Junges Graz
"Jugendsprache besteht aus vielen Mikrokosmen"

- Jede Jugendgruppe hat ihre eigenen sprachlichen Stile, die von Faktoren wie Wohnort, Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund beeinflusst werden können.
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Im Interview mit MeinBezirk.at klärt Arne Ziegler vom Institut für Germanistik über Jugendsprache/n, die Einflüsse dahinter und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung des alltäglichen Sprachgebrauchs auf.
GRAZ. Oft wird sie zitiert, wenige wissen, was dahintersteckt: die Jugendsprache. Wie sprechen Jugendliche untereinander, gibt es Trends und inwieweit kann Jugendsprache Sprache im Allgemeinen beeinflussen? MeinBezirk.at hat sich für unsere Jugendserie mit Arne Ziegler vom Institut für Germanistik an der Karl-Franzens-Universität Graz zum Interview getroffen.
MeinBezirk.at: Herr Ziegler, was verstehen Sie unter Jugendsprache?
Arne Ziegler: Zunächst: "Die Jugendsprache" gibt es nicht. Das ist ein theoretisches Konstrukt. Es gibt ja auch nicht "die Jugend". Vielmehr ist beides eine sehr heterogene Gruppe mit vielen unterschiedlichen Registern und Stilen.
Jugendsprache ist eine Vielzahl an Mikrokosmen. Nahezu jede Gruppe hat ihre eigenen Merkmale und Verhaltensweisen.
Außerdem ist Sprache immer situationsabhängig. Jugendliche reden untereinander anders als mit den Eltern. Solche adäquaten Sprachhandlungen finden sich aber bei Erwachsenen genauso. Ich rede mit Freunden ja auch anders als beispielsweise in einem Universitätsvortrag.
Welche Einflüsse beeinflussen diese Jugendsprache/n?
Grundsätzlich kann gesagt werden, jede Generation erfindet sich sprachlich neu. Sprache hat auch viel mit dem Finden der eigenen Identität und der Abgrenzung zum Alten zu tun. Das verhält sich so ähnlich wie mit der Kleidung.
Beeinflusst wird Jugendsprache dabei von vielem: Alter, Wohnort, Dialekt, Bildungssituation oder Migrationshintergrund. In Österreich ist der Unterschied zwischen Stadt und Land ein starker Faktor. Wenn Jugendliche, die aus dem Ausland stammen, in einer Gruppe dabei sind, kann sich das natürlich auch niederschlagen, zum Beispiel im schnellen Wechsel zwischen zwei Sprachen. Das beobachten wir besonders im städtischen Bereich.
Einzelne Jugendgruppen orientieren sich oft an einem Anführer. Da wird Sprache zum Werkzeug um sich bewusst vom Rest abgrenzen.
Sind bestimmte sprachliche Trends in den letzten Jahren erkennbar?
Ganz klar: ja. Jugendliche und junge Erwachsene im urbanen Raum zeigen eine deutliche Tendenz zum standardnahen Sprechen. Bei Mädchen und jungen Frauen ist dieser Trend dabei stärker ausgeprägt als bei Burschen und jungen Männern.
Geschlecht spielt also auch eine Rolle?
Fallweise, ja. Wir beobachten da einzelne Phänomene. Beim Konjunktiv orientieren sich Mädchen und junge Frauen eher am standardisierten "würde", während Burschen eher dialektnah zum angehängtem -at (z.B. hättat, warat) neigen. Internationale Studien zeigen zudem, dass junge Frauen das stärkste Innovationspotenzial haben. Das kann in der Kreierung ganz neuer Sprachregister münden.

- Sprache wird von Jugendlichen als Instrument genutzt um sich bewusst von anderen Gruppen oder Generationen abzugrenzen.
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Beeinflussen Social Media und Handys die Jugendsprache?
Da muss gesagt werden: Ob wir von geschriebener oder gesprochener Sprache reden, sind zwei Paar Schuhe. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen: Natürlich beeinflussen auch diese Faktoren die Sprache. Es gibt aber keine Studien dazu, nur einige Aufsätze über Sprachgebrauch in sozialen Medien, die aber den Einfluss auf die gesprochene Sprache nicht untersuchen.
Spielen Anglizismen bei Jugendlichen eine Rolle?
Anglizismen, also englische Begriffe, die in die deutsche Sprache Eingang finden, kommen vor, aber nicht wesentlich stärker als bei jungen Erwachsenen. Natürlich ist Englisch in den letzten Jahren dominanter geworden, und die Jugendlichen sind deutlich fitter darin als ältere Generationen, die da einen ganz anderen Zugang haben.
Welchen Einfluss kann Jugendsprache auf die Standardsprache haben?
Grundsätzlich kann gesagt werden: Es gibt so gut wie keine jugendexklusiven Sprachphänomene, bei Erwachsenen treten diese nur in niedrigerer Frequenz auf. Viele Wörter oder Begriffsgruppen sind Modeerscheinungen und verschwindet wieder, andere dringen in die Standardsprache ein. Manchmal taucht ein Begriff in völlig anderer Bedeutung wieder auf. Das Wort "Oida" ist so ein Beispiel.
Wie das?
Jugendliche von heute wissen mitunter gar nicht mehr über die ursprüngliche Bedeutung dieses Wortes Bescheid. "Oida" kommt ja von "Alter". Die Jungen verwenden das Wort aber mittlerweile hauptsächlich als Diskurs steuerndes Element, sprich, es wird gesagt, um auf das eigene Rederecht hinzuweisen oder um es an jemand anderen abzugeben. Das nennt sich "Bricolage" (spielerische Bastelei mit verschiedenen Wortstilen, Anm. d. Redaktion).

- Arne Ziegler vom Institut für Germanistik an der KF Uni Graz erforscht als Schwerpunkt unter anderem Grammatik und Sprachdidaktik.
- Foto: Sissi Furgler Fotografie
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Zur Person:
Arne Ziegler studierte Germanistik und Sportwissenschaften an der Universität Bochum, wo er 1996 promovierte. Seit 2005 ist er an der Karl-Franzens Universität Graz tätig und leitet dort den Arbeitsbereich Soziolinguistik, Variationslinguistik und Historische Sprachwissenschaften.
Zu seinen weiteren Forschungsschwerpunkten zählt auch Grammatik und Sprachdidaktik.
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