Adoption: Ein Kind vom anderen Ende der Welt

- hochgeladen von Elisabeth Pötler
Eine besondere Familiengründung: Die Mutter ist aus Graz, ihre Tochter aus Kambodscha.
Als Antonia B. ihre Tochter das erste Mal spürte, waren die zwei in einem kleinen Raum am anderen Ende der Welt: Sie nahm Flora in die Arme. Das Mädchen war fünf Monate alt und hier aufgewachsen, im Süden Kambodschas, im Waisenhaus mit den Hängematten, in denen die kleinen Kinder schliefen. „Die Nanny hat geweint, als ich Flora mitnahm. Da wusste ich, dass sie trotz Armut gut versorgt gewesen war“, sagte sie.
Antonia B., damals 42 Jahre alt, kam aus Graz zu ihrem Kind angereist. Was sie bisher über sie wusste, entnahm sie einem Brief und einem Foto, das ihr die Behörden geschickt hatten. Neun Monate zuvor hatte sie für sich beschlossen: Sie wird ein Kind aus dem Ausland adoptieren.
Auf ihr Kind gewartet hatte sie viel länger. In Graz, Ende der 90er-Jahre, wollten sie und ihr Mann ein Baby, doch sie wurde nicht schwanger. Die Ärzte konnten keine medizinische Ursache feststellen, sie war Mitte 30 und es klappte einfach nicht. Doch länger warten wollten sie nicht mehr. „Wir haben uns ein Kind gewünscht und uns für eine Adoption entschieden“, sagt sie. So absolvierte das Paar das Zulassungsverfahren für Adoptiveltern um ein Kind aus dem Raum Graz bei sich aufzunehmen.
Plötzlich geschah das Unerwartete: B. wurde schwanger. „Doch ich habe das Baby verloren“, sagt sie. Und daraufhin auch ihren Mann. „Er hat es nicht verkraftet.“
Alles anders, alles neu
Den Adoptionsantrag hat B. ruhend gestellt, bis sie, später, wieder bereit dafür war. Doch die Warteliste für ein Adoptivbaby war auch damals lang. „Als nicht mehr ganz junge, alleinstehende Frau habe ich meine Chancen gleich null gesehen“, sagt die heute 48-Jährige, die in einem Sozialverein arbeitet. Den Wunsch nach einem Kind aufgeben? Auslandsadoption hieß ihre Chance. „Mit meinen Bedingungen waren nur wenige Länder möglich, Kambodscha hat mich intuitiv angesprochen“. Viele Behördenwege und Anträge später konnte sie schließlich ihr Kind abholen.
Im klapprigen Auto ohne Sicherheitsgurte hat Flora sich dann mit ihren kleinen Finger an B.s Hand festgehalten. „Ich wusste, ich muss sie ab jetzt beschützen“.
In der ersten gemeinsamen Nacht ist das Mädchen aufgewacht, erinnert sich B. „Ich war sicher dass sie weinen würde und habe ihr ein Lied vorgesungen – da hat Flora mich angelächelt.“ Zu Hause, in Graz, führte B. ihr Kind sanft in seine neue Lebenswelt ein: „Alles, was sie bisher erlebt hatte, war nun anderes: Die Gerüche, die Stimmen, die Sprache.“
Heute ist Flora sechs Jahre alt, liebt es, Geschichten vorgelesen zu bekommen und lacht gerne und viel, wie ihre Mutter sagt. Über ihre erste Lebensphase weiß das Mädchen alles, was es zu wissen gibt: „Eine andere Frau hat sie geboren, aber bei ihr konnte sie nicht bleiben, weil sie arm war“, sagt B.. Mit zwei Monaten wurde Flora im Waisenhaus abgegeben.
Manchmal bemerkt sie nun, dass sie „braun“ ist – im Vergleich zur hellen Haut ihrer Mama und dann besprechen die zwei das alles in Ruhe. Und später werden Mutter und Tochter eine Reise nach Kambodscha machen, damit Flora das Land erleben kann, in dem ihre Wurzeln liegen.
Auslandsadoptionen
Bei einer Auslandsadoption kann die Wartezeit auf ein Kind kürzer sein, als bei einer Innlandsadoption (Wer in Graz einen Adoptionsantrag stellt, wartet im Schnitt sechs Jahre auf ein Kind ). 2013 wurden in Graz zwei Auslandsadoptionen durchgeführt: Ein Kind stammte aus Indien, das andere aus der Türkei.
Grazer Paare oder Singles, die sich ein Kind aus dem Ausland wünschen, müssen das Zulassungsverfahren des Jugendamtes Graz durchlaufen (siehe links). Die restlichen Schritte wickeln sie mit der Landesregierung und Behörden vor Ort ab. Der Beschluss zur Adoption fällt im Ausland.
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