Bäckerin Schmidl
Viele Leute sagten: 'Was glaubt die eigentlich?'

70 Angestellte, verwendet nur Zutaten aus der Region: Barbara Schmidl, Unternehmerin, mit einem Korb Wachauer Laberl mit dem traditionellen S auf der Unterseite, in ihrer Backstube. | Foto: Nicole Stessl
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  • 70 Angestellte, verwendet nur Zutaten aus der Region: Barbara Schmidl, Unternehmerin, mit einem Korb Wachauer Laberl mit dem traditionellen S auf der Unterseite, in ihrer Backstube.
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Die Wachauer Bäckerei & Konditorei Schmidl, in der das Wachauer Laberl als österreichische Antwort auf das französische Baguette erfunden wurde, besteht seit 1780 in Dürnstein, und ist seither in Familienbesitz. Barbara Schmidl hat das Unternehmen von ihrem Vater übernommen und frischen Wind hineingebracht. Jetzt plant die Bäckerin, die bereits 70 Angestellte beschäftigt und zur Unternehmerin des Jahres ausgezeichnet wurde, zu expandieren.

ÖSTERREICH. Ich treffe die frisch gebackene Ehefrau Barbara Schmidl in ihrem Traditionsbetrieb mitten in Dürnstein zum Interview. Herzlich begrüßt mich die junge Bäckerin, während sie im angrenzenden Café die Tische abräumt. Eine Schlange von Touristen hat sich vor der Bäckerei angestellt, um eines der köstlichen Laberln, Semmerln oder Salzstangerln zu ergattern. Rund 70 Prozent der Schmidl-Brote und des Gebäcks wird direkt an die Gastronomie an mehr als 100 Gastronomiebetriebe in der Region geliefert. Weil der Betrieb rasant wächst, verlegt Schmidl die Backstube künftig in das rund zehn Kilometer entfernte Spitz a.d. Donau. Markant: das S-Zeichen am Wachauer Laberl. Schmidl ermutigt in dem Interview junge Frauen, ihren Träumen nachzugehen, auch in männerdominierten Branchen.

MeinBezirk.at: Nach dem Studium der Volkswirtschaft an der WU Wien haben Sie zunächst als wissenschaftliche Assistentin begonnen. Als ihr Vater erkrankte, kehrten Sie nach Dürnstein zurück und übernahmen im April 2014 die Geschäftsführung des Familienbetriebs. Sie wurden 2020 in der Kategorie Handel und Dienstleistungen für den Entrepreneur of The Year nominiert und 2021 als Unternehmerin des Jahres von Frau in der Wirtschaft ausgezeichnet. Wie haben Sie es geschafft, zu diesen Titeln zu kommen?
Barbara Schmidl: Für mich war nicht von Anfang an klar, dass ich in die Fußstapfen meines Vaters trete und ich die Bäckerei eines Tages übernehmen werde. Eine große Leidenschaft für Bäckerei und Konditorei war aber immer schon da. Darum hat mir mein Vater noch in der Schulzeit das Bäcker- und Konditorhandwerk beigebracht. Tatsächlich bin ich immer entweder vor der Schule oder am Nachmittag nach den Hausübungen in die Bäckerei gegangen. Es ist ja auch ein Familienbetrieb: Man hilft mit – nicht nur zu Spitzenzeiten. Bei mir war es aber eigentlich mehr als nur lästige Pflicht. Ich habe es immer gern gemacht, das hat mein Vater auch gespürt. Trotzdem war für mich später der Weg, die Bäckerei zu übernehmen, nicht klar.

Das heißt, Sie haben zuerst studiert?

Ich hatte großen Spaß Volkswirtschaft zu studieren, die wissenschaftliche Laufbahn hat mich sehr gereizt. Aber als mein Vater erkrankte, da war auf einmal alles anders, weil ich für mich erkannt habe, wie wichtig die Bäckerei, die Mitarbeiter für mich sind. Ich bin hier mitten im Betrieb aufgewachsen (zeigt um sich), also das war früher unsere Wohnung. Viele MitarbeiterInnen kennen mich, seit ich ein ganz kleines Mädel bin, was manchmal sicher ein Glück, manchmal aber auch unvorteilhaft ist, weil sie auch meine Schwächen kennen (lacht). All das zu erkennen war für mich sehr wichtig, denn alles aufgeben hätte ich nur mit einem weinenden Auge können. Jetzt bin ich froh über diese Erfahrungen. Ich habe die Bäckerei in dieser schwierigen Situation übernommen, aber das war wirklich schön. Ein langjähriger Mitarbeiter meines Vaters – er ist inzwischen in Pension – hat mir den Rücken gestärkt, mich motiviert. So sehr, dass ich dann selbst dran geglaubt habe, dass ich das schaffen kann.

Haben Sie anfangs nicht so sehr daran geglaubt, dass Sie es schaffen?
Ich merkte, dass die Bäckerei eine männerdominierte Branche ist. Sich da als Frau hinzustellen und zu sagen, wir machen das jetzt so und so, da machten manche große Augen, es gab viel Misstrauen – gar nicht so sehr im eigenen Betrieb, viel mehr vom Umfeld her. Viele Leute sagten: 'Was glaubt die eigentlich? So viele Männer haben es versucht und so viele Bäckereien müssen zusperren! Und sie glaubt, sie kann jetzt alles umkrempeln!' Die langjährigen MitarbeiterInnen haben mir dann aber viel Kraft gegeben – ich war ja alleinerziehende Mutter! Meine Kinder waren damals noch sehr, sehr klein, also neun Monate und zwei Jahre. Das war schon schwierig. Ich habe in der Nacht in der Bäckerei gearbeitet, tagsüber im Geschäft verkauft. Ich bin zu fast allen Kunden gefahren, habe die Lieferanten abgeklappert und schlussendlich habe ich es geschafft. Die Bäckerei steht mittlerweile auf sicheren Beinen und mit dem Erfolg kam dann auch die Anerkennung. Das ist schön – mittlerweile bin ich unter KollegInnen sehr gut vernetzt, wir tauschen uns aus. Dafür bin ich sehr dankbar. Es war ein langer, steiniger Weg. Man muss sich dabei immer wieder selbst motivieren. Jeder, der einem dabei zur Seite steht, für den muss man dankbar sein. Es war insgesamt eine harte, aber eine lehrreiche Zeit.

2018 starteten Sie erstmals ein Online-Voting, in dem Kunden Ideen und Wünsche einbringen konnte, wie das neue Schmidl Brot schmecken soll. Wie haben Sie das Unternehmen modernisiert?
Als ich die Bäckerei im April 2014 übernommen habe - der Betrieb stand damals nicht sehr gut da – war für mich vollkommen klar, dass ich mich auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren möchte. Das heißt: richtig gutes Brot und Gebäck backen. Und das ohne Geschmacksverstärker, ohne Zusatzstoffe. Wir haben uns alte Rezepte angeschaut, uralte Backwaren wiederentdeckt, alte Brot-Fachbücher hervorgekramt, experimentiert: Was, wenn man das Gebäck noch drei Stunden länger stehen lässt? Wieviele Gewürze können wir in den Teig geben? Was macht das mit dem Geschmack? Und dann haben wir unsere Rezepte umgeschrieben. Es blieb kein Stein auf dem anderen. Das hat natürlich viel mit der Mannschaft gemacht, was schön zu sehen war. Sie waren immer schon Bäcker. Und dann waren sie plötzlich Bäcker aus Leidenschaft. Sie sahen, Brot ist ein Grundnahrungsmittel, das uns nährt, das uns stärkt und da ist es wichtig, was hineinkommt, und das macht uns auch aus. Dieses Umdenken war ein Prozess. Als wir das Gebäck dann zu unserer Marke gemacht haben –unsere Rezepte sind streng gehütete Geheimnisse – gab es viel Aufruhr in der Bäckerei.

Für mich ist es immer wieder spannend, neue Wege zu gehen - und darum auch dieses Online Voting. Ich wollte einfach auch die KundInnen mehr einbeziehen, weil man spricht zwar im Geschäft mit ihnen, aber es bleibt oft nicht die Zeit, auf sie ausreichend einzugehen. Ich wollte einfach wissen, was sie wollen, was sie sich wünschen. Auch der Prozess reizte mich, was wir aus den Kundenwünschen im zweiten Schritt dann machen. 

Sie sind ja auch Lehrlingsausbildnerin. Manche Bäckereien tun sich aufgrund der undankbaren Arbeitszeiten schwer, Lehrlinge zu finden. Bieten Sie sie den Lehrligen Goodies an? 
Wir haben immer wieder Schwierigkeiten, Lehrlinge in der Bäckerei zu finden. In der Konditorei hingegen bekommen wir interessanterweise jedes Jahr mehr, als wir nehmen können. In der Bäckerei haben wir viele Quereinsteiger, Maturanten, die zu uns kommen und in ihrem zweiten Bildungsweg die Lehre machen. Das sind junge Menschen, die darüber nachdenken, was Essen, was Grundnahrungsmittel bedeuten. Die haben einen ganz anderen Zugang, ein ganz anderes Interesse daran. Derzeit haben wir zum Beispiel einen Innenarchitektur-Absolventen, der bei uns arbeitet, er kommt extra aus Wien. Er hat sich in der Branche umgehört, und aufgrund unserer Philosophie hat er sich für uns entschieden. Das ist einfach schön und spannend, mit diesen bunt gemischten Leuten zusammenzuarbeiten. Zu Ihrer Frage über Goodies: Die meisten Lehrlinge wollen möglichst früh beginnen, weil dann fühlen sie sich völlig anerkannt. Ganz zeitig in der Früh, da wird das Brot 'gewirkt'. Arbeiten dürfen sie um diese Zeit zwar wegen des Jugendschutzes nicht, aber dabei sein lassen wir sie. 

Um wieviel Uhr starten Sie?
Die Ersten kommen um 23.30 Uhr, 24 Uhr. Vollbetrieb herrscht bei uns um 2.00 Uhr, 2.30 Uhr Früh und das erste Auto fährt dann zwischen vier und 4.30 Uhr raus. Da geht es dann bei uns schon ziemlich zu.

Welchen persönlichen Eigenschaften haben Sie diese erfolgreiche Laufbahn zu verdanken? 
Ich bin jemand, der Visionen hat und diese auch mit Feuereifer verfolgt und ich bin jemand, der sehr hartnäckig ist – man könnte vielleicht 'stur' sagen. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann bin ich auch wirklich überzeugt davon. Und das verfolge ich dann mit Freude - da ist mein Team auch großartig, weil es lässt sich dann oft von meinem Feuer und meiner Freude anstecken und mitreißen. So kann man gemeinsam in eine Richtung steuern. Ich bin auch nicht jemand, der schnell aufgibt. Diese Unkenrufe am Anfang, sei es weil ich eine Frau oder Alleinerziehende war, oder man aufgrund des Geschlechts ganz einfach meine Kompetenzen in Frage gestellt hat, das hat weh getan, aber das hat mich dann noch mehr befeuert: Jetzt erst recht!

Was sollten junge Frauen mitbringen, die sich in der Arbeitswelt so erfolgreich wie Sie durchsetzen wollen? 
Sie sollen ihre Visionen nicht aus den Augen verlieren, dafür kämpfen, oft auch auf das Bauchgefühl hören und nicht nur auf den Verstand. Und sich nicht unterkriegen, sich nicht beirren lassen, auch wenn sie von außen solche Unkenrufe hören. Leider verharren viele in der Gesellschaft in alten Denkmustern und überlegen oft gar nicht lang, wenn sie etwas sagen. Dieses alte Denken muss dringend aufgebrochen werden, dieses Johlen am Stammtisch ein Ende haben. Es ist Zeit für ein Umdenken. Eine Gesellschaft kann nur wachsen, wenn alle sich gleichermaßen gut einbringen können. Das ist aber nur möglich, wenn Frauen die gleichen Rollen haben. Ich bin selbst Mutter von zwei Söhnen und sie haben den Prozess mitverfolgt. Als sie klein waren, habe ich sie hier oben ins Gitterbett gelegt und bin unten arbeiten gegangen. Es hat funktioniert. Meine Kinder sind beide glückliche, aufgeweckte Jungs. Neugierig, vielleicht selbstständiger als manche Kinder in dem Alter. Sie sind mutig. Mein älterer Sohn hilft manchmal im Geschäft, er ist einer meiner besten Verkäufer (lacht), und hat dabei eine riesengroße Freude. Wenn wir miteinander Zeit verbringen, dann nutzen wir sie ganz, ganz intensiv. 

Es gibt manchmal härtere Zeiten und da ist es als Unternehmerin wichtig, den Fokus nicht aus den Augen zu verlieren. Die Zeiten werden dann auch wieder besser. Aber man muss sich immer wieder selbst motivieren. Das ist ganz, ganz wichtig. 
 
Welche Hürden sehen Sie in Österreich als Frau in der Wirtschaft?
Eben diese Stereotype in den Köpfen. Das ist vielleicht in Österreich noch ausgeprägter als in manch anderen europäischen Ländern. Wenn eine Frau zum Rednerpult geht, blickt man immer noch ein bisschen schräg. Da nehme ich mich als Frau gar nicht aus. Man blickt zuerst auf die Kleidung und hört erst viel später zu. Schwierig ist sicher auch das Thema Kinderbetreuung, im Gegensatz zu skandinavischen Ländern. Das hat auch etwas mit der Rolle der Frau bei uns zu tun. Da hatte ich großes Glück, ich hatte eine Kleinkindergruppe, Tagesmutter, Familienmitglieder, die mitgeholfen haben. Als Frau hat man es schwieriger, weil man automatisch in diese Familienrolle hineingedrängt wird, und alles hauptsächlich auf den Schultern der Frauen lastet. Diese Rolle zu verändern ist eine große Herausforderung. Darum ist es enorm wichtig, dass man selbst genau weiß, was man möchte. Diese Toleranz und Offenheit, die meine MitarbeiterInnen mir entgegen bringen, würde ich mir von der Gesellschaft mehr wünschen.

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