Bezirksjägermeister im Interview
Große Gefahren für kleine Wildtiere

Bezirksjägermeister Johann Silberschneider bei einer Kitzrettung | Foto: privat
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  • Bezirksjägermeister Johann Silberschneider bei einer Kitzrettung
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Bezirksjägermeister Johann Silberschneider über tiergerechtes Verhalten im Wald, moderne Kitzrettung und ein Appell an alle Hundehalterinnen und -halter.

BEZIRK DEUTSCHLANDSBERG. Auch wenn derzeit das extrem nasse Wetter weder große Spaziergänge noch die erste Mahd zulassen, sobald die Sonnenstrahlen wieder spürbar werden, sind viele wieder auf Wiesen und in Wäldern unterwegs. Auch die Landwirte stehen bereits in den Startlöchern für die Heumahd, dem ersten Schnitt im Jahr, die allerdings Ende Mai oft mit der Setzzeit der Kitze zusammenfällt. Angesichts der messerscharfen Mähwerke an den großen landwirtschaftlichen Geräten befinden sich die wenige Tage alten Kitze dann in höchster Gefahr.
Wie man sich im Wald gerade jetzt zu verhalten hat, was man beim Auffinden von Jungtieren (nicht) zu tun hat und wie sich die Landwirtinnen und Landwirte auf den ersten Grasschnitt vorbereiten kann, ohne Kitze dabei zu verletzen und zu töten, dazu hat MeinBezirk.at mit dem heuer gewählten Bezirksjägermeister Johann Silberschneider gesprochen.

Interview mit Bezirksjägermeister Johann Silberschneider

  • Für welche Tiere ist jetzt, im Mai Setzzeit?

JOHANN SILBERSCHNEIDER. Mit den wärmer werdenden Temperaturen verwandelt sich unsere heimische Natur in eine große Kinderstube. Rehwild, Feldhasen, Enten und Fasane bringen aktuell Ihre Jungen zur Welt.

  • Darf man Jungtiere anfassen? 

Nein, keinesfalls! Aufgefundenes Jungwild darf auf keinen Fall berührt werden. Scheinbar verwaiste Rehkitze oder Junghasen sind meistens gar nicht so hilflos, wie es vielleicht den Anschein hat. Der gut getarnte Nachwuchs wird in den ersten Lebenswochen von den Müttern oft viele Stunden allein gelassen und nur zum Säugen aufgesucht – dieses Vorgehen ist nämlich der beste Schutz vor Fressfeinden.
Die Küken bodenbrütender Vögel sind oft „Nestflüchter“ und laufen selbstständig umher, werden aber dennoch weiter von den Eltern versorgt.
Erst durch Menschengeruch werden Jungtiere wirklich zu Waisen.

Nur nicht berühren: So kleine Kitze laufen bei Gefahr nicht davon. Sie ducken sich ins Gras und sind motorisierten Mähwerken aber auch Menschen und Raubtieren wie auch Hunden hilflos ausgeliefert. | Foto: Silberschneider
  • Nur nicht berühren: So kleine Kitze laufen bei Gefahr nicht davon. Sie ducken sich ins Gras und sind motorisierten Mähwerken aber auch Menschen und Raubtieren wie auch Hunden hilflos ausgeliefert.
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  • Weshalb sollte man die Wege nicht verlassen?

Wildtiere halten sich besonders gern im Dickicht der Wälder, in Gebüschen, Feldhecken oder im hohen Gras auf. Es ist daher unbedingt notwendig, diese Ruhezonen zu meiden und die Wege nicht zu verlassen.

  • Ihr Appell an alle Hundebesitzerinnen und -besitzer?

Hunde gehören bei Spaziergängen unbedingt an der Leine geführt. Vor allem freilaufende Hunde können eine große Gefahr für trächtige Tiere und brütende Vögel sowie deren Nachwuchs darstellen.

"Selbst ein kleiner Biss kann einen qualvollen Tod für ein Kitz bedeuten, weil es die Mutter nicht mehr annimmt. Vierbeiner sollten deshalb in diesen sensiblen Bereichen unbedingt angeleint sein!"
Bezirksjägermeister Johann Silberschneider

  • Wildtier gefunden, was ist zu tun?

Naturbesucher sollten vermeintlich verletzte, geschwächte, kranke oder anderweitig gefährdete Wildtiere aus sicherer Entfernung beobachten und im Zweifelsfall einen ortsansässigen Jäger kontaktieren, der den Zustand einschätzen kann, oder die Polizei informieren.

Wildtiere sind allerdings von Natur aus in der Lage, sich selbst gut zu ernähren und zu pflegen. Sie brauchen den Menschen nicht als Schutz, denn sie haben hervorragend ausgebildete Instinkte.

Am besten helfen wir den Tieren, indem wir unser Verständnis für eine intakte und möglichst artgerechte Natur schärfen. Dazu gehört auch, unser Wissen um die ökologischen Zusammenhänge in der Natur zu erweitern.
Bezirksjägermeister Johann Silberschneider

Die kleinen Rehkitze werden mit Handschuhen und einem Büschel Gras in Schachteln gelegt, bis die Luft wieder rein ist. Die Kitzmutter darf keinesfalls den menschlichen Geruch wahrnehmen, sonst würde sie das Kleine nicht mehr annehmen und es würde elend verhungern. | Foto: Bernhard Zechner
  • Die kleinen Rehkitze werden mit Handschuhen und einem Büschel Gras in Schachteln gelegt, bis die Luft wieder rein ist. Die Kitzmutter darf keinesfalls den menschlichen Geruch wahrnehmen, sonst würde sie das Kleine nicht mehr annehmen und es würde elend verhungern.
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  • Die Mähzeit hat vielfach begonnen, zeitgleich ist die Setzzeit des Rehwildes. Daher sind viele Kitze bedroht, die bei herannahendem Mähfahrzeug nicht wegspringen. Warum?

In den ersten Tagen nach der Geburt sind Kitze noch nicht fluchtfähig und sie drücken sich an den Boden bzw. sie verstecken sich im hohen Gras. Nach zirka sieben bis zehn Tagen sind Kitze in der Lage, selbständig auf Gefahren zu reagieren.

  • Welche Möglichkeiten hat die Landwirtschaft vor dem ersten Schnitt, Kitze vor dem Mähtod zu schützen?

Um Kitze vor dem Mähtod zu bewahren macht es Sinn, Kontakt mit den Jagdausübungsberechtigten aufzunehmen.
Gemeinsam können je nach Situation verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Die einfachste Maßnahme ist sicher das Aufstellen von Scheuchen am Vorabend der Mahd.
Moderner und technisch ausgereifter sind sogenannte Kitzretter, die z.B. mit blauem Blinklicht optische und akustische Signale abgeben.

Außerdem hat der Landwirt beim Mähvorgang die Möglichkeit, von innen nach außen zu mähen, damit das Wild flüchten kann und nicht in die Mitte getrieben wird.

  • Welche Hilfsmittel stellt das Bezirksjagdamt Deutschlandsberg zur Kitzrettung zur Verfügung?

Im Bezirk Deutschlandsberg sind von der Jägerschaft aktuell vier Wärmebilddrohnen zur Kitzrettung im Einsatz.
Zusätzlich zu den Drohnen sind vor allem die blinkenden Kitzretter und Sirenen, die direkt am Traktor montiert werden können, sehr beliebt.

  • Ihr Tipp?

Landwirte sollen unbedingt mit den in ihrem Gebiet zuständigen Jägerinnen und Jägern Kontakt aufnehmen. Diese organisieren unterschiedliche Kitzrettungsmöglichkeiten.

"Landwirte und Jäger haben schließlich ein gemeinsames Interesse daran, Jungtiere vor dem Mähtod zu bewahren.
Zum einen geht es darum, Tierleid zu verhindern, und um anderen schützen Landwirte ihre Wiederkäuer, damit sie nicht durch kontaminiertes Futter an Botulismus erkranken."
Bezirksjägermeister Johann Silberschneider


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