Tabakkonzern will Snus massiv pushen
Wie Österreich rauchfrei werden soll

"Snus" wird in Form von kleinen Beutelchen zwischen Zähne und Lippe geschoben. | Foto: Foto: Danilov1991xxx/Panthermedia
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  • "Snus" wird in Form von kleinen Beutelchen zwischen Zähne und Lippe geschoben.
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Mit einer Raucherquote von 5,6 Prozent ist Schweden auf dem besten Weg, als erstes Land der Welt rauchfrei zu werden und gilt demnach als Vorbild für das Prinzip der Schadensminderung. Ausgerechnet Philip Morris International (PMI), also einer der größten Tabakkonzerne, die weltweit für die Produktion und den Konsum von Tabakwaren verantwortlich sind, will nach der Übernahme von Swedish Match, bekannter Hersteller von Snus, nun auch in Österreich mit Nikotinbeuteln Fuß fassen und damit die Raucherzahl, die hierzulande über dem EU-Schnitt liegt, minimieren. 

ÖSTERREICH. "Neun von zehn Rauchern, die mit dem Rauchen aufhören wollen, haben es nicht geschafft", leitete Alexander Schönegger, Managing Director von Philip Morris International (PMI) im Rahmen eines Hintergrundgesprächs Einblicke in die 'PMI-Marktstrategie im Zuge der Übernahme des schwedischen Tabakproduktionskonzerns Swedish Match 2022 und in die Produktintegration in Österreich ein.

Transformation in rauchfreies Österreich

Rund eine Milliarde Raucher gibt es weltweit. Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 für rauchfreie Gesellschaften (weniger als fünf Prozent Raucher) zu sorgen, begleitet mit gesundheitspolitischen Maßnahmen, um Schadensminimierung – ähnlich wie mit der Gurten- oder Helmpflicht im Straßenverkehr – auch auf den Tabakkonsum zu übertragen. Schweden wird dieses Ziel garantiert erreichen - und das ohne besonderem politischen Druck, wie Patrik Hildingsson, Vizepräsident im Bereich Kommunikation bei Swedish Match, erläuterte.

Zählt Schweden nur noch rund sieben Prozent (tägliche oder gelegentliche) Raucherinnen und Raucher, sind es in Österreich immer noch über 25 Prozent - also mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Die Quote der täglichen Raucher (im Jahr 2020) beträgt hier laut Statistik Austria 20,6 Prozent, die der gelegentlichen 5,6 Prozent. 24,7 Prozent gaben an, früher täglich geraucht zu haben. Nur 49 Prozent sind demnach hierzulande völlige Nichtraucher. Die höchste Raucherquote verzeichnet übrigens Griechenland mit 42 Prozent, der EU-Schnitt beträgt 23 Prozent. 

Trend geht weg von Zigaretten

Wie Schweden die Umkehr Richtung rauchfreie Gesellschaft gelungen ist? Der Tabakkonzern Swedish Match hat mit Snus (gesprochen: snüs) – Niktoin-Mischungen in Zellulose-Beuteln, die man unter die Oberlippe legt – sicher auch einen Beitrag zum Zigaretten-Sterben geleistet, wie Hildingsson nicht ohne Stolz erläutert. Und: In Schweden liegt die Verbreitung von Krebs weit unter der in anderen Ländern, wie etwa in Österreich. Das betrifft nicht nur Lungenkrebs, sondern auch andere Arten, wie Lippen- und Rachen- bzw. auch Magen und Bankreaskrebs, so Hildingsson. Die Korrelation zwischen Raucherquote und der Quote von Menschen mit Krebserkrankungen ist nicht direkt nachweisbar, aber naheliegend.

Alternativprodukte, allen voran E-Zigaretten, haben auch in Österreich einen wahren Siegeszug erlebt, seitdem Zigaretten nach und nach von politischer Seite aus dem öffentlichen Leben verbannt wurden und sich das Image aufgrund der massiven gesundheitsschädlichen Auswirkungen längst ins Negative gedreht hat. Auch in der Filmindustrie sind Zigaretten seit geraumer Zeit von den Leinwänden verschwunden, das Bild des Zigaretten rauchenden "einsamen Helden" gehört der Vergangenheit an.

Trotzdem: Der Anteil der verkauften Produkte in heimischen Trafiken waren 2020 immer noch zu 88 Prozent Zigaretten, Zigarren und Pfeifentabak, der Anteil rauchfreiee Alternativen lag bei zwölf Prozent (Tabak zum Ehritzen: 5%, E-Zigaretten: 4%, Nikotinbeutel: 3%).

2022 wurden 11,7 Milliarden Zigaretten laut Monopolverwaltung (MVG) von der Industrie verkauft. Über den Verkauf von Zigaretten machen Trafiken in Österreich einen Umsatz von 88,4 Prozent. Im Schnitt 70 Prozent des Ertrages einer Trafik macht der Verkauf von Tabakwaren aus. Aber der Trend ist rückläufig: 19,6 Millionen Packerln Zigaretten (—3,2 %) weniger gingen im Vorjahr über die Ladentische als noch 2021. Tabak zum Erhitzen (zb E-Zigaretten) verzeichnet hingegen starke Zuwächse. 

PMI hat den Trend zu Alternativprodukten längst erkannt und will auch am milliardenschweren Markt bei Nikotinbeutel mit naschen. Mit einer Heerschar von Wissenschaftlern – der Konzern beschäftigt weltweit rund 1.500 Expertinnen und Experten und veröffentlichte bisher nahezu 600 einschlägige Studien – tüftelt man mit einer zehn-Milliarden Dollar-Investition in den letzten 15 Jahre an der Weiterentwicklung der Produkte, um weiterhin an dem Markt, der fast ausschließlich von der Nikotin-Sucht der Konsumenten abhängig ist, weiter zu profitieren. 

Kampf um Marktanteile in Österreich

Ab 2. Jänner 2024 will PMI nun auch den österreichischen Markt erobern und legt dabei einen Fokus auf Niktotinbeutel. Zwar hat sich hierzulande Swedish Match unter der Marke "Thunder" bereits längst mit sieben Geschmacksrichtungen eingenistet, kämpft aber mit weiteren etablierten Marken, wie Skruf, Lyft, Nordic Spirit, Faro oder Shiro um Marktanteile. Die Marke Shiro (ebenfalls von PMI) wird ab 2024 eingestellt. Die Thunder-Geschmacksrichtungen in den Trafiken bleiben erhalten, das Design sowie die Produkt- und Warnhinweise auf den Dosen werden aber leicht verändert. PMI hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 zwei Drittel der Umsätze in Österreich durch Ersatzprodukte zu erwirtschaften.

Der durchschnittliche Packungspreis für Zigaretten (20 Stück) beträgt in Österreich 5,50 Euro (2022: Anstieg um 16 Cent). Zum Vergleich: Im Schnitt rund sechs Euro beträgt der Preis für eine Dose Nikotinbeutel (15-20 Stück). Im Gegensatz zu Zigaretten gibt es keine Preisbindung, da es sich bei den Produkten um tabakfreie Ware handelt, die von der Tabaksteuer befreit ist. Die Trafiken können die Preise also selbst gestalten. 

Zigaretten versus Alternativprodukte

Aber was macht Zigaretten so gefährlich für Konsumentinnen und Konsumenten? Verbrennt der Tabak, werden Schadstoffe freigesetzt, die man beim Rauchen einatmet. Diese Schadstoffe können zu schweren Krankheiten, allen voran Krebs, führen. Nikotin ist ein natürlicher Bestandteil von Tabak und wird in Alternativprodukten verwendet, die aber nicht verbrannt werden, jedoch meist Nikotin enthalten. Nikotin verursacht aber schwere Abhängigkeiten. Die Sucht kommt also von Nikotin.

Mit bestimmten Produkten wie Lutschtabletten, Sprays oder Kaugummis, in Apotheke rezeptfrei zu bekommen sind, versprechen manche Hersteller Konsumenten von der Nikotinsucht zu befreien. Manche davon enthalten Tabak. Welche Produkte sonst noch am Markt zu finden sind:

  • Tabakerhitzer erzeugen zwar beim Gebrauch Dampf, aber es kommt nicht zur schädlichen Verbrennung, sodass keine Schadstoffe freigesetzt werden. 
  • Bei E-Zigaretten wird Flüssigkeit (diese kann Nikotin enthalten) erhitzt.
  • Nikotinbeutel (Pouches) stehen für Nikotingenuss ohne Tabak. Ähnlich wie Snus oder Chewing Bags (das Pendant für den europäischen Markt) werden Nikotin Pouches unter die Oberlippe gelegt. Dort wird das Nikotin und das Aroma langsam frei gegeben – man nimmt Nikotin über die Mundschleimhaut auf. Zusätzlich enthalten sie Wasser, Salz und Aromen. Das Salz im Snus dient u. a. dazu, den pH-Wert im Mund aufrechtzuerhalten, was die Resorption des Nikotins begünstigt. Snus unterliegt dem Lebensmittelgesetzen, dh die Inhaltsstoffe müssen deren Anforderungen entsprechen. Außerhalb Schwedens sind Snus gleichbedeutend mit Nikotin-Pouches. und ermöglichen es, in Rauchverbotsszonen Nikotin unbemerkt zu sich zu nehmen.
  • Snus: In Schweden handelt es sich um Oraltabak, außerhalb Schwedens um tabakfreie Nikotinbeutel, die ebenfalls oral konsumiert werden, aber keinen Tabak enthalten, sondern Nikotin, aber ohne Verbrennung. Snus haben in Schweden eine lange Tradition schon seit dem vorletzten Jahrhundert als loser Tabak. 1973 wurden braune Snus-Packerln eingeführt, 1998 kamen weiße Snus auf den Markt, seitdem werden sie auch von Frauen konsumiert. Egal, ob in Portionen oder lose, Snus wird nicht gekaut oder es wird auch nicht ausgespuckt, wie man es vom Kautabak in alten Western kennt. 
    Seit Anfang des 20. Jahrhunderts gehört Swedish Match (unter den Konzern ist auch die Automarke Volvo subsumiert) zu den führenden Anbietern von Snus. Von diesem Zeitpunkt an hat Swedish Match nicht nur weitere Marken integriert, sondern auch das Produktportfolio kontinuierlich erweitert. 

Jugendschutz in Österreich

Immer mehr Jugendliche in Österreich greifen zu den Nikotinbeuteln, weil sie sich damit einen "Kick" versprechen und sie diese unbeobachtet konsumieren können - indem sie diese unter die Oberlippe stecken. Das kann eine für Eltern und Lehrer kaum zu kontrollierende Sucht werden. Die Jugendschutzbestimmungen sind in Österreich ganz klar geregelt und sind Ländersache. Allgemein gilt aber: Unter 18-Jährige dürfen laut Jugendschutzgesetz Drogen und Stoffe, die allein oder in Verbindung mit anderen Stoffen geeignet sind, rauschähnliche Zustände, Süchtigkeit, Betäubung oder psychische Erregungszustände hervorzurufen, und nicht unter das Suchtmittelgesetz fallen, nicht erwerben, besitzen oder zu sich nehmen. Darunter fallen zum Beispiel (tabakfreie) Nikotinbeutel. 

Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist auch der Erwerb, Besitz, Konsum und die Weitergabe von Tabakerzeugnissen, Shishas (Wasserpfeifen), E-Shishas oder E-Zigaretten und dafür notwendigen Stoffen, die als Tabakersatz oder -zusatz zur Verbrennung oder Verdampfung dienen, verboten. Trafikanten dürfen solche Produkte nicht an Jugendliche verkaufen. Um einen verantwortungsvollen Einzelhandel mit sensiblen Genusswaren durch die Trafikantinnen und Trafikanten zu gewährleisten, überprüft die MVG seit 2017 mit Mystery-Shopping die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen. In Österreich gilt für Tabakprodukte direktes und indirektes Werbeverbot.

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