„Es geht um das Erbe von Hammer-Purgstall“

Schlossbesitzerin Annabella Dietz im Gespräch mit der WOCHE.
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Im Gespräch mit der WOCHE lässt Annabella Dietz hinter die Kulissen von Schloss Hainfeld blicken.

Fast drei Jahre ist sie her, die Regionale 2008. Damals stand Schloss Hainfeld mit Joseph von Hammer-Purgstall im Mittelpunkt des Geschehens. Seither lockte Annabella Dietz Zehntausende Besucher zu kulturellen Veranstaltungen hinter die Schlossmauern. Die Regionale hält, was sie versprach: Nachhaltigkeit. Doch auch die Schlossmauern hören nicht auf zu bröckeln. Im Interview hält die Schlossherrin mit ihrer Enttäuschung über das Land Steiermark nicht hinterm Berg.

WOCHE: Ist nach der Regionale 2008, Oral History 2009 und Artists in Residence 2010 Ruhe ins Schloss Hainfeld eingekehrt oder ist auch in diesem Jahr ein Kulturprogramm geplant?
Annabella Dietz: Für heuer ist wieder ein Artists-in-Residence-Programm geplant. Dazu möchte ich zumindest drei internationale Künstler ins Schloss holen. Darüber hinaus würde der Frauenzirkus eine Ausstellung machen. Wir alle warten allerdings noch auf die Förderzusagen.

Ins Schloss wird also nicht Ruhe einkehren. Aber auch ums Schloss will es nicht so recht ruhig werden. Es gibt Gerüchte, wonach Sie verkaufen wollen. Nur Gerede?
Das ist nur Gerede. Was den Verkauf betrifft, sind definitiv Gerüchte wider besseres Wissen gestreut worden. Ich weise das alles vehement zurück. Wenn es denn so weit wäre, würde ich mit Sicherheit an die Bevölkerung herantreten und das öffentlich selbst bekannt geben.

Sie haben das Erbe im Jahr 2005 angetreten. War Ihnen damals bewusst, was alles auf Sie zukommen wird?
Überhaupt nicht! Das war ein Sprung ins Eiswasser. Ich habe aber das Glück gehabt, dass ich die richtigen Leute kennengelernt habe. Mir ist es gelungen, einen guten Kontakt zum Bundesdenkmalamt aufzubauen, den es vorher nicht gab. Der Revitalisierungsfonds war mir auch eine große Hilfe. Da hatte ich immer einen Ansprechpartner – bis heute. Ich hab ein Sanierungskonzept erarbeiten lassen. Grundsätzlich gilt: Was ich heute weiß, hab ich mir Jahr für Jahr erarbeitet.

Blicken Sie auf eine durch und durch positive Entwicklung zurück oder haben Sie auch das Gefühl, Fehler gemacht zu haben?
Definitiv! Ein Fehler war mit Sicherheit, dass ich zu viel zu rasch umsetzen wollte. Ich habe mir zu viel gefallen lassen und für gewisse Dinge zu wenig verrechnet. Mein Entgegenkommen war zu groß. Auf der anderen Seite bin ich den politischen Stellen gegenüber zu wenig diplomatisch aufgetreten.

Was konnten Sie für die Zukunft mitnehmen?
Dass es immer darauf ankommt, sich in die Gegenseite hineinzuversetzen, um herauszufinden, wo die gemeinsamen Interessen liegen.

Das Schloss wurde erst unter Ihnen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zehntausende Besucher haben Sie in die Region gebracht. Sind nicht erst dadurch die Erwartungen an Sie und das Schloss gestiegen?
Die Erwartungen sind auf jeden Fall gestiegen. Auf der einen Seite ist sichtbar geworden, in welchem Zustand sich das Gebäude tatsächlich befindet. Auf der anderen Seite haben die Menschen gesehen, dass das Schloss ein besonderer Ort ist. Ich glaube, sie haben beim Betreten des Innenhofs was gespürt. Schlösser wie Hainfeld haben eine öffentliche Funktion. Die haben sie immer schon gehabt – auch früher. Sie waren Schutzraum für die Bevölkerung.

Das Schloss befindet sich allerdings in keinem guten Zustand. Nach der Revitalisierung des Wassergrabens stehen weitere Reparaturarbeiten am Dach auf dem Sanierungsprogramm. Wie schreiten die Arbeiten voran?
Derzeit geht alles nur sehr schleppend. Das hat damit zu tun, dass die öffentlichen Fördergelder auf zehn Prozent der Sanierungskosten gekürzt wurden. Erst bei Vorlage der bezahlten Rechnungen werden die Gelder ausbezahlt. Darüber hinaus sind die Fördermittel mit 35.000 Euro nach oben hin gedeckelt. So kann man keine 5.000 Quadratmeter Dachfläche sanieren. Ich hab auch schon wahnsinnig viel Geld von meinem Privatvermögen investiert – eigentlich weit über meine Möglichkeiten hinaus. Bei all den Vorschriften beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz. Deshalb wird von vielen Stellen der Rat an mich herangetragen, ich möge doch verkaufen.

Wären Sie alle Sorgen los, wenn Sie verkaufen würden?
Ich weiß um die Verantwortung, die mit dem Schloss verbunden ist. Es geht um einen kulturellen Auftrag, es geht um das Erbe rund um den Geist von Joseph von Hammer-Purgstall. Man verkauft kein Schloss von heute auf morgen. Schloss Bertholdstein in Pertlstein war auch zwei, drei Jahre auf dem Markt, bis ein richtiger Käufer gefunden wurde. Man kann sich vorstellen – und die meisten kennen den Zustand von Hainfeld – was passiert, wenn in einem Schloss zwei, drei Jahre nichts gemacht wird. Man weiß ja auch nicht, welche Pläne ein potenzieller Käufer verfolgt. Wenn Hainfeld ein reines Investmentprojekt sein würde, kann man davon ausgehen, dass die Historie von Hammer-Purgstall keinen Platz mehr findet.

Sie sagen, Sie haben einen kulturellen Auftrag. Wie wollen Sie bewerkstelligen, dass der Geist von Hammer-Purgstall im Schloss weiterlebt?
Wenn mit dem Schloss nachhaltig Geld verdient wird, ist es möglich, dem kulturellen Auftrag zu entsprechen. Die Förderungen werden immer weniger. Jedes Kulturobjekt ist demnach gefordert, sich selbst zu erhalten. Bei mir hat ein Umdenken eingesetzt. Mir ist bewusst geworden, dass ein Schloss mit Kultur allein nicht erhalten werden kann. Ich laste mir selber als Fehler an, dass mir die kulturellen Projekte immer wichtiger waren als die Tatsache, dass es darüber hinaus Wege geben muss, Geld zu verdienen. Kulturprojekte und Veranstaltungen sind definitiv zu wenig.

Und was sind das für Wege?
Da spreche ich von Vermietungen und Projekten rund ums Schloss.

Die Verantwortlichen der Regionale 2008 haben der Region einen nachhaltigen Nutzen versprochen. Ist von dieser Nachhaltigkeit was zu spüren?
Es ist insofern was von dieser Nachhaltigkeit zu spüren, weil unsere Kulturprojekte, die auf die Erfahrung und den Inhalt der Regionale aufbauen, gefördert werden. Es hat mit der Kulturabteilung seither immer ein gutes Einvernehmen gegeben. Allerdings ist das zu wenig. Ich wurde immer nach einem Nutzungskonzept gefragt. Aber schauen Sie, wenn ein Schloss so lange nicht geöffnet wird, so große Kriegsschäden erleidet, wenn es keine Einnahmequellen und keine Infrastruktur gibt, kann man von einem Schlossbesitzer nicht erwarten, dass er innerhalb von fünf Jahren ein Konzept aus dem Boden stampft, das es möglich macht, dass ein Schloss sich selbst erhalten kann. Große Bauvorhaben haben Planungszeiten von zwei bis drei Jahren. Die Planungen rund um ein Schloss sind freilich um ein Vielfaches umfangreicher. Ich finde es äußerst problematisch, dass das Land Steiermark nicht bereit ist, mehr für das Schloss zu tun.

Fühlen Sie sich allein oder im Stich gelassen?
Definitiv! Es ist zu wenig, sich immer nur den Kulturbereich herauszupicken und zu fördern. Mir wird ständig gesagt, das Schloss steht unter Denkmalschutz. Ich kenne meine Verantwortung, aber wo ist die öffentliche Verantwortung mir gegenüber? Ich habe Gesetze einzuhalten und bekomme Strafen, wenn ich mich nicht daran halte. Ich stelle mich dem und trage meine Verantwortung. Nur: Wo bitte bleibt die öffentliche Verantwortung?

Beschränkt sich die öffentliche Verantwortung auf finanzielle Hilfe oder würden Sie sich auch Beratung wünschen?
Es gab eine Studie zum Thema „Schloss Hainfeld als interkulturelles Begegnungszentrum“. Dieses Projekt ist aufgrund des politischen Wechsels eingeschlafen. Beratungsleistungen sind gut und schön, allerdings setzen sie voraus, dass sich die Gesprächspartner auf Augenhöhe treffen. Ich bin für Beratung dankbar. Schloss Hainfeld ist ein steirisches Kulturerbe und mir ist wichtig, dass das Schloss öffentlich zugänglich ist. Es wäre schön, wenn steirische Institutionen daran mitwirken und sich einbringen. Aber die Projektunterlagen landen in der Schublade, weil es die Gelder nicht gibt, wie eben für das Hammer-Purgstall-Museum.

Zur Öffentlichkeit zählt nicht nur das Land Steiermark. Zu ihr gehören auch die Menschen, die hier leben. Wie können sich die Menschen einbringen?
Wichtig wäre, wenn sich die Menschen selbst ein Bild machen würden und sich nicht an Gerüchten orientieren. Die öffentliche Meinung kann ein gewaltiges Gewicht bekommen, wenn sie gebündelt kundgetan wird. Wenn die Menschen sagen, wir möchten, dass das Schloss weiter öffentlich zugänglich ist und wir uns dafür einsetzen, dass es breite öffentliche Förderungen dafür gibt, dann kann das sehr wohl eine Kraft sein. Der Stolz auf das Schloss ist die Basis dafür, was weiter passieren soll.

Sind die Menschen bereit, Ihren Weg mitzugehen?
Ich hoffe sehr. Allerdings kann ich diese Frage schwer beantworten. Ich kann das nicht objektiv beurteilen. Ich hänge sehr am Schloss und mir persönlich ist wichtig, dass das Schloss seinen kulturellen Auftrag erfüllt.

Was verbindet Sie persönlich mit Hammer-Purgstall?
Ich persönlich empfinde sehr großen Respekt. Er war ein sehr gebildeter, mutiger Mann. Er war ein Freigeist und hat danach gelebt. Das hat ihm das Leben auch nicht immer leicht gemacht. Deshalb ist er beruflich nicht so vorangekommen, wie er sich das gewünscht hat. Er war ein Wissenschaftler, ein Übersetzer, der wahnsinnig viel publiziert hat. Er war aber vor allem Mensch, der sich sehr gut vernetzt hat und der andere inspirieren konnte.

Und was verbindet Sie mit der Region?
Ich bin Vollblutsteirerin und ein Kind der Region. Ich kenne sehr viele Menschen, lebe aber sehr zurückgezogen, um gewisse Dinge nicht zu nahe an mich herankommen zu lassen. Als Schlossbesitzerin ist unbedingt strategisches Denken notwendig und das erfordert auch Rückzug. Ich bin sehr stolz, was sich hier in der Region in den letzten zehn Jahren getan hat. Hier ist meine Heimat und das wird sie auch immer bleiben.

Würde sich daran was ändern, wenn es Ihnen nicht gelingen würde, dem kulturellen Auftrag zu entsprechen und Ihre Ziele mit dem Schloss zu erreichen ?
Hier wird immer meine Heimat sein, allerdings glaube ich nicht, dass ich dann weiterhin hier leben würde.

Schlossbesitzerin Annabella Dietz im Gespräch mit der WOCHE.
Schloss Hainfeld ist das größte Wasserschloss der Steiermark.
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