Sabine Herlitschka, Infineon
"Männerdomänen haben mich nie abgeschreckt"

Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG: "Forschung und Technologie gibt uns die Werkzeuge in die Hand, um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu stemmen. " | Foto: Infineon Austria
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  • Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG: "Forschung und Technologie gibt uns die Werkzeuge in die Hand, um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu stemmen. "
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Seit April 2014 ist Sabine Herlitschka Vorstandsvorsitzende der weltweit tätigen Infineon Technologies Austria AG, stellvertretende Präsidentin der österreichischen Industriellen Vereinigung und sie wurde vom Industriemagazin im Jahr 2021 auf der Liste der einflussreichsten österreichischen ManagerInnen auf Platz fünf und 2023 auf Platz vier gereiht. Die mehrfach ausgezeichnete Managerin über Erfolg und Karrieretipps.

ÖSTERREICH. In der Serie "Frauen in der Wirtschaft" holen die RegionalMedien Austria Frauen vor den Vorhang, die ein Unternehmen leiten oder selbst eines aufgebaut haben.
Erfolgreich und gleichzeitig vorsehend und sozial: Sabine Herlitschka steht mit Infineon einem der führenden Unternehmen für die Produktion von Computerchips vor – eine zukunftsweisende Branche. Für die RegionalMedien Austria erzählt sie, wie sie diese erfolgreiche Karriere gemeistert hat und gibt Frauen Mut.

Frau Doktor Herlitschka, Sie haben an der Boku Wien Lebensmittel- und Biotechnologie studiert – damals noch ein besonders männerdominiertes Studium. Was hat Sie an diesem Studium gereizt?

Sabine Herlitschka: Naturwissenschaften haben mich schon immer fasziniert, denn sie erklären, wie unsere Welt funktioniert. Und die BOKU, die „Universität des Lebens“ ist eine Universität für Studentinnen und Studenten, die diese Welt zum Positiven verändern wollen. Beide Elemente haben mich damals angetrieben - und treiben mich auch heute an. Die Verbindung von Ökologie und Ökonomie. Männerdomänen haben mich damals wie heute nie abgeschreckt 😉.

Sie haben sich nach dem Studium schon früh für Technologie, Forschung und Innovation interessiert. Wie sind Sie auf diese Bereiche gekommen?
Forschung und Technologie gibt uns die Werkzeuge in die Hand, um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu stemmen. Was gibt es Großartigeres, als wirklich etwas bewegen und verändern zu können? Nach dem Studium habe ich Doktor und Post Doc in der industriellen Forschung eines internationalen Biotechnologie-Unternehmens gemacht, war im Forschungs- und Innovationsmanagement viele Jahre im In- und Ausland unterwegs. Mit dieser Erfahrung im Hintergrund habe ich bei Infineon ab 2011 die Chance genutzt, die Zukunft hier ganz konkret aktiv mitzugestalten und in Österreich ein Mikroelektronik-Ökosystem mit aufzubauen. Wir sind heute in Österreich Arbeitgeber für fast 5.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, rund 2.400 davon allein in Forschung und Entwicklung. Im Bereich Leistungselektronik sind wir als Infineon Weltmarktführer und jeder Arbeitsplatz, den wir bei Infineon Österreich schaffen, schafft weitere drei in der Region.

Welchen persönlichen Eigenschaften haben Sie diese erfolgreiche Laufbahn zu verdanken?
Ich denke, dass Neugier und Mut wichtige Faktoren sind, gepaart mit dem Willen etwas zu verändern und dem Anspruch, sich nicht mit Mittelmaß zufrieden zu geben. Und ja – ich bin bereit viel und engagiert zu arbeiten für Dinge, die mir wichtig sind.

Reinraumklasse 10 oder weniger. Hier bei Infineon am Standort in Villach wird in Reinräumen bis Klasse 1 gearbeitet. Das bedeutet, dass in 28 Litern Luft maximal ein Staubteilchen über 0,5 Mikrometer Durchmesser zulässig ist. Zahlen: Über 1.500 Anlagen, 22.200 m² Reinraumfläche, bis zu 1.000 Einzelarbeitsschritte, 800.000 Waferbewegungen/Tag. | Foto: Infineon
  • Reinraumklasse 10 oder weniger. Hier bei Infineon am Standort in Villach wird in Reinräumen bis Klasse 1 gearbeitet. Das bedeutet, dass in 28 Litern Luft maximal ein Staubteilchen über 0,5 Mikrometer Durchmesser zulässig ist. Zahlen: Über 1.500 Anlagen, 22.200 m² Reinraumfläche, bis zu 1.000 Einzelarbeitsschritte, 800.000 Waferbewegungen/Tag.
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Was sollten junge Frauen mitbringen, die sich in der Arbeitswelt so erfolgreich wie Sie durchsetzen wollen?

Zuallererst Entdeckergeist, allein schon bei der Berufswahl – denn noch immer rangieren bei Mädchen klassische Berufe im Einzelhandel oder in Sozialberufen auf den vordersten Plätzen. Dabei gibt es sowohl in der Lehrlingsausbildung als auch im Hochschulbereich viele spannende und zukunftsreiche Ausbildungen, die nicht nur hervorragende Karrieremöglichkeiten bieten, sondern auch sehr sinnstiftend sind. Heute gibt es noch ein viel größeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Klimaschutz, aber im Moment orte ich bei manchen ein gewisses Ohnmachtsgefühl, Beispiel Klimakleber-Bewegung. Jede Generation hat ihre Herausforderungen und Aufgaben, und wir haben unsere. Besonders mit Technologie und Innovation wird es gelingen, gute Lösungen für die wichtigen Themen rund um Dekarbonisierung und Digitalisierung zu erarbeiten und einzusetzen. Egal, ob mit Lehre oder Studium kann jede und jeder junge Mensch durch eine kluge Berufswahl einen wirklichen Unterschied machen.

Welche Hürden sehen Sie in Österreich als Führungskraft?
Was ich hier wirklich hervorheben möchte, ist das Thema Kinderbetreuung. Wir brauchen dringend eine hochqualitative, flächendeckende, ganzjährige und zeitlich flexiblere Betreuungsinfrastruktur ab dem ersten Geburtstag. Die Bundesregierung hat massive Budgetmittel dafür zur Verfügung gestellt, es muss im Zusammenspiel mit Ländern, Gemeinden und Unternehmen gelingen, einen großen Schritte im Ausbau einer zeitgemäßen Kinderbetreuung und -bildung zu machen.

Sie bieten Mitarbeiterinnen als Kooperationspartner eines Kindergartens die Betreuung ihrer Kinder am Standort in Villach an. In Österreich liegt die Erwerbsquote von Frauen bei knapp 70 Prozent, die der Männer bei 78 Prozent. Im ersten Quartal 2023 blieben insgesamt 228.300 Arbeitsplätze unbesetzt. Welchen Effekt hat dieses Angebot der Kinderbetreuungseinrichtungen für die Beschäftigung von Frauen in Ihrem Unternehmen?
Ja, wir lösen die Vereinbarkeits-Problematik für berufstätige Eltern seit 2012 mit Betriebskindergartenplätzen – an drei Standorten werden aktuell fast 300 Kinder mit 25 Muttersprachen betreut, zeitlich flexibel und ganzjährig. Nicht zuletzt das hat dazu beigetragen, dass wir den Frauenanteil im Unternehmen in den letzten zehn Jahren von 15 auf 21 Prozent steigern und den Anteil von Frauen in technischen Berufen mehr als verdoppeln konnten. Wir sind auf einem guten Weg, aber wir sehen noch viel Luft nach oben. Man darf aber dabei nicht vergessen: Kinderbetreuung ist primär Aufgabe der öffentlichen Hand – vor allem der Gemeinden. Initiativen von Unternehmen sind gut, diese kompensieren jetzt schon viel. Und es gibt sehr gute gemeinsame öffentliche und private Initiativen, auf diesen kann aufgebaut werden.

In diesen Kooperationskindergärten wird den Kindern auch in miniLabs naturwissenschaftliche und technisches Basis-Knowhow durch Experimente näher gebracht. Wie wichtig ist frühzeitliche Bildung für den Karriereweg?
Enorm wichtig. Statistisch schneiden Kinder, die in frühkindlichen Bildungseinrichtungen waren, bei späteren PISA-Tests deutlich besser ab. Wir als Infineon tun viel, um ganz jungen Menschen die Faszination von Technik und Naturwissenschaften zu vermitteln. Über 100.000 Kinder und Jugendliche haben wir mit unseren Aktivitäten an Kindergärten, Schulen und Universitäten seit 2014 erreicht. Diese reichen von naturwissenschaftlichen MiniLabs im Kindergarten, über „Smart Learning“-Klassen & DIGI Labs in Schulen bis hin zu vielen Kooperationen im Unibereich. Wir unterstützen auch vier Lerncafés in Kärnten und der Steiermark, finanziell aber auch mittels Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich ehrenamtlich engagieren und mit sozial benachteiligten Kindern lernen. Es gilt aber an vielen verschiedenen Stellschrauben zu drehen, z.B. im Bereich der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen, deren Arbeitsbedingungen, dem Betreuungsschlüssel. Und wir brauchen positive Role Models, deren Begeisterung für Naturwissenschaften und Technik einfach ansteckt – insbesondere Mädchen und junge Frauen!

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