Abfallwirtschaft
Jüly: "Pfand auf PET-Flaschen sehe ich äußerst kritisch"

Gabriele Jüly, Präsidentin des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB) | Foto: VOEB
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Die niederösterreichische Unternehmerin Gabriele Jüly ist neue Präsidentin des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB). Die Regionalmedien Austria (RMA) trafen Jüly im virtuellen Gespräch rund um das Thema Abfallwirtschaft in Österreich.

RMA: Frau Jüly, Herr und Frau Österreicher produzieren laut Eurostat-Studie 42 Kilo Plastikabfall im Jahr. Nur ein Drittel bis ein Viertel davon wird laut Greenpeace recycelt, 67 Prozent der Plastikverpackungen werden verbrannt. Mit diesen Quoten liegen wir EU-weit auf dem 22. von 28 Plätzen. Wie kann man diese Zahlen verbessern?

GABRIELE JÜLY: Solange es Kunststoffabfall gibt, ist die entscheidende Frage, was damit passiert. Unsere Unternehmen der Abfallwirtschaft arbeiten daran, dass so viel wie möglich gesammelt und wiederverwertet wird. So entstehen sogenannte Sekundärrohstoffe, die in der Industrie wieder zum Einsatz kommen. Tatsächlich besteht in Österreich beim Kunststoffrecycling Aufholbedarf: Wir müssen es bis 2025 von derzeit 75.000 Tonnen auf 150.000 Tonnen verdoppeln. Das gelingt, indem wir in modernste Anlagen investieren, um dann das Recycling zu optimieren aber auch, indem jeder Einzelne von uns Plastikabfall konsequent getrennt sammelt. Bei PET-Flaschen sind zum Beispiel die Burgenländer, Tiroler und Vorarlberger sehr fleißig: Sie übererfüllen bereits die von der EU geforderten Sammelquote von 90 Prozent. 
 

Österreich erreicht derzeit aber nur 70 Prozent. Denn im Einwohner starken Wien sind wir  noch lange nicht dort.  Wie können wir diese Quote erreichen? 

Indem wir massiv die getrennte Sammlung ausbauen: eine österreichweite einheitliche Sammlung und mehr Aufklärungsarbeit! Der niedrige Wert in Wien ist wirklich ein Problem, denn er zieht die österreichweite Quote stark nach unten. Aber es gibt Lösungen: Der Bevölkerung ist es doch ein Anliegen, unsere Umwelt zu schonen. Sie muss nur viel klarer und umfassender darüber informiert werden, wie Abfall korrekt getrennt wird. Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass nicht jede Kunststoffverpackung recycelt werden kann: So besteht eine Fleischverpackung aus dem Supermarkt aus bis zu sieben Schichten unterschiedlicher Kunststoffe, die nicht getrennt und daher nur mehr verbrannt werden können. Hier müssen die Produzenten und Hersteller in die Verantwortung genommen werden und Verpackungen so ökologisch designen, dass wir Entsorger sie tatsächlich recyceln können. 

Österreichs Haushalte produzieren 1,4 Millionen Tonnen Restmüll im Jahr, pro Kopf sind das laut Montanuni Leoben 166 Kilo, bei Wienern sogar 289 Kilo. Ziel: Reduktion auf 80 Kilo. Wie erreicht man dieses Ziel? 

Alle Wertstoffe, die sich derzeit im Restmüll befinden, müssen getrennt gesammelt werden! Die Montanuni Leoben hat erhoben, dass rund 250.000 Tonnen Kunststoffe, 200.000 Tonnen Papier, 70.000 Tonnen Glas und 67.000 Tonnen Metalle jährlich im Restmüll österreichischer Haushalte landen, das ist doch reine Verschwendung! Denn das verursacht unnötige Behandlungskosten und verhindert, dass wertvolle Rohstoffe recycelt werden. Das Bundesland Vorarlberg zeigt vor, dass die 80 Kilo Restmüll durchaus realistisch sind: Vorarlberger produzieren jährlich nur 83 Kilo Restmüll – sind also ganz nah am Restmüll-Idealgewicht!

Ein Drittel des Restmülls sind Lebensmittel...
Ja, das ist bedenklich. Viele Lebensmittel werden einfach weggeworfen. Das wäre nicht notwendig. Grund dafür sind mangelndes Wissen über Lagerung, wie etwa von Gemüse, zu große Lebensmittelverpackungen oder die Überschätzung des Mindesthaltbarkeitsdatums. Bioabfälle sind eine wertvolle Ressource. Daraus können in eine Kompostier- oder Biogasanlage hochwertige Erde bzw. Biogas zum Heizen erzeugt werden. 
 
  
Der europäische Green-Deal sieht als Ziel vor, bis 2025 mehr Verpackungen getrennt zu sammeln. Wie weit sind wir da?

Der Green-Deal der EU will nachhaltiges Wirtschaften vorantreiben, indem Ressourcen geschont werden. Dazu gehört zuerst die Vermeidung und als weiterer Schritt das Recycling von Abfall. Bei Kunststoff erreicht Österreich derzeit eine Recyclingquote von 25 Prozent und muss diese bis 2025 um das Doppelte – nämlich auf mindestens 50 Prozent – erhöhen. Die österreichischen Recyclingbetriebe verfügen bereits heute über das nötige Know-how, um aus dem gesammelten Kunststoff Rezyklate in bester Qualität zu erzeugen. Aber um diese Menge zu erreichen, sind enorme Investitionen in neue Sortieranlagen notwendig – unsere Branche schätzt dieses Investitionsvolumen auf über 150 Millionen Euro. Entscheidend ist, dass die österreichischen Bevölkerung Kunststoffe korrekt trennt, dann können wir die EU-Quote bestimmt erfüllen. 

Nun führt die EU ab 2021 eine 80 Cent-Pönale für jedes Kilo Plastik, das nicht wiederverwertet wird, ein. Das könnte uns teuer kommen. Da wird die Zeit langsam knapp...

Wir müssen tragfähige und nachhaltige Lösungen finden. Wichtig ist dabei für uns, dass die Abgabe als Lenkungsinstrument und mit einer Zweckbindung verstanden wird. Keinesfalls dürfen Budgetlöcher dadurch gestopft werden. Unser Ansatz ist, die getrennte Sammlung noch stärker zu forcieren, da dieses System in Österreich bereits seit fast 30 Jahren etabliert ist und in vielen Bundesländern wunderbar funktioniert. Die Einführung neuer Systeme wie ein Pfand auf PET-Flaschen sehe ich hingegen kritisch, da wir dann bei der Kunststoffsammlung ein doppeltes Sammelsystem haben!

Da soll es ja im Herbst eine Entscheidung geben...

Wir von den Entsorgungsbetrieben unterstützen auch gerne ein Pfandsystem. Wir verlieren dadurch keine Einnahmen, auch diese Plastikflaschen müssen dann sortiert werden, kommen in dieselbe Sortieranlage. Das ist schizophren: Da klappern wir dann mit Müllwagen Supermärkte ab, um die Plastikflaschen einzusammeln. Kunst- und PET-Flaschen müssen dann so oder so nach Farben sortiert werden und kommen in die selben Sortieranlagen, wo auch schon seit 25 Jahren der gelbe Sack sortiert wird.

Mit einem Getrenntsammelsystem wie es die ARA vorschlägt, würden wir auf die 90 Prozent Sammelquote kommen, bei Gesamtkosten von 117 Mio Euro. Über Einweg-Pfandsystem laut Arbeiterkammer sogar auf 95 Prozent, bei geringeren Kosten (117 Mio Euro/Jahr)...



Wie schon gesagt, einige Bundesländer überschreiten bereits jetzt diese 90 Prozent-Quote. Ein neues Pfandsystem auf PET-Flaschen ist daher gar nicht notwendig! Wichtiger ist ein wirksames Maßnahmenpaket, wie eine einheitliche Sammlung von Verpackungen in Österreich. Das wäre so, als hätten wir einen massiven Corona-Hotspot in Wien mit tausenden von Fällen, und von Altach in Vorarlberg bis Zurndorf im Burgenland gibt es einen kompletten Lockdown, wo alles geschlossen wird, obwohl sie gar nicht von dem Problem betroffen sind. 



Kleine Geschäfte beklagen, dass sie ein Pfandsystem teuer kommen würde. Wäre da finanzielle Unterstützung denkbar?



In meiner Nachbarortschaft in Niederösterreich gibt es ein kleines Geschäft: Der Besitzer sagt, die Umrüstung für Getränkerückgabeautomaten würde ihn tausende Euro kosten. Zudem hat er hat gar keinen Platz dafür. Und er befürchtet ein Problem mit Ungeziefer, weil viele PET-Flaschen mit zuckerhaltigen Getränkerückständen versehen sind. Die PET-Flaschen müssen zudem getrennt von Lebensmitteln aufbewahrt und wegen Diebstahlgefahr versperrt werden. Bei der Rückgabe kommt dann noch das Problem mit der Luft dazu: Viele sind gewohnt, die leeren Flaschen wegen Platzsparens zu zerdrücken. Dies nehmen die Rückgabeautomaten aber nicht an. Das ist sehr aufwändig und kompliziert– vor allem für kleine Händler. Bevor wir über eine finanzielle Unterstützung nachdenken, sollten wir genau erwägen, welche Maßnahmen zu einer Mengensteigerung führen. Wie schon erwähnt, ist die einheitliche getrennte Sammlung aller Verpackungen direkt von den Haushalten die optimale Lösung für alle Beteiligten!

 

Wie stehen wir in Österreich bei Recycling da?


Generell geht Österreich beim Thema Recycling schon seit Jahren mit gutem Beispiel voran: Die Branche ist stolz auf beachtliche Sammelquoten bei Papier, Glas, und Metalle. Hier erreichen wir bereits heute die erforderlichen EU-Quoten bis 2025. Darauf bin ich wirklich sehr stolz. Ein ganz aktuelles Problem ist jedoch, dass 70 Prozent unserer Kunststoff-Recyclinganlagen stillstehen, weil recycelter Kunststoff derzeit am Markt nicht nachgefragt wird. Der Hintergrund: Kunststoff aus Rohöl ist derzeit aufgrund Corona und der Ölkrise viel günstiger als recycelter Kunststoff. Dieser bleibt derzeit in unseren Lagern liegen. Unsere Betriebe wissen nicht, wohin damit. Wir brauchen eine fixe Quote, wie viel recycelte Sekundärrohstoffe eingesetzt werden müssen, zum Beispiel eine Quote von 30 Prozent. Nur dann macht das Recycling von Kunststoff auch Sinn. 



Greenpeace fordert einen Stopp für Einwegverpackungen und den Ausbau von Mehrwegsystemen. Ihre Meinung dazu?



Nicht jede Verpackung eignet sich für Recycling, das müssen wir uns eingestehen. In einigen Bereichen finde ich den Ausbau von Mehrwegsystemen durchaus sinnvoll, wie bei den Glasflaschen. Auch das ist zwar CO2-technisch nicht einwandfrei, weil viel Gewicht transportiert wird und unter hohen technischen Einsatz, also hoher Temperatur und viel Wasser, gewaschen werden muss. Es würde aber die Plastikmenge verringern. 

Die Umweltschutzorganisation kritisierte kürzlich zudem, dass Österreich 40 Prozent seines Kunststoffs aus dem Ausland importiert.  
Wir dürfen aber nicht vergessen, Österreich ist ein Binnenland: Wenn Slowenien Teile seines Mülls in die Steiermark transportiert, weil wir dort hochmoderne Hightech-Recyling-Anlagen haben, ist dies nachhaltiger als wenn Abfall aus Vorarlberg dorthin gebracht wird. Also: Wir importieren Plastikabfälle, ja. Aber wir machen daraus hochwertige Sekundärrohstoffe für die Industrie, die Rohöl, das tausende Kilometer zurückgelegt hat, ersetzen. Das ist doch positiv! Denn so schließt sich die Kreislaufwirtschaft. 


Am Plastik-Pakt der EU wird kritisiert, dass dafür keine gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Wie stehen Sie dazu?



Derzeit gibt es eine Grundidee, die noch nicht im Detail ausgearbeitet ist. Es fehlen fixe Verpflichtungen, wie Kunststoff vermieden werden kann. Da spreche ich nicht nur über Strohhalme, sondern über gute, umsetzbare Ideen für die Mitgliedsländer, die diese dann auch einhalten können und müssen. Am Ende ist jeder Einzelne von uns mitverantwortlich, damit eine nachhaltige Zukunft gelingen kann.  

Als VOEB-Präsidentin vertritt Gabriele Jüly (47) seit Juni 2020 über 250 Mitgliedsunternehmen der privaten Abfall- und Ressourcenwirtschaft in Österreich. Diese entsorgen rund zwei Drittel des gesamten in Österreich anfallenden Abfalls in 1.100 High-Tech-Anlagen und erwirtschaften Umsätze in der Größenordnung von vier Milliarden Euro pro Jahr.

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