Deine Geschichte: In der Fremde viel gelernt
Die WOCHE trifft Menschen, die eine Geschichte zu erzählen haben.
Ein Treffen im Stadtpark bei herrlichem Frühlingswetter. Der Empfang ist herzlich, der Tisch im Pavillion ist gedeckt zum gemütlichen Kaffeetrinken. Manuela Szcypior-Sindler und Reimund Szcypior erzählen ihre Geschichte. Ein ganz normales Paar. Und sie haben einiges erlebt.
Das Ehepaar mit Gleisdorfer und deutschen Wurzeln entschloss sich dazu, Mitteleuropa den Rücken zu kehren und auf viele Annehmlichkeiten zu verzichten. „Wir wollten für ein Jahr in die Türkei gehen. Unsere Kinder waren damals zwei und vier Jahre alt, und wir dachten uns, bis sie in die Schule kommen, können wir uns erlauben, einmal etwas anderes kennen zu lernen," erklärt Manuela. Aus einem Jahr wurden 13.
Strom gab es nicht, die Wäsche musste von Hand gewaschen werden. Gekocht wurde auf Gas, das Wasser wurde in einem Tank auf dem Dach gesammelt. "Wenn es länger nicht geregnet hat, gab's eben kein Wasser," sieht Reimund die Umstände locker. Erst nach drei Jahren schaffte sich die Familie einen kleinen Generator und eine einfache Waschmaschine an. Und einen Fernseher, denn: "Die Kinder waren schon mehr bei den Nachbarn zum Fernsehen als zuhause."
Den Einheimischen erschienen die „Deutschen“, die freiwillig auf so viel verzichteten, als Exoten. „Ich habe zwei Besuchern unseres Hofes zugehört, die sich nicht einig wurden, ob sie unsere Lebensweise nun gut finden sollten oder nicht,“ lacht Manuela Szcypior-Sindler, und fügt hinzu: „Die Ruhe bei uns hat ihnen schon gefallen.“
Die Szcypiors lebten als Selbstversorger von einer Landwirtschaft nach der Homa-Methode. Diese Art des Ackerbaus geht auf die Lehre der indischen Veden zurück. Universitäten und das türkischen Landwirtschaftsministerium interessierten für die Erfahrungen der Szcypiors.
Dem Aufenthalt in der Türkei folgten sieben Jahre in Indien. Vor zwei Jahren kehrten die Szcypiors nach Gleisdorf zurück, ein Pflegefall in der Familie machte es notwendig. Was von den langen Auslandsaufenthalten blieb, ist eine auch für Außenstehende spürbare Zufriedenheit und Naturverbundenheit. Raimund erklärt: „Wir haben alles, was wir brauchen. Das, was wir nicht haben, brauchen wir auch nicht.“
Die Gier nach mehr und das egoistische Verhalten mancher Mitmenschen befremdet. Die Komfortzone der Wohlstandsgesellschaft ist dem Paar unbequem.
„Wenn ich in den Supermarkt gehe und dort die Wahl zwischen 40 verschiedenen Käsesorten habe, bin ich fast überfordert,“ gesteht Manuela. „In Österreich haben wir so viel, und wir sind uns dessen oft nicht einmal bewusst.“
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