Darf ein evangelischer Diakon von Weihnachten die Nase voll haben?

Müssen muss man gar nichts: Michael Kamauf rät, gerade zu Weihnachten darauf zu achten, was einem gut tut.
  • Müssen muss man gar nichts: Michael Kamauf rät, gerade zu Weihnachten darauf zu achten, was einem gut tut.
  • hochgeladen von Daniela Tuttner

Weihnachten steht bevor. Freuen Sie sich auf das Fest?
Michael Kamauf: Es geht mir von Jahr zu Jahr mehr auf den Keks.
Es kommt mir vor, als ob Weihnachten eine Parodie seiner selbst geworden wäre.

Harte Worte. Aus welchem Grund?
Weihnachtsfeiern, Adventfeiern, dazu ist man fast verpflichtet, vor allem, wenn man sozusagen nach außen hin tätig ist. Dann wird dort abgesungen, es sprechen irgendwelche Leute und es hört keiner zu. Und das Eigentliche, eine stille, besinnliche und nachdenkliche Zeit zu haben, das verliert sich immer mehr.

Viele finden gerade Adventfeiern besinnlich.
Es ist ja schön, wenn die Kinder was vorspielen oder vorsingen, oder was erzählen, aber wenn das Kind da steht und über Frieden und Liebe spricht und man schaut ihm in die Augen und merkt, viel meint das Kind nicht von dem was es da sagt, dann fängt man schon an zu überlegen, was das alles soll. Ich möchte, dass die Kinder auch spüren und sehen können, dass da jetzt eine gute Sache auf sie zu kommt. Dass Gott der Erde ganz nahe kommt durch seinen Sohn. Ein Gott, der so nahe kommt, dass er Mensch werden und unter Menschen leben möchte. Der durch Jesus uns auch sagt, dass der Nächste der Wichtigste ist im Leben und nicht nur Leistung und Karriere.

Zu Weihnachten wird so viel gestritten, wie sonst das ganze Jahr nicht. Was ist da los, warum ist das so?
Weil die Erwartungen so irrsinnig unrealistisch und überzogen sind, wie es kein einziges Glaubensfest jemals verlangen würde. Nirgends steht, dass man sich auf Biegen und Brechen lieb haben muss, weil das ja gar nicht geht. Lieben kann man nur freiwillig. Das wird da hineingestopft, dazu die guten Erinnerungen von früher, die man konservieren und am Leben erhalten will.

Jeder wünscht sich, dass Weihnachten funktioniert.
Ja genau. Es wird von den Nachbarn erwartet, dass Ruhe ist, dass man das Haus schmückt, dass ein Weihnachtsputz stattfindet. Es wird erwartet, dass die Hausfrau funktioniert, das ist ja auch eine Zumutung Frauen gegenüber. Das bitte ich so zu zitieren: Find ich arg, was man Müttern und Frauen abverlangt in diesen Tagen! Sie sollen den ganzen emotionalen Schrott eines Jahres in den paar Tagen reparieren. Es ist wirlich schon pathologisch, was sich da manchmal abspielt.

Wie sieht ihr Gegenkonzept aus?
Mein Rat in dieser Zeit ist, das zu tun, wo ich spüre, das möchte ich, das tut mir gut. Da gibts diesen schönen modernen Achtsamkeitsbegriff, aber das ist ja auch schon nimmer mehr zum Anhören. Einfach Dinge tun, die uns gut tun. Ein Bad nehmen, in die Sauna gehen, auf einen Berg kraxeln oder sonst irgend was. Ohne viel Alltagstechnik rundherum, das Handy ausschalten und nicht nur auf stumm. Ohne alle zwei Minuten auf Facebook zu schauen sich dem widmen, was die Natur so zu bieten hat.

Aber da könnte man doch etwas versäumen?
Möglicherweise kann man was versäumen auf Facebook, ich weiß es nicht. Ich weiß nur ganz genau, dass man sicher etwas versäumt, wenn man es nicht tut. Das gute alte Miteinander erspart viele Therapiestunden.

Also zu Weihnachten gemeinsame Erlebnisse schaffen?
Ja, und zwar nicht, weil es funktionieren muss, sondern weil es funktionieren will und kann.

Und wenn es nicht funktionieren will?
Dann lässt man es einfach bleiben.

Einfach so Weihnachten streichen?
Wenn man dazu steht, dass man etwas tut oder nicht tut, dann wirds erst richtig weihnachtlich. Dann hat das Ganze einen Sinn. Weihnachten funktioniert, wenn man tut, was man gerne tut.

Wenn man nichts muss, muss man dann zu Weihnachten auch nicht in die Kirche gehen?
Ich empfehle schon, sich zu Weihnachten einmal wieder eine Kirche von innen anzuschauen. Die alten Lieder, ein paar Minuten still sitzen und etwas Anderes hören, als man sonst hört. Da können Kindheitserinnerungen wach werden. Das ist etwas zum Wohlfühlen, dass kann man sich einfach geben. Es wird ja niemand geprüft in der Kirche. Weihnachten ist in erster Linie ein christlich-kirchliches Fest. Diesen Kern sollte man nicht verlieren und nicht außer Acht lassen. Vielleicht lernt man einen ganz anderen Umgang mit seinem Leben, wenn man das zulässt.

Zur Person

Michael Kamauf ist evangelischer Diakon, Religionspädagoge, Sozialarbeiter und gelernter Koch. Seit 1. September versorgt er die Pfarrstelle in Gleisdorf. Michael Kamauf ist Jahrgang 1966 und ist in Wien aufgewachsen.

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