Gerald Ganglbauer im Interview
Ein Tausendsassa kommt zur Ruhe
Der Stattegger Gerald Ganglbauer zeigt ein letztes Mal Kultur und Literatur aus der Fremde.
24 Jahre lang hat Gerald Ganglbauer mit dem Kulturmagazin "Gangway" Exilautoren online eine Plattform geboten, Literatur aus der Fremde um die ganze Welt zu schicken. Jetzt erscheint die letzte Ausgabe, und zwar in Printformat: Auf 164 Seiten bietet der Stattegger den Lesern eine umfangreiche Dokumentation als Zeitzeuge der Kulturlandschaft, in der er seit den 1980er-Jahren beheimatet ist. Ganglbauer hat aber noch mehr zu erzählen: Er ist Weltenbummler und aufgrund seiner eigenen Erkrankung an Morbus Parkinson zu einem wichtigen Sprachrohr für die Community geworden.
WOCHE: Mit der letzten Ausgabe geht eine literarische Ära zu Ende. Können Sie überhaupt in „kulturelle Pension“ gehen?
Gerald Ganglbauer: Es wird mir nichts anderes übrig bleiben, denn mein Körper lässt es nicht mehr zu, dass ich mir jeden Abend eine Performance anschaue oder ein Konzert anhöre, fotografiere oder filme. Dennoch kann ein Workaholic nicht "nix" tun. Ich habe schon Projekte im Kopf mit Benefizkonzerten.
"100 Artikel aus den Stattegger Jahren" lautet der Untertitel. Gibt es einen Artikel, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ich hatte mit dem Gangway das Privileg eines eigenen Mediums. Folglich habe ich nur über Ereignisse geschrieben, die mich selbst interessiert haben. Aber als ich im Lockdown einen nach dem anderen Artikel wieder gelesen habe, kamen laufend Erinnerungen hervor, menschliche Begegnungen, Diskurse mit Künstlern, allesamt Teilchen des Puzzles, die in Summe mein Leben ausmachen.
Literatur „aus der Fremde“ – was macht sie besonders?
Ein Blick über den Tellerrand ist jedem zu empfehlen. Ich würde jungen Menschen auch ein Auslandsjahr anstelle von Wehrdienst nahelegen. Das würde gegen aufkeimenden Nationalismus und Rassismus helfen. Wenn man das andere kennenlernt, ist es einem nicht mehr fremd.
Sie sind als Weltenbummler bekannt. Was hat Sie in die Ferne gezogen, was war es aber, das Sie wieder nach Hause geholt hat?
Meist waren es Frauen aus anderen Ländern, die ich en route kennenlernte und besuchte, letztlich war es aber doch eine Österreicherin aus Andritz, meiner alten Nachbarschaft, wegen der ich mein Retourticket nach Sydney verfallen ließ. Aber auch diese letzte große Liebe ging nach vier Jahren in die Brüche.
Sie haben einmal gesagt: "Wenn man im Ausland lebt, hat man so etwas wie eine österreichische Seele." Wie ist die österreichische Seele?
Die Bezeichnung von Erwin Ringel ist kein Klischee: Auslandsösterreicher leben in aller Welt, aber bestellen sich Sachertorten oder Kürbiskernöl und freuen sich auf Leberkas-Semmeln, wenn sie Urlaub daheim machen. Sie sudern, granteln und schimpfen gern über andere, was in Foren sehr gut sichtbar wird. Ich weiß, wovon ich spreche, da ich das erste Auslandsösterreicher-Forum gegründet und acht Jahre lang moderiert habe.
Durch Ihre Erkrankung sind Sie ein wichtiges Sprachrohr geworden. Wie hat Morbus Parkinson Ihr Schaffen verändert? Was ist noch zu tun?
Parkinson verlangsamt mich zunehmend wie eine Lok, die mit Volldampf gegen Bremsen anschiebt, bis sie unweigerlich wie in einem Kopfbahnhof zum Stillstand kommt. Daher rührt der Titel meines letzten Buches: „Kopfbahnhof“. Ich habe in den letzten zehn Jahren einiges erreicht, doch es bleibt noch viel zu tun, in der Bevölkerung aufzuklären und Parkinson-Forschungsteams zu unterstützen. Denn obwohl diese erbarmungslose Krankheit schon seit über 200 Jahren bekannt ist, gibt es noch immer keine Aussicht auf Heilung.
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