Ein Gedenkjahr in Zeiten größter Not
Mit 1918 beginnt eine neue Ära unserer Geschichtsschreibung. Doch statt Jubelstimmung herrschen Hunger und Not in der Deutschlandsberger Bevölkerung.
Als im Jahr 1918 in Wien die Republik ausgerufen und damit der Schlusspunkt der Habsburgermonarchie manifest wird, herrscht im Bezirk Deutschlandsberg wenig Aufbruchstimmung. Vielmehr sah man sich mit existenziellen Problemen konfrontiert. "Die Stimmung war gedrückt. Die Menschen waren apathisch durch die große Not", erzählt Schulrat Herbert Blatnik, der für sein Wirken um die Erforschung der Geschichte der Steiermark mit dem Goldenen Ehrenzeichen des Landes Steiermark ausgezeichnet wurde.
1918 als Hungerjahr
Nachdem sich die Nahrungsmittelversorgung im letzten Kriegsjahr weiter verschlechtert hatte, waren die Menschen für jeden Bissen Brot dankbar. Fleisch war ohnehin Mangelware. "Um die Fleischversorgung zu verbessern, kaufte die Stadtverwaltung von Deutschlandsberg einem durchziehenden Regiment über 100 Pferde ab, schlachtete sie und deponierte das Fleisch im Kühlhaus des Geflügelverwerters Valentin Reinhard in Groß St. Florian. An Samstagen wurden die Fleischrationen verteilt. Für die Stadtverwaltung Deutschlandsberg war diese Vorgangsweise illegal und riskant, denn Fleisch war damals streng rationalisiert", berichtet Herbert Blatnik in seiner "Geschichte und Topographie des Bezirkes Deutschlandsberg 2005, Berichte über das Jahr 1918". Lebensmitteldiebstähle nahmen zu. Auch die Bauernschaft verarmte, so Blatnik, derart, dass sie hungern musste. "Bei der Viehzählung des Jahres 1920 hatte z.B. die ganze Gemeinde Unterfresen nur mehr einen Zugochsen." Neben dem Problem der Ernährung verschärfte sich die Lebenssituation der Menschen zusätzlich durch die "Spanische Grippe", der unzählige Einwohner des Bezirkes zum Opfer fielen.
Die neue Staatsgrenze
Nachdem im Dezember 1918 jugoslawische Truppen Leutschach besetzten, belagerte die Eibiswalder Volkswehrkompanie den Radlpass, um "heimkehrende Soldaten der Südarmee zu entwaffnen". Doch: "Auf Grund der Marburger Vereinbarung vom 13. Februar 1919 wurde eine entmilitarisierte Zone zwischen Truppen der Republik Deutschösterreich und des Staates der Serben, Kroaten und Slowenen, kurz SHS, geschaffen", führt Blatnik aus. Dies hatte u.a. eine Reduktion der in Eibiswald stationierten Volkswehrkompanien zur Folge, "was von der Zivilbevölkerung mit Erleichterung aufgenommen wurde, da sich die Volkswehr zu einer richtigen Landplage entwickelt hatte". Der Regionalhistoriker zitiert hier die Eibiswalder Gemeindechronik, die vermerkt: "Sie schmuggeln, sie fischen mit Gewehrschüssen in der Saggau und handeln mit Waffen und Munition." Bald darauf sei eine vorläufige Demarkierungsgrenze gezogen worden, die bereits dem Verlauf der späteren Staatsgrenze folgte.
Sobother im Abwehrkampf
Interessantes berichtet Herbert Platnik auch über die Situation in Soboth - die Soboth war ein Teil des SHS-Staates: Hier regte sich Widerstand in der dort ansässigen Bevölkerung, was in weiterer Folge dazu führte, dass jugoslawische Gendarmen das Sobother Schulhaus in Beschlag nahmen. Dieses wurde zu einem Gendarmierieposten umfunktioniert. Der vereinbarte Waffenstillstand kippte, als serbische Offiziere Einberufungsbefehle an Sobother Bauernhöfen verteilten. Die betroffenen Sobother Burschen nahmen die slawische Besatzung gefangen, was wiederum zu einer Rache-Aktion gegen die Sobother führte. Gefechte zwischen Jugoslawen und den Sobother Abwehrkämpfern folgten. Soboth blieb schließlich bis zum 30. Juli 1920 besetzt - trotz Friedensvertrag von St. Germain.
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