Vor allem in Tirol und Oberösterreich
Insolvenzen 2022 stark gestiegen

Die meisten Schließungen gab es in Wien und Niederösterreich. Burgenland und Kärnten waren gegen den Trend. | Foto:  Markus Bormann/ Fotolia
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  • Die meisten Schließungen gab es in Wien und Niederösterreich. Burgenland und Kärnten waren gegen den Trend.
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Täglich gab es im Schnitt 13 Pleiten: Die Unternehmensinsolvenzen sind in Österreich 2022 um fast 60 Prozent gestiegen – damit liegen die Firmenpleiten wieder nahe am Vorkrisenniveau. Auch die Privatkonkurse verzeichnen in allen Bundesländern Zuwächse. – insgesamt um 15,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

ÖSTERREICH. "Wir verzeichnen keinen Insolvenz-Tsunami", gibt Ricardo-José Vybiral vom KSV1870 Entwarnung. Aber: Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung sind im Jahr 2022 in Österreich 4.770 Unternehmen (+ 57,2 % gegenüber 2021) von einer Insolvenz betroffen. Damit wurde erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2019 mit rund 5.000 Fällen nahezu erreicht. Der KSV1870 geht davon aus, dass die aktuellen Entwicklungen weiter an Tempo zulegen werden und die Zahl der Firmenpleiten im kommenden Jahr steigen wird. 

Parallel zu den Unternehmensinsolvenzen selbst haben sich in diesem Jahr auch die geschätzten Passiva erhöht. Mit der Großinsolvenz Bertsch Energy GmbH & Co KG aus Vorarlberg, über die am Mittwoch das Konkursverfahren eröffnet eröffnet wurde die berechneten Passiva 2022 auf insgesamt 2.235 Mio. Euro (+ 27 % gegenüber dem Vorjahr) statt 2.097 Mio. 

Oberösterreich und Tirol besonders betroffen

Alle neun Bundesländer verzeichnen Zuwächse – am meisten Oberösterreich (+ 105,9 %) und Tirol (+ 105,2 %). Ganz im Osten des Landes, im Burgenland, fällt das Plus mit 33,9 Prozent verhältnismäßig am niedrigsten aus. In der Bundeshauptstadt Wien hat der KSV1870 in diesem Jahr 1.681 Pleiten gezählt, das entspricht einem Plus von 41,4 Prozent.  

Oberösterreich und Tirol verzeichnen den höchsten Zuwachs an Insolvenzen 2022. Die meisten Fälle gab es in Wien. | Foto: KSV1870
  • Oberösterreich und Tirol verzeichnen den höchsten Zuwachs an Insolvenzen 2022. Die meisten Fälle gab es in Wien.
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Diese Branchen hat es am meisten erwischt

Die meisten Insolvenzen verzeichnen der Handel, die Bauwirtschaft sowie die Gastronomie. Die Branchen „Handel und Instandhaltung/Reparatur von Kfz“ (871 Fälle), die Bauwirtschaft (778) und Tourismus/Gastronomie (585) machen knapp die Hälfte aller Unternehmensinsolvenzen des Jahres aus. Dabei fällt auf, dass insbesondere der Handel mit massiven wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat. Bereits am Ende des dritten Quartals gab es in dieser Branche mehr Pleiten als am Ende des Vorjahres. Vor allem der Einzelhandel (+97%) war besonders stark betroffen. „Unsere damalige Prognose, dass der Handel am Jahresende rund 900 Firmenpleiten zu Buche stehen haben wird, hat sich bewahrheitet. Hohe Energiepreise und fehlendes Personal haben die Unternehmen häufig in die Knie gezwungen“, erläutert Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. 

Die größten Firmenpleiten

Die größte Firmenpleite des Jahres betrifft jene der CPI Gruppe aus Wien mit geschätzten Passiva* von rund 220 Millionen Euro, gefolgt von Christof Industries Global (107 Millionen Euro Passiva) und Christof Industries Austria (75 Millionen Euro) aus der Steiermark. Insgesamt gab es bislang 31 Großinsolvenzen mit einem Volumen von jeweils über 10 Mio. Euro. 

Zukunftsängste, Personalnot

Das Stimmungsbild unter den Unternehmern ist mehr als düster. Die Krise scheint eher im Kopf zu sein, als in den Büchern, meint Vybiral mit Hinweis auf die Liste an Herausforderungen, mit denen sich die Betriebe aktuell beschäftigen müssen: Explodierende Kosten, steigende Energie- und Rohstoffpreise, die hohe Inflation, erhöhte Zinsbelastungen und der akute Personalmangel belasten die Budgets der Unternehmen weiterhin massiv. „Angesichts der Vielzahl an Baustellen, mit denen sich die heimische Wirtschaft herumschlagen muss, ist es keine Überraschung, dass die Zahl der Firmenpleiten gegenüber dem Vorjahr um mehr als die Hälfte gestiegen ist“, so Götze. Energie sei aber ein großes Thema, man müsse aufpassen, dass Betriebe nicht aus Österreich abwandern, weil sie sich die hohen Kosten nicht mehr leisten können, warnt Vybiral.

Trotzdem ortet der KSV1870 als größte Herausforderung bei den Betrieben nicht mehr wie früher, die Verwaltung, sondern das Personal: Mitarbeiter zu finden, längerfristig zu binden und Nachfolgeregelungen wurden bei einer Umfrage als größte Probleme genannt. Erst danach kommt die Kostenentwicklung, und fehlende Kunden, was auch auf die sinkende Kaufkraft zurückzuführen sei.

All time high bei Schließungen

Abseits der Insolvenzen gab es in Österreich im Jahresverlauf fast 50.000 zusätzliche Geschäftsschließungen – das ist Rekord. Das liege einerseits an der fehlenden Nachfolge, oder fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven. „Häufig lief das Geschäft schon vor der Corona-Krise wenig erfolgreich. Während der Pandemie wurde dann versucht, sich mit finanzieller Unterstützung über Wasser zu halten. Und jetzt, wo die staatlichen Hilfsgelder ausbleiben, geht es sich für viele Betriebe einfach nicht mehr aus“, erklärt Vybiral die Gründe. Vor allem im Gastgewerbe gab es mehr Schließungen als Neugründungen.

Mehr betroffene Mitarbeiter und Gläubiger

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich in den vergangenen zwölf Monaten die Zahl der von einer Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffenen Mitarbeiter deutlich erhöht – und zwar um rund
46 Prozent auf insgesamt 14.400 Personen. „Diese Entwicklung ist auch jenen Unternehmen geschuldet, die nicht rechtzeitig eine Sanierung angestrebt und dadurch eine Vielzahl an Arbeitsplätzen unnötigerweise aufs Spiel gesetzt haben“, so Götze. Parallel dazu gibt es bei den Gläubigern um knapp sechs Prozent mehr Geschädigte. Insgesamt waren heuer 30.700 Gläubiger von der Insolvenz eines Geschäftspartners betroffen.

Privatkonkurse um 14,2 Prozent gestiegen

Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung wurden im Jahr 2022 in Österreich 8.325 Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Das entspricht einem Plus von 15,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit werden im Schnitt 23 Fälle pro Tag an den heimischen Gerichten eröffnet. Während in Niederösterreich das Plus mit 33 Prozent am deutlichsten ausfällt, bleibt dieses in Wien mit 1,8 Prozent im Rahmen. Parallel dazu haben sich auch die vorläufigen Passiva* leicht erhöht – und zwar um 2,6 Prozent auf 901 Mio. Euro.

Das bedeutet, dass Privatpersonen im Jahr 2022 mit durchschnittlichen Schulden in der Höhe von rund 108.000 Euro Konkurs angemeldet haben.

Karl-Heinz Götze, Leiter Insolvenz Kreditschutzverband von 1870 | Foto: Anna Rauchenberger

„Ein Privatkonkurs entwickelt sich zwar im Regelfall über einen längeren Zeitraum, doch die massiven Preissteigerungen und die anhaltend hohe Inflation bringen das Fass häufig zum Überlaufen. Vor allem wenn man bedenkt, dass wir uns seit mittlerweile fast drei Jahren in einem wirtschaftlichen Ausnahmezustand bewegen und sich die finanzielle Anspannung zuletzt noch weiter verschärft hat“, erklärt Götze.

Die meisten Privatkonkurse gab es im Osten, also in Wien, gefolgt von Niederösterreich und Oberösterreich. Die höchsten Zuwächse verzeichnen Niederösterreich und Oberösterreich. | Foto: KSV1870
  • Die meisten Privatkonkurse gab es im Osten, also in Wien, gefolgt von Niederösterreich und Oberösterreich. Die höchsten Zuwächse verzeichnen Niederösterreich und Oberösterreich.
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Auf das Jahr 2019, dem letzten „Normaljahr“ vor der Pandemie, fehlen aktuell rund 1.000 Fälle. Gleichzeitig bestätigt sich die KSV1870 Prognose aus dem Vorjahr, dass die Zahl der Privatkonkurse mit Inkrafttreten der Insolvenznovelle im Juli 2021 kontinuierlich steigen werde. „Mit Blick auf die vier Quartale 2022 zeigen sich ausgeglichene Fallzahlen, die im vierten Quartal des Vorjahres ihren Ursprung genommen haben“, so Götze. Demnach wurden heuer in jedem Quartal zwischen 2.100 und 2.200 private Pleiten gemeldet, einzig im dritten Quartal (1.890) ist die Zahl etwas niedriger – auch aufgrund der Sommermonate.

 
*) Die Passiva für das Jahr 2022 sind vorläufige Werte und beziehen sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 13.12.2022. Im Zuge der fortlaufenden Insolvenzverfahren werden sich diese Passiva noch verändern.

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