„Schatz, du bist zu dick …“
Darf ich meinem Partner sagen, dass er abnehmen soll? Wie man ehrlich sein kann ohne zu verletzen.
Sie sind mit Ihrem Partner glücklich, aber da wäre diese eine Sache: Sie finden, dass er/sie zu dick ist und abnehmen sollte. Sollen Sie es ihm/ihr das sagen?
Zuerst eine Anleitung zum Unglücklichsein: Wenn Sie beide verzweifeln wollen, dann meckern Sie am besten unkontrolliert an Ihrem Partner herum. Ja nach Beziehungslage kommt die Antwort: „Lass mich in Ruhe! Das geht dich nichts an!“ Oder „Ja, ich versuche es!“ Aber: Passieren wird nichts, denn der Angemeckerte geht innerlich in Widerstand.
Warum? Weil die Beziehungsbotschaft auch hinter einem derartigen Änderungsappell negativ ist. Wer so angesprochen wird, fühlt sich abgewertet und nicht mehr so geliebt – vor allem, wenn derjenige wenig Selbstwert hat. So kann es zur Eskalation kommen.
Darf man nun gar nichts sagen? Mitnichten! Sie dürfen sogar viel sagen und auch sehr direkt. Es kommt aber darauf an, unter welchen Bedingungen die Kommunikation erfolgt. Entscheidend ist: Klare Ansagen brauchen als tragendes Element Wertschätzung und Respekt vor dem anderen. Er/sie muss wissen, dass er/sie auch so, wie er/sie jetzt gerade ist, in Ordnung ist.
Wenn die respektvolle Basis gegeben ist, lässt sich fast alles sagen – frei nach der Formel „Ich schätze dich als Mensch, aber dein Verhalten, sinnlos Essen in dich hinein zustopfen, schätze ich nicht. Dagegen protestiere ich. Das ist meine Pflicht.“
Tipps für die „Figur-Diskussion“
1.) Vermitteln Sie Ihrem Partner täglich, dass Sie ihn lieben. Gestalten Sie kleine Momente der Resonanz, indem Sie ein liebes Wort sagen, was Sie an ihm/ihr gut finden, etc.
2.) Bieten Sie Unterstützung an, aber machen Sie den Gewichtsverlust Ihres Partners nicht zu Ihrer Sache. Er oder sie muss es von sich aus innerlich wollen.
3.) Oft kommen Sie mit Nettigkeiten aber nicht weiter. Dann ist Widerstand erlaubt – unter der Bedingung, dass Sie den anderen als Person völlig akzeptieren aber die eine Verhaltensweise nicht.
4.) Auf dieser Basis können Sie deutlich sagen „Mein lieber Mann/meine liebe Frau, ich schätze dich sehr. Du hast einen festen Platz in meinem Leben und das wird so bleiben. Was mir aber Sorgen macht, ist dein Essverhalten und die Art, wie du mit deinem Gewicht und deiner Gesundheit umgehst. Dagegen werde ich mich wehren und Unterstützung bei Freunden holen, die mir helfen.“
5.) Das mag Ihren Partner verblüffen. Wenn er/sie fragt, warum Sie das tun, können Sie sagen „Das ist meine Pflicht, weil ich dich liebe und du wirst sicher eine Idee haben, wie wir eine Lösung finden.“
6.) Dann entspinnt sich oft ein konstruktives Gespräch, vor allem, weil der Schlüssel für die Lösung bei Ihrem Partner liegt.
7.) Auf dieser Ebene können individuelle Lösungen erarbeitet und auch Hintergründe verstanden werden: etwa was Essen für Ihren Partner bedeutet.
8.) Sie dürfen in Ihrer Botschaft „Ich werde mich gegen dein verantwortungsloses Essverhalten wehren!“ beharrlich bleiben – neben Beziehungsgesten der Liebe.
9.) Wie das Abnehmen tatsächlich klappt, sollte nicht Ihre Sache sein. Das überlassen Sie Ihrem Partner – auch mit Unterstützung, etwa durch einen Therapeuten.
DER EXPERTE
Dr. Philip Streit ist Psychologe, Psychotherapeut und Lebens- und Sozialberater.
Seit 20 Jahren leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das größte Familientherapiezentrum der Steiermark.
Kontakt: www.ikjf.at oder per Tel.: 0316/77 43 44
Jede Woche beantwortet er in der „WOCHE“ eine Frage rund um Erziehung und Beziehung.
Ihre Fragen und Anregungen können Sie an die Redaktion schicken:
elisabeth.poetler@woche.at
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.