Lehre im Fokus
Evolutionen am Arbeitsmarkt – was will die Jugend?
Den Jungen wird oft nachgesagt, dass sie den "Wert der Arbeit" aus den Augen verloren haben. Immer mehr Unternehmen kämpfen darum, Personal zu finden oder Lehrstellen zu besetzen. Woran mag das liegen? Wir haben nachgefragt.
GRAZ-UMGEBUNG. Die gute Nachricht vorweg: Laut einer Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstitut "Marketagent.com" im Auftrag von "Leitbetriebe Austria" und "Zukunft.Lehre.Österreich" hat sich das Image der Lehre bei den gut 1.000 Befragten zwischen dem 14. und 29. Lebensjahr deutlich gesteigert. Die eher weniger gute Nachricht: Ihnen ist ihre Work-Life-Balance besonders wichtig, hier schlägt Freizeit eindeutig den Lohn. Nur knapp die Hälfte gab an, Vollzeit arbeiten zu wollen.
Studium oder Lehre, was zählt?
Wollen die Jungen überhaupt noch arbeiten? "Ja", antwortet Patrick König, Jugendsekretär der Österreichischen Gewerkschaftsjugend Steiermark, mit entschlossener Stimme. "Man tut den Jungen zu 100 Prozent unrecht, wenn man das so sagt. Die Lehre ist der Schlüssel für das Leben, das ist meine Meinung. Und das ist die Meinung von vielen anderen auch."
Auf die Frage, woran es liegt, dass viele Unternehmerinnen und Unternehmer ständig auf der Suche nach Nachwuchs sind, antwortet der Gratkorner gegenüber MeinBezirk.at: "Die Lehre und der Lehrberuf müssen wieder aufgewertet werden. Und zwar von den Betrieben selbst und der Politik. Das Image ist gefühlt schlimmer als je zuvor."
Freizeit genießen können
Und das beginnt, so König, schon im Elternhaus. Laut der Wirtschaftskammer Steiermark gehen nur 17,6 Prozent aller Schülerinnen und Schüler der Allgemeinbildenden Höheren und Berufsbildenden Höheren Schulen zusammengerechnet eine Lehre an, der Großteil peilt ein Studium an. "Wenn Zuhause schon davon gesprochen wird, dass nur ein Studium zählt und die Lehre nichts wert ist, haben wir ein Problem."
"Dazu kommt, dass viele Betriebe zu wenig bezahlen. Alle sollen arbeiten, aber zahlen will niemand. Dann darf man auch nicht jammern", heißt es weiter. Er selbst begrüßt die "neue" Work-Life-Balance durchaus, denn: "Mehr Freizeit ist immer super, da braucht man aber kein Lehrling zu sein, um die Zeit, die man abseits der Arbeit für sich hat, genießen zu wollen. Benefits gehören da dazu."
Anpassung an die Modelle
Von "Zuckerln" bis zu mehr Gehalt – all das gehört schon bei einem nicht geringen Teil angehender Lehrlinge zum Anforderungsprofil, das dem Betrieb insgeheim gestellt wird. Auch Stefan Helmreich, WK-Regionalstellenleiter Graz-Umgebung weiß, dass sich die Lehre und damit der Arbeitsmarkt verändert haben. "Wir sind von einer Arbeitgeber- zu einer Arbeitnehmergesellschaft geworden. Die Jungen suchen sich aus, was attraktiver für sie erscheint", sagt er.
Man höre auch immer häufiger von einer Vier-Tage-Woche. Wobei sich gerade bei diesem Punkt vonseiten des Gesetzgebers etwas ändern müsse. So einfach sei die gesetzliche Lage nämlich nicht, immerhin müssten die Stunden, die in fünf Tagen gearbeitet werden, an den restlichen aufgestockt werden. "Möglich ist vieles, aber die Bedingungen müssten sich ändern, damit es für alle auch funktioniert."
Krise ein weiterer Gamechanger?
Ist in den letzten Jahren der Trend hin zu einer eindeutigen Balance zwischen dem Job und der Freizeit tendiert, könnten die aktuellen Krisen das wieder umkehren, glaubt Helmreich. "Wir müssen uns schon fragen, wohin sich der Arbeitsmarkt bewegt. Ich denke, angesichts der steigenden Allgemeinkosten und gewissen Unsicherheiten könnte sich die Einstellung der Jungen wieder ändern", meint er.
Wer nämlich früh eine Lehre beginnt, tut das mitunter auch, um schneller unabhängiger von den Eltern zu werden. Geld spielt hier eine Rolle.
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