kochen und es nur ein Ausrutscher war, dass so viel Essen bestellt und geliefert wurde (lacht).

- Familiensache: Das Café Himmelblau führt Wienerin Nicole Ott mit ihrem ältesten Sohn.
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Wie erklärst du Menschen, gesund zu kochen - wenn doch Bio-Produkte teurer geworden sind und Menschen sich hochwertiges Essen nicht mehr leisten können?
Ganz einfache Sachen müssen nicht teuer sein. Erdäpfel mit Butter, zum Beispiel. Ich glaube nicht, dass gutes Essen teuer sein muss - sondern, dass eher das Know-how fehlt. Mir ist es schon öfters passiert, dass junge Menschen Lust aufs Kochen haben und zu meinem Kochbuch greifen: Da habe ich meine Mission erfüllt (lacht)! Das macht mich am glücklichsten. Oder, wenn Menschen kommen und sich in meinem Café wohl fühlen. In der Anfangszeit war es einfach nur Stress, ich konnte in den ersten zwei Jahren keine Stunde weg sein, weil dauernd irgendetwas passiert ist. Auch die Familie hängt drinnen, wenn man ein Geschäft aufmacht. Nicht nur das eigene, sondern auch das Leben der Familie verändert sich! Finanziell und emotional braucht es Unterstützung und Rückhalt der Liebsten.
Welcher ist dein bester Tipp, den du Frauen geben kannst, die sich selbstständig machen wollen?
Möglichst wenig investieren und zuerst einmal ausprobieren. Die Idee des Pop-ups finde ich super, denn das ist temporär und nimmt den Druck, den man am Anfang oft verspürt. Oder aber auch, Sachen nicht persönlich zu nehmen. Bei uns im Café mögen die Menschen etwa keine kleine Mehlspeisen, das kommt nicht gut an. Sie wollen, dass wir Stücke von Torten oder Kuchen abschneiden. Da war es wichtig, das zu erkennen und auch einmal vom eigenen Konzept, von dem man ja überzeugt ist, abzuweichen. Als Geschäftsfrau darfst du das nicht übelnehmen, das kannst du dir nicht leisten. Diese Form der Eitelkeit muss man ablegen.
Apropos ablegen: Wie stehst du zur Einführung einer 32-Stunden-Woche?
Das geht natürlich überhaupt nicht, tut mir leid. Dann müssten wir etwa noch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter zusätzlich einstellen. Hier habe ich auch einen Tipp parat: Als Unternehmern muss man pro Jahr noch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter mehr rechnen, Stichwort Krankenstände und Urlaub. Das geht ins Geld, denn die Lohnnebenkosten in Österreich sind zu hoch.
Welche Schritte würde es demnach brauchen, dass man sich in Österreich einfacher selbstständig machen kann?
Naja, da könnte ich jetzt viel sagen (lacht). Es wäre hilfreich, wenn die Behörden Jungunternehmerinnen mehr unterstützen würden. Was schon auch schön wäre: Wenn in der Gesellschaft der Fokus darauf gelegt wird, was Unternehmerinnen alles leisten. Wie anstrengend es ist, ein Unternehmen zu führen und dann auch noch die Kindererziehung unter einen Hut zu bringen! Oft ist es so, dass Unternehmerinnen auf der ausbeutenden Seite sind. Aber die Wahrheit ist, dass wir viele Menschen anstellen und viel für die Gesellschaft leisten. Oft ist es so, wie bei mir, dass Frauen die Kinder aus dem Gröbsten herausbringen müssen, bevor sie ihr Potenzial ausschöpfen können. Worauf wir deswegen als Gesellschaft verzichten - ich hoffe sehr, dass sich das verändert.

- "Frauen in der Wirtschaft" nennt sich die Interviewreihe, in der erfolgreiche Businessladys über Erfolgsrezept, Hürden und Co. sprechen. Im aktuellen Talk: Nicole Ott mit Manuela Tiefnig (MeinBezirk.at).
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Ist das auch eine Hürde für Frauen in Bezug aufs die Selbstständigkeit?
Ich bin Feministin, darum sehe ich viele Hürden. Allen voran die Babyfalle, weil Frauen, bis sie Kinder kriegen, sich gleichberechtigt fühlen. Aber durch unsere Strukturen ist es dann so, dass wenn sie Kinder bekommen, sie meist diejenigen sind, die zuhause bleiben und zurückstecken. Ich appelliere an dieser Stelle auch an die Männer, dass da ein Umdenken passiert. Ich habe mit meiner Tochter über die Interviewreihe "Frauen in der Wirtschaft" gesprochen und wir haben irrsinnig gelacht, als sie meinte: "Es wäre super, wenn es eine Reihe gäbe: 'Männer in der Wirtschaft'." Wie sie es schaffen, Arbeit und Kinder unter einen Hut zu bringen (lacht). Zum Schluss möchte ich noch einmal sagen: Wir Frauen müssen uns mehr trauen und uns gegenseitig bestärken!
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