Gegen Kritik und Zweifel
Hagelflieger-Piloten sind für uns im Einsatz

Schaut man kurz vor einem Gewitter nach oben, sieht man sie häufig: Die Hagelflieger-Piloten die über dem Bezirk Deutschlandsberg im Einsatz sind. | Foto: Steirische Hagelabwehr
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  • Schaut man kurz vor einem Gewitter nach oben, sieht man sie häufig: Die Hagelflieger-Piloten die über dem Bezirk Deutschlandsberg im Einsatz sind.
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Von Mai bis Ende September sind sie unterwegs - die Piloten der Steirischen Hagelabwehr. In luftiger Höhe wirken sie Katastrophenhagel bzw. Schadhagel entgegen. Der Obmann-Stellvertreter Michael Kerner ist häufig über dem Bezirk Deutschlandsberg im Einsatz - in dem übrigens Stainz die einzige ganze Gemeinde ist, die keinen Vertrag mit der Hagelabwehr abgeschlossen hat. Wir haben nachgefragt warum und wieso keine Unterstützung von der Hagelversicherung kommt.

BEZIRK DEUTSCHLANDSBERG. Hagel entsteht in Gewitterwolken, in denen feuchte warme Luft aufsteigt - in Höhen von bis zu 19 Kilometern. Die Luftfeuchtigkeit kondensiert an kleinsten Staubteilchen, so genannten Kondensationskernen, und gefriert. Sind aber zu wenig dieser Kondensationskerne vorhanden, legt sich mehr und mehr Feuchtigkeit an den wenigen Kernen fest und es entsteht Hagel. Dadurch können sich sehr große Hagelkörner bilden, die großen Schaden anrichten, wenn sie am Boden auftreffen.

Die Piloten der Steirischen Hagelabwehr bringen mit speziellen Generatoren an ihren Flugzeugen Billionen von Kondensationskernen in Form von Silberjodid-Kristallen ein. "Wir fliegen in die Zone, in der die Gewitterwolke die Luft ansaugt, die Wolke macht also die Arbeit für uns", erklärt Michael Kerner, der Obmann-Stellvertreter der Steirischen Hagelabwehr. Dadurch entstehen statt wenigen großen Hagelkörnern viele kleine Körner. Silberjodid ist für Umwelt und Menschen unbedenklich.

Michael Kerner ist Obmann-Stellvertreter bei der Steirischen Hagelabwehr. | Foto: Löschnig
  • Michael Kerner ist Obmann-Stellvertreter bei der Steirischen Hagelabwehr.
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"Wir können nicht beeinflussen, dass es runterkommt, sondern nur, was runterkommt", erklärt der Pilot. Diese kleinen Hagelkörner tauen beim Runterfallen durch wärmere Luftschichten entweder auf und kommen als große Wassertropfen am Boden an - oder als kleinkörniger Hagel. Die Sorge, dass die Hagelabwehr den Regen vertreiben würde, ist also unbegründet, denn das wäre gar nicht möglich.

Findest du, dass jede Gemeinde für die Hagelabwehr zahlen sollte?

Im Einsatz für die Bevölkerung

Die Steirische Hagelabwehr ist aktuell auf insgesamt 350.000 Hektar im Einsatz. Darunter befinden sich rund 104 Gemeinden in der südlichen Steiermark - von Hartberg bis Arnfels. Zehn Piloten fliegen vier Flugzeuge, zwei davon sind in Graz stationiert, die anderen zwei in Fürstenfeld. Bald kommt ein fünftes Flugzeug hinzu. "Bei uns geht es um Zeit. Eine Gewitterwolke bildet sich innerhalb von zehn Minuten aus - und wir müssen in der Entstehungsphase an der Wolke sein", erklärt Kerner. Die Piloten der Hagelabwehr sind teilweise angestellte Piloten, teilweise "Freelancer" so wie Kerner.

"Wir sind alle Idealisten, die eine sehr hohe Affinität und großes Interesse am Wetter und an der Hagelabwehr selbst haben. Sonst macht man das nicht."
Michael Kerner, Hagelflieger-Pilot

Jeden Tag bekommen die Piloten der Hagelabwehr eine Wettervorhersage von "GeoSphere Austria" (ehemals "ZAMG"), eine Vorschau für den laufenden Tag sowie für die kommenden zwei Tage. In diesem "Forecast" wird die Gewitterwahrscheinlichkeit und die Hagelwahrscheinlichkeit in den Regionen abgeschätzt, die die Steirische Hagelabwehr betreut. Außerdem wertet ein Meteorologe der TU Graz diese Daten aus und holt noch zusätzliche Infos ein. Mit diesen gesammelten Informationen wird dann ein Einsatzplan für den Tag erstellt. Die meisten Gewitterlagen seien durch eine Westströmung bedingt, im Gebiet von Eibiswald bis Voitsberg entstehen also meistens die ersten Gewitterzellen.

Die Steirische Hagelabwehr sorgt dafür, dass weniger Katastrophen- bzw. Schadhagel am Boden ankommt. | Foto: Steirische Hagelabwehr
  • Die Steirische Hagelabwehr sorgt dafür, dass weniger Katastrophen- bzw. Schadhagel am Boden ankommt.
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Immer bereit 

"Wir machen fliegerische Grenzerfahrungen. Aber das Ganze in einem gesicherten und geführten Umfeld", erklärt der Pilot. Wirklich gefährlich sei die Aufgabe aber nicht, denn es werden keine Zufälle zugelassen oder Experimente gemacht. Außerdem werden bei der Steirischen Hagelabwehr nur erfahrene Piloten engagiert.

Im Jahr fliegen die Piloten ca. 300 Einsätze, durchschnittlich sind sie ungefähr eine Stunde unterwegs. Die längsten Einsätze können bis zu vier Stunden dauern. Und wenn es danach trotzdem zu einem starken Hagel kommt? "Dann fühlt man sich wie ein Feuerwehrmann, der zu einem Haus kommt und es trotzdem abbrennt", erklärt Kerner. Schließlich könne man nicht alles verhindern. Laut dem erfahrenen Piloten gab es früher weniger Gewitter, die eher vorhersehbar waren und länger gedauert haben. "Heute haben wir sehr viele Gewitterereignisse, die sehr kurzfristig sind und meistens öfters und sehr spontan auftreten".

Zehn Piloten der Steirischen Hagelwehr sind über einem Gebiet von 350.000 Hektar im Einsatz. | Foto: Steirische Hagelabwehr
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Weißer Fleck auf der Landkarte

Sieht man sich das Einsatzgebiet der Steirischen Hagelabwehr an, fällt auf, dass es in dem Bezirk Deutschlandsberg einen großen weißen Fleck gibt - nämlich die Marktgemeinde Stainz. Der Bereich Wies und Eibiswald wird vom privaten Kärntner Unternehmen "Südflug" betreut. "Stainz ist im Bezirk Deutschlandsberg die einzige Gemeinde, die nicht zahlt", weiß auch Kerner.

Natürlich können die Piloten aber das Gebiet über Stainz nicht bei ihren Einsätzen "auslassen". "Ein Gewitter bleibt nicht über einem Ort stehen, es zieht weiter. Wir müssen Stainz trotzdem befliegen, weil das Gewitter weiter in unsere Gebiete zieht", erklärt der Pilot und meint weiter: "Die Gemeine erspart sich halt ein paar Tausend Euro im Jahr, was für eine Gemeinde wahrscheinlich ein Klacks ist." Der Preis ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich, denn er hängt von Gemeindeflächen ab, einem eventuell anfallenden Städtezuschlag und der Unterscheidung zwischen Wald und Nicht-Wald. 

"Der Wald wird mit 1,65 Euro pro Hektar pro Jahr berechnet. Und Nicht-Wald, also alles, was besiedelt ist, mit 3,30 Euro pro Jahr.
Michael Kerner

Hier zu sehen: Das gesamte Einsatzgebiet der Steirischen Hagelabwehr.  | Foto: Steirische Hagelabwehr
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Die kleineren Gemeinden zahlen im Schnitt pro Jahr ca. 5.000 bis 7.000 Euro. Die Steirische Hagelabwehr ist allerdings eine Genossenschaft - also nicht gewinnorientiert. Warum ist die Gemeinde Stainz nicht dabei? "Ich als Bürgermeister der Marktgemeinde Stainz, selbst Landwirt und daher Betroffener, bin auch für die Hagelabwehr", erklärt Bürgermeister Karl Bohnstingl seinen Standpunkt. "Es ist für mich nur nicht nachvollziehbar, dass die gesamten Kosten nur auf die Gemeinden abgewälzt werden. Hier sollte auch die Hagelversicherung einen Teil übernehmen, weil sie die Hauptnutzer sind und durch die Hagelabwehr weniger Schäden auszahlen müssen", so der Bürgermeister weiter.

"Wir als Marktgemeinde Stainz hoffen, dass auch andere Gemeinden an die Hagelversicherung herantreten, damit ein Teil der Kosten von der Hagelversicherung übernommen wird."
Bürgermeister Karl Bohnstingl

Keine Unterstützung von der Hagelversicherung

Laut Kerner betreibt die Hagelversicherung in Deutschland sogar zwei Hagelabwehrflugzeuge. "Bei uns in Österreich gibt es leider kein Interesse seitens der Hagelversicherung, präventiv etwas zu machen", ärgert sich der Pilot. Die Steirische Hagelabwehr wird in keiner Form von der Österreichischen Hagelversicherung unterstützt. Warum? "Die Österreichische Hagelversicherung begrüßt alle Maßnahmen, die zur Verhinderung von Hagelschäden dienen. So informieren wir unsere Kunden per SMS über herannahende Stürme bzw. hohe Schneemengen zur Verhinderung von Schäden oder Fördern auch die Errichtung von Hagelschutznetzen", sagt Magdalena Hofer von der Österreichschen Hagelversicherung.

"Die Österreichische Hagelversicherung ist seit dem Jahr 2006 Partner im Projekt "Hagelplattform Stmk" , welches vom Land Steiermark durchgeführt wird und sich mit der Wirksamkeit der Hagelabwehr beschäftigt. Bisher allerdings ohne hilfreiche Ergebnisse. Betreffend der wirkungsvollen Hagelbekämpfung durch Hagelflieger ist sich die Wissenschaft international nicht einig. Ein Informationsaustausch mit verschiedenen Riskmanagement-Organisationen z.B. USA und Kanada hat ergeben, dass die Wirkung mit derzeitigen Methoden für die Landwirtschaft unzureichend ist."
Magdalena Hofer, Österreichische Hagelversicherung

Weiters würden laut der Hagelversicherung Landwirte befürchten, dass durch Hagelflieger Gewitterregen verhindert werden und sich der Dürreschaden in trockenen Jahren vergrößert. "Für eine Beteiligung der Hagelversicherung zur Hagelabwehr braucht es demnach eine Einigung der Wissenschaft und die praktische Wirksamkeit", erklärt Hofer.

"Man muss fairerweise sagen, dass es keine wissenschaftliche Möglichkeit gibt, die gleiche Wolke einmal zu 'beimpfen' und einmal nicht", meint Kerner, dass es nicht möglich ist, einen wissenschaftlichen Beweis im Einzelfall zu führen. "Es gibt aber durchaus Studien, die zeigen, dass es durch die Hagelabwehr zu weniger Hagelschäden kommt", so der Pilot. Von Otto Svabik von der ZAMG Wien (wie sie damals hieß) gibt es in etwa eine Studie, die ergeben hat, dass es weniger Schadhagelereignisse gibt, wo Hagelflieger im Einsatz waren. 

Mehr Informationen zur Studie und weitere wissenschaftliche Berichte findest du auf www.hagelabwehr.at/wissenschaft

"Wenn man sagt, die Hagelabwehr hat keine Wirkung, warum behauptet man dann auf der anderen Seite, sie könnte den Regen vertreiben?", fragt sich Kerner zum Statement. 

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